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SERIE: Sachsens Festung trotzt noch immer den Preußen Eine Ausstellung erklärt, warum Senftenbergs Liebe zu Dresden unerfüllt blieb Kulturerlebnis Brandenburg

Eines steht fest: Senftenberg kommt nicht von Senf. Stattdessen soll der Name den Quellen zufolge eher „sanft am Berg“ bedeuten.

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Eines steht fest: Senftenberg kommt nicht von Senf. Stattdessen soll der Name den Quellen zufolge eher „sanft am Berg“ bedeuten. Ein Blick in die Umgebung der gut 140 Kilometer südlich Berlins gelegenen Kreisstadt lässt diese Ableitung aus dem Mittelhochdeutschen als logisch erscheinen, denn die Landschaft dort ist recht flach und nur leicht hügelig. Deshalb klingt die Umschreibung der wichtigsten Sehenswürdigkeit in den Werbebroschüren auf den ersten Blick etwas seltsam: Es handelt sich um „eine der mächtigsten Festungsanlagen mit einem Renaissanceschloss in der Mitte“. Passt eine Festung nicht eher auf einen Berg, um die Bewohner besser verteidigen zu können?

Der langjährige Bürgermeister Klaus-Jürgen Graßhoff lächelt bei dieser Frage. „Wir haben eines der besten Verteidigungsbauwerke zu bieten und brauchen dafür gar keine Felsen oder großen Steine“, sagt er. „Bei uns genügten große Erdwälle und ein Wassergraben zur Abschreckung der Feinde.“ Und dann fügt er noch eine Besonderheit hinzu: Es handelt sich um „Sachsens Festung in Brandenburg“. Genau diesen Titel trägt die neue Ausstellung in dem Senftenberger Schmuckstück, die passend zum Themenjahr der Kulturlandkampagne die spannenden Beziehungen zwischen Preußen und Sachsen darstellt.

Die Geschichte klingt schon paradox. Da haben sich die seit Jahrhunderten zum böhmischen und ab 1448 zum sächsischen Herrschaftsbereich zählenden Lausitzer in Senftenberg eine große Festung rund um ihr Schloss gebaut. Immer höher wurden die Wälle, um den aus der Ferne abgefeuerten Kanonenkugeln zu trotzen. Vor allem die Metropole Dresden sollte vor Angriffen aus dem Norden geschützt werden. Das gelang nur teilweise und ging einmal sogar gänzlich schief, wie die im Kellergewölbe der Festung eingerichtete Ausstellung belegt. 1756 überschritten die preußischen Armeen unter Friedrich II. die Grenze zu Sachsen und besetzten ohne nennenswerten Widerstand auch Dresden. Der Feldzug blieb noch weitgehend folgenlos für Senftenberg und die Niederlausitz, das änderte sich erst gut ein halbes Jahrhundert später. Sachsen hatte sich nur zögerlich von Napoleons Eroberungsfeldzügen gelöst und wurde dafür auf dem Wiener Kongress 1814/1815 abgestraft. Die gesamte Niederlausitz und die Hälfte der Oberlausitz wurden preußisch. Und Senftenberg befand sich durch die Entscheidungen am grünen Tisch mit seiner ursächsischen Festung plötzlich mitten in Preußen, und die neuen Landesherren richteten ein Polizeiamt, ein Gericht und Ämter ein. Seit 1913 ist die Festung ein Museum.

Bis heute, auch das zeigt die Ausstellung, fühlen sich viele Senftenberger und Einwohner der umliegenden Orte eher als Sachsen, da sie sich am näher als Berlin gelegenen Dresden orientieren. Und fast wäre es in der Wendezeit zu einem erneuten Gebietswechsel gekommen. Am 19. Juli 1990 entschied im Kreistag eine einzige Stimme gegen eine künftige Zugehörigkeit zu Sachsen. 39:38 lautete das Ergebnis für Brandenburg. Daran konnten auch Demonstrationen, Blockaden der Autobahn oder übermalte Ortsschilder nichts ändern. In Senftenberg wird vor allem Sächsisch gesprochen, und der in Sichtweite der Festung beginnende Senftenberger See, 1972 aus einer Braunkohlengrube entstanden, befindet sich fest in sächsischer Hand. Dafür braucht man sich nur an den Badestränden, in Ferienanlagen und Hotels oder im neuen Seeterrassenrestaurant oberhalb des Jachthafens umzuhören.

Mitten im Schloss kann man mit knallgelben Schutzhelmen eine ungewöhnliche Expedition unternehmen: den Besuch eines Bergwerksstollens. Es lohnt sich, der detailreiche Nachbau aus dem Jahr 1933 mit einem 4,80 Meter starken Kohleflöz überrascht auf Schritt und Tritt. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts war hier Tiefbau üblich, dank erfahrener Bergleute aus dem – sächsischen – Erzgebirge.

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Erschienene Folgen:

24. Mai: Sanssouci

30. Mai: Ausstellung Doberlug-Kirchhain

Weitere Folgen:

6. Juni: Oper und Ausstellung Cottbus, Branitz

10. Juni: Barockes Neuzelle, Oper Oder-Spree

13. Juni: Wustrau, Netzeband, Rheinsberg 

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