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Potsdam-Mittelmark: Innere Kräfte, die nach Ausdruck verlangen

Der Werderaner Kunstverein Orphée will die Sommerkunstakademie zur Tradition werden lassen

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Werder (Havel) - Kinder aus verschiedenen Nationen lernen über die Kunst, Brücken zueinander zu bauen: Die Sommerkunstakademie in Werder soll auch künftig das Interesse von Schülern an den bildenden Künsten fördern. Nach einem erfolgreichen Start in diesem Jahr soll das zweiwöchige Ereignis im kommenden fortgesetzt werden. Das sagte Werner Wendt, Vorsitzender des Kunstvereins Orphée, den PNN. In den vergangenen Tagen hatten 25 Schüler aus Werders Partnerstädten Birzai (Litauen), Tczew (Polen) sowie aus St. Petersburg zusammen mit zwölf Altersgenossen aus der Blütenstadt gezeichnet, gemalt, getöpfert und gewebt. Die Bilanz, die Orphée jetzt gezogen hat, ist positiv und lässt den kleinen Verein große Pläne schmieden.

Denn die Arbeit an Staffelei oder Töpferscheibe fördert nicht nur die Kreativität, sondern auch soziale Kompetenzen und handwerkliches Geschick. Davon könnten auch Erwachsene profitieren. „Die Menschen werden immer älter, ihre Lebensprozesse verändern sich öfter als früher“, sagt Werner Wendt und nennt ein Beispiel: Wenn jemand mit über 50 seinen Job verliert, ist es noch zu früh für die Rente. Statt auf den Ruhestand zu warten, könne er sich eine Auszeit nehmen und über die Kunst neue Perspektiven erschließen. Auch für Kinder mit Lernschwäche oder anderen Benachteiligungen sei das Malen oder Kunsthandwerk ein guter Weg, besondere Fähigkeiten zu entwickeln. Der Grundgedanke von Orphée: In jedem schlummern Kräfte, die nach Ausdruck verlangen.

Vor drei Jahren hatte sich der Verein gegründet mit dem Ziel, neue Räume für Kunst und Handwerk an der Freien Schule am Zernsee zu schaffen. „An vielen staatlichen Schulen wird dem Kunstunterricht immer weniger Bedeutung beigemessen – hier ist das anders“, sagt Werner Wendt. Ab der ersten Klasse spielen die kreativen Fächer eine wichtige Rolle. In der Oberstufe sollen Malen und Zeichnen, Drucken, Kupfertreiben, Plastizieren und Steinhauen ein Gegengewicht zu den kognitiven Fächern wie Mathe und Deutsch bilden. Stück für Stück hat Orphée eines der früheren Kasernengebäude gegenüber der Schule in der Elsastraße ausbauen lassen. Dafür wurden Spenden gesammelt, Ein-Euro-Jobber aquiriert und jede Menge in Eigenleistung vollbracht. Der Verein beziffert den bisherigen Aufwand auf insgesamt 130 000 Euro.

Heute sind die Räume weitgehend fertig: Wo bis 1994 noch die Rote Armee stationiert war, können nun Schüler ihrer Kreativität freien Lauf lassen. Es gibt mehrere Werkstätten, in denen gewebt, genäht, gemalt und mit vielerlei Materialien gearbeitet werden kann. Zur Ausstattung gehören historische Webstühle und Spinnräder sowie Nähmaschinen. Der Verein nutzt selbst circa die Hälfte der Räume, bietet hier Workshops an und veranstaltet kleine Atelierkonzerte. Ein weiterer Höhepunkt im Terminkalender sind die Blues-Nächte im Scala-Kino.

Mit der 14-tägigen Sommerkunstakademie hat Orphee nun sein erstes Mammut-Projekt erfolgreich gestemmt. Tagsüber konnten sich die 9- bis 16-Jährigen Teilnehmer unter Anleitung von Künstlern wie Grit Rademacher oder Stadtkurator Frank Weber verwirklichen. Zum Pleinair, einem öffentlichen Malen auf dem Marktplatz, konnten dann auch noch andere Kinder aus Werder für die Malerei begeistert werden. Für die Abende wurde ein Rahmenprogramm organisiert. Dazu gehörten Länderabende, an denen die jeweiligen Gruppen gekocht, musiziert oder Spiele veranstaltet haben. Auch Ausflüge standen auf dem Programm. „Es war wie ein Ferienlager“, beschreibt Wendt die Stimmung, und das trotz denkbar einfacher Bedingungen. Geschlafen wurde zum Beispiel auf Feldbetten des Technischen Hilfswerks.

Dank vieler Spenden und der Fördermittel von Stadt, Kreis und Land sowie der Mithilfe der Werderaner Eltern ist das Finanzierungskonzept des Vereins aufgegangen. Dennoch war es ein Kraftakt – der sich laut Orphée-Vorsitzendem Wendt aber gelohnt habe. Thomas Lähns

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