Von Thomas Lähns: Mehr Kiez als Kaff
Was sind Werders Vorzüge? Treffpunkt am Plantagenplatz feiert 15-jähriges Jubiläum und zieht Bilanz
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Werder (Havel) – „Wir haben hier Englisch gelernt, sogar Spanisch gelernt – nur zum Tanzen, da fehlen uns die Männer.“ Der Ruf einer Dame aus dem Publikum am Montagabend zeigte, dass Werder nach wie vor ein bisschen Provinz ist. Ältere Herren scheinen etwas scheu zu sein, wenn es um die gemeinsame Freizeitgestaltung geht. „Werder – Kaff oder kuscheliger Kiez“ lautete das Motto einer Diskussionsrunde im Treffpunkt am Plantagenplatz – und offensichtlich hat die Blütenstadt von beidem etwas.
Anlass der Diskussion: Der Treffpunkt, eine Einrichtung des Diakonischen Werkes, begeht dieser Tage sein 15. Jubiläum: Seit Mitte der 90er ist er Dreh- und Angelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. Es gibt Kurse, Beratungen und Feiern, bei denen Menschen Kontakte knüpfen. Kaff oder Kiez? Ein bisschen lässt sich die Frage auch am Treffpunkt beantworten.
Werders frühere Sozialamtsleiterin Gudrun Zander blickte auf die Anfangsjahre zurück: Als Kita konnte das Gebäude nach der Wende aufgrund sinkender Nachfrage nicht gehalten werden, so wurde dem damaligen Bedarf entsprechend 1992 ein Arbeitslosen-Treff organisiert. Für die habe der Besuch jedoch etwas Stigmatisierendes gehabt. Schließlich wurde die Einrichtung für alle geöffnet. „Heute kommen viele Neubürger zu uns, um zu sehen, was in Werder los ist“, sagte die Leiterin der Einrichtung Christel Heise. In den Seniorengruppen würden vor allem die Zugezogenen ihre Freizeit verbringen.
Und die, das brachte die Runde ans Tageslicht, würden Werder keineswegs als Kaff betrachten. „Als ich vor sieben Jahren hergezogen bin, wurde ich von einer tollen Hausgemeinschaft herzlich aufgenommen“, berichtete eine Frau aus dem Publikum. Sie werde zwar keine „Werdersche“ mehr, „aber an der Werderanerin, da kann ich arbeiten“. Der feine Unterschied zwischen Alt- und Neu-Eingesessenen ist nur noch vom Titel her wichtig – ansonsten spiele er kaum eine Rolle, hieß es. Der Werdersche freut sich über neue Nachbarn und gibt sich weltoffen: Seit der Wende sei viel Leben reingekommen, befand ein älterer Herr. Mit dem Theater, der Galerie im Schützenhaus, unzähligen Ausstellungen und Veranstaltungen sei die Kultur fester Bestandteil des Alltags geworden. „Wir müssen nicht nach Berlin oder Potsdam, wir bauen uns selbst etwas auf“, sagte er stolz.
Dieser Lokalpatriotismus spielt auch bei den Jugendlichen eine Rolle, wie Katrin Gütschow, Leiterin des Club 01 im Hohen Weg, durchblicken ließ: Zwar werde oft geklagt, dass man abends mit dem Bus nicht mehr nach Hause kommt, „aber selbst die Jugendlichen lieben die Ruhe hier und wollen gar nicht weg“.
Warum haben es Kulturschaffende trotzdem teilweise schwer in Werder? Immerhin müssten Kino und Theater oft über mangelnde Besucherzahlen klagen, hakte Moderatorin Gabriele Richter nach. „Es ist keine Kulturfeindlichkeit, so etwas muss einfach wachsen“, antwortete Gudrun Zander. Und Marcel Kankarowitsch, Geschäftsführer des Diakonischen Werkes Potsdam, riet: „Man muss den Menschen klarmachen, dass sie solche Angebote annehmen müssen.“ Das kulturelle Leben könne nur laufen, wenn auch die Einwohner ihr Geld hier ließen.
Die Gleichzeitigkeit von Kultur, Infrastruktur und Idylle ist es unterm Strich, die die Leute nach Werder lockt. „Schon wenn man aus dem Auto steigt, ist es ein ganz anderes Gefühl“, erklärte Pfarrer Georg Thimme seinen Entschluss herzuziehen. Seit vergangenem Sommer ist er im Amt und er sei überzeugt, das es die richtige Entscheidung war. Werder sei eine „kreative Kleinstadt“, in der es viele Gelegenheiten gebe, Menschen zusammen zu bringen. Dazu gehörten die Kirche, die Vereine und der Treffpunkt am Plantagenplatz.
Nur – wie lassen sich künftig auch mehr Männer hier her locken? Marcel Kankarowitsch hatte die Lösung: „Veranstalten sie einfach mal ein Skat-Turnier.“
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