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Strammstehen vor der Chefin. Der Beelitzer Kommandeur Alexander Röpke.

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Potsdam-Mittelmark: Vier Monate ohne Papa

230 Beelitzer Soldaten sind 2015 im Ausland im Einsatz. Derzeit bereiten sie ihre Familien darauf vor

Von Enrico Bellin

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Beelitz - Die Vorbereitungen laufen auf Hochtouren. Am heutigen Dienstag werden in Beelitz 230 Soldaten offiziell verabschiedet, die im kommenden Jahr in Auslandseinsätze in Afghanistan, dem Kosovo, der Türkei und Mali für die Versorgung der Soldaten vor Ort sorgen sollen. Auch Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) wird zum Appell anwesend sein, um die Soldaten in ihren viermonatigen Einsatz zu schicken.

Auf seine vier Monate in Masar-e-Sharif bereitet sich Daniel Heider, Leutnant zur See, derzeit gemeinsam mit seiner Frau und der kleinen Tochter vor, Mitte Januar geht es los. „Wir machen der Kleinen langsam klar, das ich an vielen Freitagen im kommenden Jahr nicht nach Hause kommen werde“, so Heider, der nahe des sächsischen Riesa wohnt. Viele Fotos habe er in den vergangenen Tagen gemacht, die überall im Haus der Familie verteilt werden sollen. Doch auch um ernste Dinge hat sich Heider gekümmert: Neben Vorsorgeuntersuchungen hat er auch ein Testament und eine Patientenverfügung aufgesetzt. „Jeder Soldat sollte sich vor dem Einsatz auch die möglichen Konsequenzen klarmachen, egal ob er Familie hat oder nicht.“

Nach Afghanistan wird auch der Beelitzer Kommandeur, Oberstleutnant Andreas Röpke, aufbrechen. Die 670 Soldaten, die in Beelitz bleiben werden, werden vier Monate lang von seinem Stellvertreter geführt. „Früher hatten wir alle zwei Jahre einen Einsatz, jetzt sind wir gleich an vier Orten der Welt.“ Ob es dafür ab dem Sommer in Beelitz ruhiger zugeht, kann Röpke noch nicht einschätzen. „Das hängt davon ab, wie sich die Weltlage entwickelt.“ Röpke wird in den kommenden Monaten nicht nur Logistik-Soldaten aus Beelitz führen, sondern eine internationale Truppe, in der auch Infanteristen und Sanitäter sind.

Für den Kommandeur ist es der sechste Auslandseinsatz. Seine Frau muss sich dann allein um die beiden schulpflichtigen Söhne kümmern. „Wir haben mit den Kindern offen über den Einsatz gesprochen.“ Zwar seien vier Monate Abwesenheit eine besondere Situation, doch könne man heutzutage die Familie täglich über Videotelefonie im Internet sehen und mit den Kindern sprechen. „Im Vergleich zu früher ist das ein Quantensprung.“ Doch auch über Briefe freuen sich Soldaten wie Familien. Sie seien tiefgründiger und nachhaltiger, da sich die Soldaten zum Schreiben noch Zeit nehmen. Für die Feldpost sind extra Mitarbeiter der Deutschen Post vor Ort im Lager.

Hauptfeldwebel Doreen Rauter weiß, wie sich die Wochen im Auslandslager anfühlen. Vor zwei Jahren war sie in Masar-e-Sharif stationiert, auch Weihnachten hat die 29-Jährige dort verbracht. „An den Adventssonntagen werden im Stützpunkt von den deutschen Soldaten Stände aufgebaut, es ist dann wie ein kleiner Weihnachtsmarkt.“ Angeboten werden unter anderem Popcorn oder alkoholfreier Glühwein. Auch andere internationale Soldaten schätzen die Aktion, die auf der Eigeninitiative von Kompaniefeldwebeln beruht. An Heiligabend gebe es dann meist ein Festessen, an dem Geschenke der Familien aus der Heimat verteilt werden.

Nach Heiligabend herrsche im Lager aber Normalbetrieb, auch an den Feiertagen. „Besonders für Soldaten mit Kindern ist das wichtig, um sich abzulenken und nicht die ganze Zeit an daheim zu denken.“ Auch Silvester werde eher beschaulich gefeiert. Ein Feuerwerk gebe es nicht, nur ein paar Wunderkerzen. Um Mitternacht wird aber trotzdem mit einem Gläschen Sekt angestoßen.

Einsam sei man über die Feiertage aber nicht, schließlich sind die Soldaten in Dreibettzimmern untergebracht. Ob die Afghanen geschockt waren, eine Frau in Uniform zu sehen? „Die schauen natürlich schon, wenn eine Frau mal eine Waffe trägt und was zu sagen hat.“ Probleme habe es aber nie gegeben.

Nach ihrem Einsatz haben die Soldaten die Wahl, direkt in den Arbeitsalltag zurückzukehren oder frei zu nehmen. „Ich habe mir erst einmal Urlaub gegönnt, um das Erlebte aus den vier Monaten zu verarbeiten“, so Doreen Rauter. Während ihres Einsatzes ist eine Soldatin gefallen. „Als dann bei der Trauerfeier der Sarg an mir vorbeigefahren ist, bin ich schon ins Grübeln gekommen.“ Das Risiko des Einsatzes werde einem dann erst noch einmal so richtig bewusst. Im Nachhinein überwiegen aber die positiven Erfahrungen aus dem Einsatz. „Man wächst mit den Kollegen vor Ort zu einer kleinen Familie zusammen.“ Enrico Bellin

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