Potsdam-Mittelmark: Michendorfer schauen genau hin
Projekt „Wikus“ geht in die Endrunde / Anderer Umgang mit Thema Gewalt
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Michendorf - „Wir kümmern uns selbst“ - das war die entschlossene Reaktion der Michendorfer, als vor gut zwei Jahren Rechtsradikale eine Geburtstagsparty im Gemeindezentrum „Zum Apfelbaum“ gestürmt hatten. Mehrere Jugendliche sind dabei verletzt worden, die allgemeine Bestürzung war groß. „Wir kümmern uns selbst“ – oder kurz: „Wikus“ – ist auch der Name eines bundesweiten Projektes, an dem sich die Michendorfer kurz darauf beteiligt hatten. Offen sind die Themen Gewalt und Rechtsextremismus in der Gemeinde thematisiert und Gegenstrategien erarbeitet worden: im Rahmen von Workshops, Elternabenden und dem „Kino gegen Gewalt“. Jetzt ist eine erste Bilanz gezogen worden.
„Tatsächlich scheint die rechte Gewalt in Michendorf zurückgegangen zu sein“, so die Einschätzung der Michendorfer Wikus-Initiative, denn Jugendliche mit rechtem Hintergrund kämen nicht mehr so gern nach Michendorf, weil sie sich hier nicht mehr ungestört fühlen würden. Dabei sei es schon ein Erfolg, dass die Themen Rechtsextremismus und Gewalt überhaupt in der öffentlichen Diskussion verankert worden sind. „Natürlich gab es am Anfang Stimmen, die gesagt haben, man dürfe die Situation nicht dramatisieren“, so Projektleiterin und Gemeindevertreterin Ulrike Wunderlich (Grüne). Doch sei dies besser, als die Situation zu verharmlosen. Den Bewusstseinswandel in Michendorf beschreibt sie so: „Die Bürger wissen, dass sie hinsehen und Hilfe holen müssen, und nicht wegschauen dürfen, wenn jemand Opfer von Gewalt wird.“
Zwar stehe am Ende des Projektes – im Sommer läuft die Förderung für die fachliche Begleitung aus – kein „Masterplan“, nach dem man erneute Gewalttaten abwehren oder auf sie reagieren kann, doch habe sich ein Netzwerk zwischen Vereinen, Schulen, Bürgern, der Verwaltung und Gemeindevertretern gebildet. „Dieses Netzwerk will unser Gemeinwesen und seine demokratischen Grundwerte verteidigen und aktiv leben“, heißt es in einer Presseerklärung. Die bisherige Arbeit soll fortgesetzt und bisherige Errungenschaften wie das Anti-Gewalt-Kino und das Elternforum bewahrt werden. Auf jeden Fall solle es weitere Treffen geben. In welcher Form dies geschieht, müsse allerdings noch diskutiert werden, so Wunderlich.
Arbeit gibt es nach wie vor: Zurzeit wird in Michendorf dringend Nachwuchs für das Jugendparlament gesucht, weil die bisherigen Mitglieder mittlerweile für Studium und Lehre weggezogen sind. Auch die engere Einbindung der beiden Jugendsozialarbeiterinnen wünscht sich Wikus, doch dafür müsste deren Arbeitszeit aufgestockt werden. Auch der Kontakt zu den Jugendlichen selbst sei bislang noch nicht so durchgreifend gelungen, wie die Initiative es sich gewünscht hätte. Thomas Lähns
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