
© Thomas Lähns
Afghanistan-Einsatz: Papa zieht in den Krieg
Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) hat in Beelitz (Potsdam-Mittelmark) 388 Soldaten in den Einsatz nach Afghanistan verabschiedet. Die Soldaten werden bis Februar 2013 in Mazar-i Scharif im Norden Afghanistans stationiert.
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Beelitz - Für Daniela Sternstein werden die kommenden Monate hart: Ohne ihren Mann wird sie den Alltag meistern müssen, arbeiten gehen – und sich allein um den vierjährigen Felix kümmern. Wie wohl Weihnachten wird, wenn Papa nicht da ist? „Das Leben muss weiterlaufen“, sagt sie – entschlossen, ihrem Mann keinen Kummer zu machen. Denn der ist Soldat bei der Bundeswehr in Beelitz und muss Ende Oktober in den Krieg.
Wie den Sternsteins geht es dieser Tage wieder vielen Familien in der Region: Für viereinhalb Monate müssen sie ihre Männer – und immer häufiger auch Frauen – für den Auslandseinsatz in Afghanistan hergeben. 388 Soldaten sind gestern offiziell in der Kaserne „Hans-Joachim von Zieten“ verabschiedet worden, drei Viertel von ihnen sind in Beelitz stationiert. Das hiesige Logistikbataillion 172 setzt sich damit fast komplett in Marsch.
Bis Mitte März wird die Beelitzer Truppe für die Versorgung der gesamten Bundeswehr im Norden des krisengeschüttelten Landes mit Material, Lebensmitteln, Treibstoff, Wasser und Post zuständig sein. Stationiert werden die Logistiker in Masr-e-Sharif, von dort aus werden sie die Belieferung der Feldlager per Lkw übernehmen – durch zum Teil gefährliches Gebiet. Dafür haben sie neun Monate lang hart trainiert. „Wir kennen uns, sind ein Team, fast eine Familie, und vertrauen in unsere Leistung“, sagt Bataillonskommandeur Boris Nannt in seiner Ansprache. Er wird seine Leute begleiten.
Während des Abschiedsappells stehen die Familien am Rand. Man sieht viele junge Frauen – mit und ohne Kind –, wie sie in den fleckgetarnten Reihen nach ihren Liebsten suchen. „Wir müssen ihn unterstützen“, sagt Daniela Sternstein über ihren Mann, „denn es ist ja sein Job.“ Natürlich mache sie sich Gedanken, ob er psychisch und körperlich unversehrt zurück nach Hause kommt. Immerhin: Die letzten drei Male ist alles gut gegangen.
Für die meisten der Soldaten, die hier draußen unter den letzten wärmenden Sonnenstrahlen des Jahres stehen, wird es nicht der erste Einsatz sein. Manche waren bereits in Bosnien oder im Kosovo mit dabei, viele in Afghanistan. Dort werden sie nun zu den letzten Streitkräften gehören, die hier für Sicherheit sorgen wollen. Der Abzug ist für 2014 bereits beschlossen, doch schon im kommenden Jahr werden die Koffer gepackt. „Ihre Aufgabe wird auch sein, die Ausrüstung von 8000 Soldaten sicherzustellen“, so Regimentskommandeur Karl Helmut Geyer. Er spricht ungeschönt von einer „besonderen Bedrohung und Gefahr“, die auf die Soldaten warten würde. Man müsse gegen einen Feind kämpfen, „der alle moralischen Grundsätze negiert“.
Aber was hat die Truppe erreichen können in den vergangenen elf Jahren? Laut Brandenburgs Innenminister Dietmar Woidke (SPD) würden die Fortschritte im Land hinter den Erwartungen zurückbleiben. Allerdings müssten die Afghanen Stück für Stück wieder Verantwortung übernehmen. Der erneute Bundeswehreinatz würde zwar die Glaubwürdigkeit Deutschlands unterstreichen, „aber es darf keine Dauerlösung sein“, so Woidke.
Nach dem Apell schließen sich Familien in die Arme. Ein paar Wochen bleiben den Soldaten noch: um durchzuatmen und sich zu verabschieden. Für manche wird es aber auch ein Wiedersehen in Afghanistan geben: Ein Oberleutnant erzählt, dass sein Bruder bereits dort unten ist. Seinen Namen möchte er nicht preisgeben, aus Sicherheitsgründen, wie er sagt. In Afghanistan wird er eine der Bergebereitschaften leiten, die liegengebliebene Fahrzeuge zurück zum Stützpunkt bringen müssen – auch unter Beschuss. Dennoch freue er sich auf den Einsatz. Und die Freundin? „Die ist nicht so glücklich“, räumt er ein. „Aber sie steht hinter mir.“
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