Potsdam-Mittelmark: Kulinarisches Netzwerk soll den Obstbau stärken Wirtschaftsförderung will Modellprojekt der „Reha-Klinik Hoher Fläming“ ausbauen
Bad Belzig / Werder (Havel) - Äpfel aus Argentinien, Spargel aus Griechenland, Gurken aus Italien und Erdbeeren aus Spanien. Als die Küchenmitarbeiter der Rehaklinik „Hoher Fläming“ vor einigen Jahren auf die Lieferscheine guckten, waren sie dann doch ein wenig erstaunt.
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Bad Belzig / Werder (Havel) - Äpfel aus Argentinien, Spargel aus Griechenland, Gurken aus Italien und Erdbeeren aus Spanien. Als die Küchenmitarbeiter der Rehaklinik „Hoher Fläming“ vor einigen Jahren auf die Lieferscheine guckten, waren sie dann doch ein wenig erstaunt. „Unser Obst und Gemüse kam von sonst woher“, so Kliniksprecherin Heike Köpping gegenüber den PNN. „Dabei haben wir den märkischen Obst- und Gemüsegarten doch vor der Haustür.“ In der Klinik begannen Überlegungen, ob die Patienten mit frischen heimischen Erzeugnissen nicht besser versorgt wären. Seit dem vorigen Jahr wird die Idee erfolgreich umgesetzt.
Der Küchenchef ruft bei der Brücker Agrargenossenschaft, dem Spargelhof Klaistow, dem Champignonhof Locktow oder dem Obsthof Deutscher in Werder an, wenn Kartoffeln, Blaubeeren, Pilze oder Äpfel benötigt werden. „Mit den leckeren Werderaner Äpfeln sind wir über den ganzen Winter gekommen“, so Köpping. Das Projekt trägt den vielversprechenden Titel „Kulinarischer Kalender“. Vor allem frische Saisonprodukte schmecken den Klinikpatienten besser, wenn sie aus der Heimat kommen, sagt Köpping.
Das kleine Projekt soll wachsen, das Landratsamt hat für den heutigen Donnerstag Küchenchefs verschiedener Kliniken und Restaurants, Agrar-, Gartenbau- und Lebensmittelbetriebe zum Schlemmern nach Belzig eingeladen. Neben einer Verkostung gehe es darum, Bedingungen für eine mögliche Zusammenarbeit abzustecken, so Landrat Wolfgang Blasig gestern in einem Pressegespräch. „Die Klöster des Mittelalters hatten ihre eigenen Bäckereien, Gärten und Landwirtschaftsbetriebe. Warum soll das nicht auch heute in unseren Kliniken möglich sein?“, fragt sich Blasig.
Auf diesem Wege könnten nicht nur regionale Wirtschaftskreisläufe gestärkt werden, so der Chef der Wirtschaftsförderung im Landratsamt, Christian Stein. „Wir könnten die Patienten auch gleich für das Thema gesunde Ernährung sensibilisieren.“ Zugleich könnten Anbau und die Produktionsstrukturen gestärkt, die Absatzsicherheit verbessert werden. Eier aus der Frischei in Beelitz, Kürbiskernöl vom Syring-Feinkost in Zauchwitz, Fruchtaufstriche von „Brandenburger Spezialitäten“ aus Ferch, Mehl und Backmischungen von der Steinmeyer-Mühle in Luckenwalde, Fleisch und Wurst von Joppe aus Glindow, Kräuter, Kohlrabi und Obst von Lindicke in Werder – viele kleine Betriebe haben laut Stein Interesse an einer Kooperation angemeldet.
Auch fünf Kliniken und fünf Gastbetriebe, darunter die Springbachmühle in Bad Belzig und das Hotel Mercure in Potsdam, würden bei einem solchen kulinarischen Netzwerk vielleicht mitmachen. Allerdings werde es nicht einfach, das Ganze zu koordinieren. „Die Unternehmen brauchen Kontinuität bei der Lieferung.“ Einige Produkte – noch schwarz vom Acker – müssten erst mal in einen verarbeitungsfähigen Zustand gebracht werden.
Bei Qualität und Hygiene würden strenge Maßstäbe gelten, sagt Heike Köpping. Mit Großmarktpreisen könnten heimische Erzeuger auch nicht immer mithalten. „Es gibt schon Hürden zu überwinden.“ Die Reha-Klinik hatte sich mit der Deutschen Rentenversicherung und der AOK Partner gesucht, die das Projekt finanziell unterstützen. Außerdem macht die Rehaklinik in Rheinsberg mit. „Wenn man das weitertreiben will, braucht man jemanden, der das koordiniert“, so Köpping. Landrat Blasig denkt an eine Genossenschaft oder die Werder Frucht GmbH. Der Chef des Werderschen Obstbauvereins, Walter Kassin, hat schon ein erstes Gespräch mit der bekannten Vermarktungsgesellschaft geführt. „Die würden das Thema möglicherweise übernehmen“, so Kassin.
Obstbauern wie Jürgen Deutscher denken zurück an die Zeiten der Erzeugergenossenschaft, mit der Werders Obstbauern zehn Jahre lang ihr Obst und Gemüse selbst vermarktet hatten. Dem Preisdruck vom Großmarkt hätte die Genossenschaft nicht standhalten können. „Alle wollen den Obstbau in Werder, aber wir müssen davon auch leben können“, so Deutscher. Das Projekt sieht er als Chance, beliefert die Klinik im Hohen Fläming bereits regelmäßig und will dabei bleiben, wenn das Pflänzchen wächst. Seine Produktion hat er schon etwas umgestellt, baut mehr Gemüse und Tomaten an. „Das brauchen die Küchen eher als Obst.“ Beim Treffen heute in der Rehaklinik wird er mit frischen Früchten aus Werder dabei sein.
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