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Von Thomas Lähns: Schneller als der Buschfunk

Schnelle Internetverbindung in Stücken freigeschaltet / Skepsis gegenüber Breitbandstrategie des Bundes

Stand:

Michendorf - Die Stückener werden in den kommenden Wochen wohl nur noch selten das Haus verlassen. Sie werden im Internet surfen. Denn Stücken hat jetzt eine Breitbandverbindung: Nun müssen die Bürger nicht mehr ewig warten, bis sich die Seiten aufgebaut haben. Sie können sich Programme aus dem Netz laden und installieren, ohne zwischendurch noch mal die Hühner füttern zu können – ja sogar Filme und Videos werden künftig über die PC-Bildschirme flimmern, frisch „gedownloaded“ aus der Online-Videothek. „Es ist ein riesiger Schritt in die Zukunft für uns“, sagt Ortsvorsteher Udo Reich. Am Wochenende ist der erste Haushalt in seinem Ort per Funkverbindung ins Internet gegangen. Zum ersten „Mouse-Klick“ trafen sich die Verantwortlichen im Fliederhof.

Die Firma Complus aus Kirchmöser bei Brandenburg (Havel) hat es geschafft, was die Telekom und andere große Anbieter bislang nicht einmal für erstrebenswert halten: Auch die Bürger im ländlichen Raum mit Tempo ins Internet zu bringen – ohne Fördermittel oder Zuschüsse der Gemeinde. Möglich wird dies über Richtfunkantennen, die von einem Ort zum anderen senden, wodurch teure Erdarbeiten überflüssig werden. Stücken musste aufgrund seiner landschaftlichen Lage zwischen Hügeln und Wäldern von Beelitz aus über Stangenhagen angepeilt werden, berichtet Complus-Vorstand Holger Matho. Die zentrale Sende- und Empfangsanlage hat sein Unternehmen auf den Schlauchturm der Feuerwehr montiert, von hier aus gehen die Signale an die einzelnen Haushalte – und wieder zurück in die Welt. Mit anderen Funksignalen, zum Beispiel denen der Feuerwehr, komme sich das Complus–Netz aber nicht ins Gehege, aufgrund der sehr hohen Frequenz, versichert Matho.

Stücken ist der fünfte Ort im ländlichen Raum, den die Complus AG und der Landkreis im Rahmen der Initiative „schnell@pm“ angeschlossen haben. Angefangen hatte man vor genau einem Jahr in Altbensdorf, im äußersten Nordwesten des Kreises. Vehlen und Woltersdorf und Schenkenberg folgten. Der Anschluss weiterer Orte sei in Vorbereitung, wie Wirtschaftsförderer Martin Rätz erläutert: Die Einwohner der Orte Sputendorf, Schenkenhorst, Rieben und Wittbrietzen können sich schon mal die Bürosessel zurechtrücken. Überall im Landreis werden zurzeit Infoveranstaltungen abgehalten, um den Bedarf abzufragen.

Denn mindestens 30 Abnehmer braucht die Complus AG, um wirtschaftlich arbeiten zu können. In Stücken sind es im Moment noch 29, „aber wenn es einmal läuft, spricht sich das schneller herum als sonst per Buschfunk“, so Ortsvorsteher Reich. Zumal man für die Verbindung nicht tiefer in die Tasche greifen muss als bei anderen, die DSL per Kabel anbieten. Die Standard-Verbindung mit Geschwindigkeiten von einem Megabyte kostet monatlich 30 Euro, die professionelle mit zwei MB kostet 35, und die schnellste Leitung mit drei MB gibt es für 40 Euro im Monat. Dafür kann man dann surfen, bis der Hahn kräht, denn eine Zeit- oder Datenbeschränkung gibt es nicht – die so genannte „Flatrate“ ist ein Unterschied zu anderen Anbietern, die per Funk arbeiten. Zudem werden eine einmalige Einrichtungsgebühr von 99 Euro sowie eine Kaution für die Technik in Höhe von 49 Euro fällig.

511 Einwohner leben in Stücken, 16 gewerbliche Betriebe gibt es, außerdem zwei Restaurants. „Eine Breitbandverbindung ist mittlerweile ein grundlegender Standortfaktor“, so Vize-Landrat Christian Stein, immer mehr würden von zu Hause aus arbeiten, zum Beispiel Freiberufler, Ich-AGler oder Studenten. In Stücken hatte eine Web-Designerin alle Hebel in Bewegung gesetzt, um vernünftig arbeiten zu können. Christina Perincioli war von Haus zu Haus gegangen und hat Unterschriften für den Breitbandanschluss gesammelt, diese dann in der Gemeindevertretung präsentiert. „Die Stückener sind eine eingeschworene Gemeinschaft“, weiß Bürgermeisterin Cornelia Jung (parteilos), und weil hier die Bürger mobil gemacht haben, konnte man sich mit einer reich gefüllten Abnehmerliste an den Landkreis wenden.

In anderen Michendorfer Ortsteilen ist man längst noch nicht so weit. Wilhelmshorst, Langerwisch und Wildenbruch sind nur teilweise per Kabel versorgt, Fresdorf überhaupt nicht, und das sorgt mittlerweile für Frust. Immer häufiger würden scharfe Beschwerdebriefe bei der Bürgermeisterin eingehen. „Wir bleiben dran, auch an den Gesprächen mit der Telekom“, verspricht sie. Dass die neue Breitbandstrategie der Bundesregierung eine schnelle Lösung bringt, bezweifeln aber die Experten: „Es sind noch zu viele Unwägbarkeiten“, so Christian Stein. Das ambitionierte Ziel: bis 2010 flächendeckend Breitband in Deutschland zur Verfügung zu stellen. Die großen Anbieter sollen dazu motiviert werden, in dem die sogenannten Wirtschaftlichkeitslücken zwischen Investitionskosten und Gewinn in Höhe von bis zu 600 000 Euro mit Fördermitteln geschlossen werden. Wirtschaftsförderer Rätz bleibt skeptisch: „Wenn das klappt, komme ich nach Wilhelmshorst und gebe einen aus.“

In den nächsten Wochen werden noch die übrigen Stückener Haushalte von Complus angeschlossen. Und dann wird gesurft – auf dem flachen Lande.

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