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Schwerer Neuanfang: Altere Menschen sind von einem Wohnungswechsel schnell überfordert.

© imago images/Westend61

Seniorenimmobilien: Wohnen für Fortgeschrittene

Die Babyboomer gehen in Rente. Sie sehnen sich beim altersgerechten Wohnen nach Alternativen. Wunsch und Wirklichkeit müssen sich aber an den Renten messen lassen.

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Wie Wohnen im Alter? Für die Generation der sogenannten Babyboomer wird diese Frage zunehmend drängender. Die meisten wünschen sich Beständigkeit, was ihre Wohnsituation angeht. Knapp jeder Dritte sorgt sich aber darum, sich die jetzige Wohnung im Alter nicht mehr leisten zu können. Das fand das international tätige Marktforschungsunternehmen Ipsos bereits im Frühjahr im Auftrag der Apotheken-Umschau heraus.

Zu diesem Zeitpunkt war von horrend steigenden Energiepreisen und Inflation noch gar nicht einmal die Rede. Gleichwohl: Das Maklerhaus Terranus, das Seniorenimmobilien als künftige Geldanlagemöglichkeit für sich entdeckt hat, kam in einer Befragung Anfang November zu einem ähnlichen Ergebnis: Fast dreißig Prozent sorgen sich um die Bezahlbarkeit der eigenen Wohnung, fürchten mehrheitlich den Verlust der Eigenständigkeit (55,3 Prozent).

Die meisten Senioren wohnen in „normalen Wohnungen“

Wunsch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander. Die Post-Hippies liebäugeln und experimentieren auch im Alter gerne mit anderen Wohnformen – wenigstens theoretisch. Senioren-WGs, Mehrgenerationenhäuser, Zimmer gegen Hilfe: Das sind einige Stichworte, die in der Ipsos-Befragung fielen.

Die Realität ist eine andere. Von den 18,3 Millionen Menschen der Generation über 65 Jahren lebt nur ein sehr geringer Teil in besonderen Wohnformen. Die meisten älteren Menschen wohnen zu Hause in „normalen Wohnungen“. Dabei haben nur circa eine Million – oder acht Prozent der Seniorenhaushalte – eine weitgehend barrierefreie Wohnung. Dies berichtete die „Arbeitsgemeinschaft für zeitgemäßes Bauen“ auf ihrem diesjährigen Wohnungsbautag. Diese Versorgungslücke wächst.

Die Zahl der Menschen im Rentenalter wird im laufenden Jahrzehnt und in den 2030er Jahren in Deutschland massiv ansteigen. Bis Mitte des nächsten Jahrzehnt wird sie um etwa vier Millionen auf mindestens 20 Millionen zunehmen, wie aus der am Freitag vorgestellten Vorausberechnung des Statistischen Bundesamtes (Destatis) hervorgeht. Diese Zunahme entspreche mehr als der aktuellen Bevölkerung Berlins, erläuterte Destatis-Expertin Olga Pötzsch. Die Zahl der ab 80-Jährigen wird allerdings noch bis Mitte der 2030er Jahre relativ stabil bleiben und zwischen 5,8 und 6,7 Millionen betragen. Danach wird die Zahl der Hochaltrigen jedoch voraussichtlich massiv zunehmen - und damit auch der Pflegebedarf.

Bisher richten sich die Angebote überwiegend an Senioren mit entsprechender Finanzkraft.

Anja Sakwe Nakonji, Geschäftsführerin Terranus GmbH

Deutschland altert in dreifacher Hinsicht: absolut, relativ und durch die starke Zunahme der Hochbetagten. Der Gesamtverband der Wohnungswirtschaft beziffert den Bedarf an weitgehend barrierefreien Wohnungen schon heute auf 2,1 Millionen – der zusätzliche Bedarf wurde bis zum Jahr 2040 auf 3,2 Millionen hochgerechnet.

Dies ist nicht das einzige Defizit. Viele Kommunen sind unterversorgt, wenn es um Angebote für betreutes Wohnen geht. Berlin liegt hier hinter Stuttgart, Hamburg, Köln und Leipzig im Mittelfeld auf Platz fünf, werden die zehn einwohnerstärksten Städte in Deutschland betrachtet – wie dies die Terranus in ihrem aktuellen Pflegeatlas getan hat.

Bedarf an stationären Pflegeplätzen steigt massiv

Der Nachfrage nach stationären Pflegeplätzen steigt in ganz Deutschland, jedoch mit regional unterschiedlicher Ausprägung. Besonders stark in Berlin: Der Bedarf an stationären Pflegeplätzen wächst perspektivisch gegenüber 2021 bis 2030 um 40 Prozent, also 9500 Plätze. Knapp sechs Millionen „Boomer" werden 2040 bundesweit pflegebedürftig sein. Das vermeldete das unabhängige Forschungsinstitut Bulwiengesa, das Immobilienmarktdaten in Berlin sammelt und aufbereitet.

Die Terranus stellte Mitte November gemeinsam mit der Berlin Hyp dar, wie sich der Markt für Seniorenimmobilien verändert und ausdifferenziert hat. „Bisher richten sich die Angebote überwiegend an Senioren mit entsprechender Finanzkraft, aufgrund der stetig steigenden Nachfrage von Senioren nach Wohnangeboten ist künftig mit einer weiteren Ausdifferenzierung zu rechnen“, sagt Anja Sakwe Nakonji, Geschäftsführerin Terranus GmbH.

Das Nettoeinkommen der Generation Ü60 liegt bei 2000 Euro

Ein wenig Hoffnung schwingt in dieser Aussage mit. Denn die künftigen Senioren werden mit sinkenden Renten rechnen müssen. Und ein von Hilfskräften unterstütztes aktives Leben hat seinen Preis.

Das Nettoeinkommen der Generation über 60 liegt bei etwa 50 Prozent der Befragten zwischen 1000 und 2000 Euro, fand Statista.com, eine deutsche Online-Plattform für Wirtschaftsdaten, Statistiken und Prognosen, heraus. Rund 80 Prozent der über 70-Jährigen haben weniger als 2000 Euro Nettoeinkommen. „Das sind zum überwiegenden Teil – mit 70  Prozent – die gesetzliche Rente und zu 30 Prozent sonstige Einnahmen“, sagt Anja Sakwe Nakonji.

Nur jeder Zehnte der Generation, die jetzt oder demnächst in Rente geht, hat laut dem Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) im Schnitt größere Geldvermögen als die vorherige Generation. Städte und Kommunen stehen vor der Bewältigung gewaltiger Aufgaben. Projektentwicklern sind enge Grenzen gesetzt, wenn es um das Geldverdienen mit Seniorenimmobilien geht: Die steigenden Bau- und Grundstückskosten könnten die Renditen weiter reduzieren.

„Das heißt auch, das urbane Umfeld, die Infrastruktur und Quartiere müssen auf die Belange einer alternden Gesellschaft ausgerichtet sein“, sagt BerlinHyp-Vorständin Teresa Dreo-Tempsch: „Nicht zuletzt sind Senioren auch Mieter, dabei wächst der Anteil der Senioren mit sehr knappem Budget ebenfalls und trifft auf den heute schon bestehenden Mangel an bezahlbarem Wohnraum.“

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