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Michendorf: Literarisches Denkmal

Nicht nur der Krieg, auch das Siedeln in Wilhelmshorst beschäftigte den Schriftsteller Edlef Köppen.

Von Eva Schmid

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Michendorf - Die Granate schlägt ein, es kracht. Soldaten schreien, die Bunkerdecke bricht und mit einem Mal wird es dunkel. Es sind bedrohliche Kriegsszenen, die Edlef Köppen aus seinem eigenen Erlebten in seinem „Heeresbericht“ beschreibt: „Verschüttet? Lebendig begraben und ersticken?“ Hastig dreht der junge Soldat seinen Fuß. Dreht ihn unentwegt hin und her, schiebt Erde beiseite. „Raum. Raum. Jetzt mit der Hand stoßen, heftig stoßen.“ Dann ist der Soldat frei, doch der Erste Weltkrieg geht weiter. Schüsse sind zu hören. „Der Feind trommelt, eine Flamme schlägt hoch. Aber das ist so uninteressant“, schreibt Köppen. „Herr General, erschießen Sie mich. Das größte aller Verbrechen mache ich nicht mehr mit!“

Der Erste Weltkrieg hat ihn verändert: Es ist 100 Jahre her, dass sich der damals 21-jährige Edlef Köppen freiwillig als Soldat meldete. Der Potsdamer Schriftsteller und Rundfunk-Pionier war anfangs vom Kampf an der Front begeistert. Er war in Russland und Frankreich, doch als er 1918 zurückkam, war er ein anderer Mensch.

„Köppen zeigt, was posttraumatische Kriegserlebnisse sind“, sagt Rainer Paetau. Das sei gerade bei der heutigen Diskussion um Bundeswehreinsätze aktueller denn je. Paetau, der Vorsitzende der Freunde und Förderer der Wilhelmshorster Ortsgeschichte, hat zusammen mit dem Köppen-Experten Wilhelm Zier eine Ausstellung über den bekannten Wilhelmshorster Einwohner organisiert. Nachdem Köppens Antikriegsroman von den Nazis 1933 verboten wurde, zog sich der Schriftsteller aus Berlin zurück. Und baute sich ein Haus auf dem Friedensplatz in Wilhelmshorst.

Wie wertvoll Frieden ist, hat Köppen grausam erfahren müssen. Dennoch beschreibt er nüchtern, in stakkatoartigen Sätzen die Ereignisse auf dem Schlachtfeld. Eindringlich und erschreckend wirkt das auch heute noch. „Das Schreiben hat ihm geholfen, das Grausame zu verarbeiten“, erklärt Paetau. Köppen überlebte damals den Granatenangriff auf den Bunker als Einziger, auch einen Giftgasangriff überstand er. „Ihm ging es nicht um Fakten, sondern um seine Eindrücke.“

Immer wieder kamen die Bilder des Grauen und Schreckens in ihm hoch. Köppen litt unter Depressionen und Kriegsneurosen. Auch die Lunge des Schriftstellers, der 1893 in Kiel geboren wurde und im Potsdamer Kiepenheuer-Verlag arbeitete, war stark in Mitleidenschaft gezogen worden. Köppen starb jung, mit 46 Jahren, zurückgezogen in Wilhelmshorst.

„Ich schätze, dass er sich jahrelang gequält hat mit der Last, dass er so lange mitgemacht hat“, sagt Paetau. Nach dem Krieg wurde Köppen für seinen Einsatz an Ost- und Westfront mit dem Eisernen Kreuz erster Klasse ausgezeichnet. Das müsse im Nachhinein einen Pazifisten wie ihn schwer belastet haben, so Paetau.

Neben Sorgen gab es auch gute Momente im Leben des Schriftstellers. „Die Arbeit beim Rundfunk hat aus ihm wieder einen Menschen gemacht“, erzählt Paetau. Wissbegierig sei er immer gewesen, ideal für einen Journalisten, der das neue Medium Radio in den 20er-Jahren zu nutzen wusste. Er war freier literarischer Mitarbeiter der Funk-Stunde Berlin, dem ersten deutschen Radiosender in Berlin. „Er hat Autoren wie Carl Zuckmayer oder Gottfried Benn zum ersten Mal vor dem Mikrofon lesen lassen“, betont Paetau. Das sei damals Fortschritt gewesen. Doch der Aufstieg währte nicht lange. „Sein Buch wäre von den Nazis nicht verboten worden, wenn er das Ende umgeschrieben hätte“, sagt Paetau. Doch Köppen machte nicht mit.

Er zog sich zurück, wollte nicht anecken. „Auch in Wilhelmshorst haben früher viele Nazis gelebt“, so Paetau. Köppen konzentrierte sich aufs Siedeln und so entstand in Wilhelmshorst sein letzter Roman – mit einem Augenzwinkern geschrieben. „Es muss so etwas wie einen Bautrieb im Menschen geben“, schreibt er 1934 in „Vier Mauern und ein Dach“. Der Bautrieb sei nicht schwächer als Hunger und Liebe. Paetau lacht, wenn er an das Büchlein denkt: „Damit hat Köppen uns hier in Wilhelmshorst ein literarisches Denkmal geschaffen.“

Am 8. März um 16 Uhr werden im Wilhelmshorster Gemeindezentrum, Dr.-Albert-Schweitzer-Straße 9-11, aus Köppens Nachlass ausgestellt. Außerdem gibt es eine Lesung und Radioauszüge aus dem Heeresbericht. Auch am 16. März ist die Ausstellung von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

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