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Potsdam-Mittelmark: Millionenförderung für die Bauern-App

Institut in Kleinmachnow forscht zur Software, mit der Landwirte die Auswirkungen von Unwettern auf ihr Feld erfahren sollen

Von Enrico Bellin

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Kleinmachnow - „Heute besteht für Ihre Äpfel die Gefahr von Sonnenbrand, bitte stellen Sie um 14.30 Uhr die Bewässerung auf Ihrem Feld an.“ Damit Bauern solche Warnungen künftig genau für ihre Felder aufs Handy bekommen können, startet das Julius Kühn-Institut in Kleinmachnow jetzt ein Forschungsprojekt, das Extremwettererscheinungen beobachtet und eigenständig Risikoabschätzungen vornehmen soll. Am gestrigen Freitag hat der Staatssekretär des Bundesumweltministeriums Peter Bleser einen Fördermittelbescheid in Höhe von knapp 1,1 Millionen Euro an den Institutspräsidenten Georg Backhaus übergeben.

Bis Januar 2020 läuft das Projekt, bei dem in den beiden Modellregionen Altes Land bei Hamburg und der Uckermark Wetterereignisse und ihre genauen Auswirkungen auf die Ernten untersucht werden sollen. Projektkoordinatorin Sandra Krengel zufolge gebe es bisher kaum verfügbare und qualitativ hochwertige Daten etwa zu Hagel und dessen genauen Auswirkungen. Zwar schauen sich Landwirte stets den Wetterbericht an, doch genaue Schlussfolgerungen, was dieser für sie konkret bedeutet, könnten sie kaum allein ziehen. So entstünde etwa Sonnenbrand beim Obst nicht allein durch hohe Temperaturen, auch die Luftfeuchte sei sehr entscheidend. Laut Staatssekretär Bleser arbeiten größere Landwirtschaftsbetriebe teilweise schon eigenständig mit mehreren Wetterdaten, doch für Bauern mit kleinen Flächen soll es diese Möglichkeit durch das Projekt erstmals geben.

Erforscht wird auch die Auswirkung bisher kaum bekannter Schädlinge wie der Essigfruchtfliege. „Mit jedem Grad Klimaerwärmung kommen Schädlinge etwa tausend Kilometer gen Norden“, sagt Institutspräsident Georg Backhaus. Seine bundesweit etwa 1100 Mitarbeiter, von denen rund 100 in Kleinmachnow forschen, wollen deshalb den Bauern auch erklären, welche Sorten resistent gegen die neuen Schädlinge sind. In der Forschung arbeitet sein Institut dabei unter anderem mit dem Potsdam Institut für Klimafolgenforschung (PIK), dem Deutschen Wetterdienst und dem Potsdamer Leibnitz-Institut für Agrarforschung zusammen. Teilweise entwickelt das Institut auch selbst neue Sorten, etwa die Weinrebe Regent, die auch auf dem Wachtelberg in Werder (Havel) steht.

Das Institut arbeitet bei der Forschung auch mit privaten Unternehmen zusammen. So wird die Software, die die gesammelten Daten später verarbeiten soll, von der Potsdamer Delphi Imm GmbH programmiert. Für deren Nutzung sollen die Bauern später kleine gestaffelte Beiträge zahlen, je nachdem wie viele Daten sie genau abfragen. Die neue Software soll auch langfristig das Erscheinungsbild und die Entwicklung der einzelnen Pflanzen erfassen und Aussagen dazu treffen, wann die besten Reifezeiten sind. „Durch den Klimawandel entwickeln sich die Aromen in manchen Früchten völlig anders, als wir es gewohnt sind“, so Georg Backhaus.

Auch für ein zweites Forschungsprojekt zu Pilzen, die den Winterweizen befallen, wurde gestern der Förderbescheid übergeben. Für rund 300 000 Euro soll erforscht werden, wie Epidemien der Krankheiten Gelb- und Schwarzrost rechtzeitig erkannt werden können. „Seit den 50er-Jahren hatte wir den Schwarzrost in Deutschland eigentlich nicht mehr gehabt, 2013 kam er aber zurück und hat bis zu 50 Prozent der Winterweizenernte vernichtet“, erklärt Projektleiterin Bettina Klocke. Der Grund: Der Sommer war in dem Jahr besonders warm und trocken, die Pilzsporen sind mit dem Südwind transportiert worden. Sollten sich solche Jahre wiederholen, könnte sich die Krankheit bei der deutschlandweit nach Mais zweitwichtigsten Feldfrucht wieder dauerhaft einnisten.

In den drei Klimakammern auf dem Institutsgelände am Stahnsdorfer Damm soll deshalb erforscht werden, unter welchen Bedingungen sich die Pilze wie ausbreiten, damit man den Landwirten eine gezielte Empfehlung zum Einsatz von Pflanzenschutzmitteln geben kann. Einige Versuche zu den beiden Forschungsprojekten werden auch auf den Versuchsfeldern des Institutes in Dahnsdorf bei Bad Belzig durchgeführt. Der Fläming ist auch das größte Anbaugebiet für Winterweizen im Landkreis.

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