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Abschied nehmen. Die bemalten Mauerteile von Juliane Rothenburg und Ekkehard Krauß werden reisefertig gemacht. Bald sollen die Kunstwerke in China stehen.

© Sebastian Gabsch

Potsdam-Mittelmark: Mauerkunst reist nach China

Bemalte Betonstücke standen vorher sechs Monate in Michendorf und Wilhelmshorst. Gekauft hat sie eine Spielefirma

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Teltow – Die beiden bemalten Mauerteile liegen in Position, müssen nur noch befestigt werden. Aus wenigen Metern Entfernung haben die Künstler Juliane Rothenburg und Ekkehard Krauß beobachtet, wie ihre schweren Werke mit einem Gabelstapler auf die Ladefläche des Lastwagens gehoben wurden. „Schon ein komisches Gefühl“, sagt Krauß. Vom Hof der Baustofffirma Klösters an der Oderstraße in Teltow bringt das Fahrzeug die Betonklötze zum Hamburger Hafen, von wo sie mit dem Schiff bis nach China fahren. Dort sollen die neuen Besitzer, eine Firma für Computerspiele, sie in Empfang nehmen.

Juliane Rothenburg und Ekkehard Kraus hatten sich 2013 auf die Ausschreibung der Firma Lagerhaus KW beworben, die die Aktion „Mauerteilebemalen“ ins Leben rief. Anfang 2016 bekundete Michendorfs Bürgermeister Reinhard Mirbach (CDU) nach Gesprächen mit Ekkehard Krauß Interesse, die Mauerteile als öffentliche Kunstwerke in der Gemeinde aufzustellen.

Juliane Rothenburg bemalte ihr Mauerteil auf einer Seite mit einer Leiter, an der obersten Sprosse befestigte sie eine Drahtfigur. „Das Motiv basiert auf einer wahren Fluchtgeschichte, die in Groß Glienicke passiert ist“, sagt die Potsdamerin. Auf der anderen Seite des Mauerteils ist inmitten eines abstrakten schwarz-weißen Hintergrunds ein idyllisch wirkendes Landschaftsgemälde mit einer lila Kuh zu sehen – eine ironische Anspielung auf die Erzählung einer Bekannten Rothenburgs, die zu DDR-Zeiten nach einer Westreise erzählte, der Himmel sei drüben blauer, das Gras grüner und die Kühe bunter gewesen. Rothenburgs Mauerteil stand bis vor Kurzem sechs Monate lang am Bahnhof in Michendorf.

Krauß’ Mauerstück, das den Satz „Freiheit ist die optimale Verteilung von Abhängigkeit“ künstlerisch interpretiert, stand dagegen am Bahnhof Wilhelmshorst. Ein bewusst gewählter Ort: Die Wetzlarer Bahn, die durch Wilhelmshorst und Michendorf nach Berlin fährt, war auf dieser Strecke zwischen 1961 und 1989 gesperrt.

Nach sechs Monaten hätte Michendorf die Mauerstücke als Dauerleihgabe erwerben müssen, was die Gemeindevertretung jedoch mehrheitlich ablehnte. Laut Absprache mit Lagerhaus KW durfte die Firma als Eigentümer der Mauerteile diese nun samt Bemalung an Interessenten verkaufen. „Viele unserer bemalten Mauerteile gingen in der Vergangenheit auch als Spenden an deutsche Botschaften oder Außenministerien in aller Welt“, sagt Stefan Schneider, leitender Mitarbeiter von Lagerhaus KW. Die Spielefirma, die die Mauerstücke mit den Kunstwerken Krauß’ und Rothenburgs gekauft hat, sitzt in der südchinesischen Stadt Fuzhou. Welchen Preis sie für die Mauerteile zahlte, möchte Schneider nicht preisgeben: „Nicht mehr als vierstellig.“ Die Künstler bekamen davon ebenfalls einen Anteil. Das chinesische Unternehmen plane, die Mauerstücke mit Comicfiguren umzugestalten und sie als Friedensdenkmal auszustellen, sagt Schneider.

Ekkehard Krauß und Juliane Rothenburg bekommen anschließend zumindest Fotos von ihren umgestalteten Werken zugeschickt. „Ich hätte es zwar gut gefunden, wenn mein Mauerstück in Michendorf geblieben wäre, aber es ist natürlich auch ein tolles Gefühl, dass es die eigene Kunst bis nach Asien schafft“, sagt Rothenburg.

Die Lagerhaus KW hatte beiden Künstlern allerdings auch angeboten, ihre Mauerteile selbst zum Preis von je 500 Euro zu erwerben. Dann hätten sie allerdings nur auf einem eigenen Grundstück ausgestellt werden dürfen. Beide Künstler hatten daraufhin zugestimmt, die Werke international zum Verkauf anzubieten. Julia Frese

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