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Potsdam-Mittelmark: Weil Aphrodite weinte

Im Frühjahr darf Adonis auf die Erde zurück – als Röschen. Im Oderland sind viele zu bewundern

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Im Frühjahr darf Adonis auf die Erde zurück – als Röschen. Im Oderland sind viele zu bewundern Von Claus-Dieter Steyer In jedem Frühjahr beweist die Deutsche Bahn in Brandenburg ihre besondere Sympathie für Pflanzenfreunde. Ihnen beschert die Regionalbahn 60 am Bahnhof Schönfließ im Oderland mehrmals am Tag einen Stopp. Aber nur in der Zeit von Anfang April bis Mitte Mai, wenn das Adonisröschen blüht. Sonst fahren die Züge hier durch. Um das rare, gelbe Hahnenfußgewächs bewundern zu können, nehmen Naturfreunde gern die etwas umständliche Anreise und den rund zwei Kilometer langen Weg vom Bahnhof nach Mallnow in Kauf. Denn an den dortigen Hängen beginnt das größte Vorkommen dieser Steppenpflanze jenseits des Kaukasus. Es zieht sich bis nach Lebus nördlich von Frankfurt (Oder) hin. Spätestens Ende April zeigen sich viele Wiesen und Hügel zwischen Mallnow und der alten Bischofsstadt Lebus in einem gelben Blütenmeer. Mit dem Sonderhalt in Schönfließ reagierte die Bahn nicht zuletzt auf die Proteste nach der Stilllegung der Strecke von Frankfurt nach Küstrin (Kosztrzyn) vor einigen Jahren. Denn bis dahin zog es die meisten Naturfreunde alljährlich zu den so genannten pontischen Hängen südlich von Lebus. Jetzt ist der direkt an der Oder gelegene Ort aber vom Eisenbahnnetz abgehängt. Das schmerzt gerade den Verein der Internationalen Naturfreunde, der das weit ins heutige Polen reichende Lebuser Land zur „Landschaft der Jahre 2003–2004“ erklärt hatte. Mallnow, das geografisch zu dieser Region gehört, hat die Chance erkannt und sich für die während der Blütezeit der Adonisröschen massenhaft in den Ort pilgernden Touristen mächtig ins Zeug gelegt. An den Wochenenden gibt es geführte Wanderungen, die natürlich an der Gaststätte „Zu den Adonisröschen“ beginnen. Mehrere Stände bieten im Dorf Gegrilltes, selbst gebackenen Kuchen und Getränke an. Wer selbst auf Entdeckungstour gehen will, kann sich an mehreren Hinweistafeln über die seltene Pflanze informieren und nebenbei auf einer Allee mit den „Bäumen des Jahres“ aus zurückliegenden Jahrzehnten spazieren. Mallnow ist schließlich auch ein guter Ausgangspunkt für eine Radtour von den Mallnower bis zu den Lebuser Adonisröschen. Die in Schönfließ haltenden Züge haben genügend Platz für Drahtesel. Der Rundkurs über Podelzig. Reitwein und dem Oderdeich misst rund 38 Kilometer und hält unterwegs nicht nur für Naturfreunde manch eindrucksvolle Entdeckung bereit. Hinter der Gaststätte „Zu den Adonisröschen“ führt die Strecke zunächst steil bergab zu den Hängen, voll mit gelben Blüten. Sie stehen unter strengem Naturschutz, so dass der Steppenrasen möglichst nicht betreten werden sollte. Vor dem Beginn einer Allee biegen wir nach rechts in einen Feldweg ein, der uns nach Neu-Podelzig bringt. Wir überqueren die Bundesstraße 112 und gelangen auf einem schönen Weg bis nach Reitwein. Von der Pflasterstraße weist nach rund 150 Metern kurz vor der Stüler-Kirche ein Schild nach rechts zum „Schukow-Befehlsstand“. Das Naturschutzgebiet Reitweiner Sporn steckt voller Geschichte. Der Volksmund nennt die Gegend „Reitweiner Nase“, weil der vier Kilometer lange und zwei Kilometer breite Höhenzug kurz vor dem Ort in einer schmalen Spitze endet. Dieser 40 bis 50 Meter hohen Erhebung kam am Ende des Zweiten Weltkrieges eine entscheidende Rolle zu. Denn im April 1945 hatte hier die 8. Sowjetische Gardearmee ihr Hauptquartier eingerichtet, waren doch große Teile des Oderbruchs und der Seelower Höhen zu überblicken. In den frühen Morgenstunden des 16. April 1945 gab Marschall Schukow von hier aus den Befehl zur Großoffensive in Richtung Berlin. Mehrere Zehntausend Soldaten verloren auf beiden Seiten ihr Leben. Allein in Mallnow wechselte binnen 24 Stunden dreißig Mal die Front. Die Natur hat viele damals in die Landschaft gerissene Wunden überdeckt – mit teilweise seltenen Steppenpflanzen. Der Weg führt nach dem Abstecher zum Befehlsstand weiter zur „Schönen Aussicht“ über das Odervorland. Danach geht es auf dem alten Handelsweg Berlin–Frankfurt, den Theodor Fontane in seinem Werk „Vor dem Sturm“ verewigte, in steiler Talfahrt nach Reitwein. An der Gaststätte „Reitweiner Sporn“ biegen wir nach links ein und stoßen wenig später auf die Hauptstraße. Wir halten uns rechts und fahren auf ihr bis an die Oder. Nun beginnt direkt neben dem Deich der Oder-Neiße-Radweg. Nach gut zehn Kilometern erreichen wir Lebus. Die Adonishänge liegen auf der anderen Seite des Dorfes. Direkt an der Oder beginnt ein schmaler Wanderweg, der wenig später den Blick auf die Hänge mit den gelben Blüten ermöglicht. Es gibt übrigens eine Sage um die seltene Blume. So soll die Liebe zwischen Aphrodite und dem vor Schönheit strotzenden Adonis, Sohn des zypriotischen Königs, nach seiner tödlichen Jagdverletzung durch einen Eber tragisch zu Ende gegangen sein. Adonis wurde in das Totenreich des Hades, Herrscher der Unterwelt, entführt. Aphrodite weinte bitterlich um ihren Geliebten, so dass sich Göttervater Zeus erbarmen ließ. Er befahl seinem Bruder Hades, Adonis jedes Frühjahr für kurze Zeit auf die Erde zu entlassen – in Gestalt des Röschens. Mit dem Rad geht es zurück bis zur Ortsmitte. Wir biegen nach links in die Hauptstraße ein und erreichen über einen Hügel die Kreuzung der Bundesstraßen 167 und 112. Entlang der B 167 in Richtung Seelow fahren wir rund 200 Meter, bis die Bahnhofstraße nach rechts abzweigt. Hier beginnt der Theodor-Fontane-Radweg, der die stillgelegte Eisenbahnstrecke überquert und uns nach Mallnow zurückbringt. Hier lohnt sich noch ein Abstecher zum Heimattiergarten oder zur Garten-Eisenbahn, ehe die Rückfahrt vom Bahnhof Schönfließ beginnt.

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