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Was tun? Herthas Trainer Cristian Fiél muss in der Defensive improvisieren.

© imago/Contrast/IMAGO/O.Behrendt

Abwehrnot gegen Offensivlust: Auf Hertha BSC wartet bei Darmstadt 98 eine besondere Herausforderung

Herthas Trainer Fiél steht für das Auswärtsspiel in Darmstadt nur ein gelernter Innenverteidiger zur Verfügung – und das gegen das derzeit offensivstärkste Team der Liga.

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Eine echte Liebesbeziehung war es nicht. Wenn Fabian Lustenberger frei hätte wählen können, hätte er eine andere gewählt. Eine andere Position.

Lustenberger hat bei Hertha BSC vornehmlich im defensiven Mittelfeld gespielt. Dort war er zu Hause, dort fühlte er sich am wohlsten. Eine Zeit lang aber ist er auch in der Innenverteidigung aufgelaufen – und hat den Job so anständig erledigt, dass er von Herthas damaligem Trainer Jos Luhukay dauerhaft in der Viererkette aufgeboten wurde.

Wie erwähnt: Echte Liebe war es nicht, aber Lustenberger hat die Vorzüge der Position durchaus zu schätzen gewusst. „Als Innenverteidiger muss man weniger laufen“, hat der Schweizer, der seine Karriere inzwischen beendet hat, einmal gesagt.

Vom Mittelfeld eine Reihe nach hinten: Das ist keine revolutionäre Idee. Bei Hertha ist Fabian Lustenberger in die Viererkette versetzt worden, später auch Jens Hegeler. Und wenn nicht alles täuscht, könnte Andreas Bouchalakis diese Reihe am Wochenende fortsetzen.

Es gibt keinen Grund, Alarm zu schlagen. Wir haben genug Spieler, und wir werden eine gute Mannschaft ins Rennen schicken.

Cristian Fiél, Trainer von Hertha BSC, über die Personalsituation

Der Grieche ist für Cristian Fiél, den Trainer des Berliner Fußball-Zweitligisten, jedenfalls ein möglicher Kandidat, um der drastischen Personalnot in der Defensive zu begegnen. Vor allem in der Innenverteidigung ist die Situation kritisch wie nie: Für das Auswärtsspiel am Samstag beim SV Darmstadt 98 (13 Uhr, live bei Sky) steht Herthas Trainer mit dem 19 Jahre alten Pascal Klemens nur ein gelernter Innenverteidiger zur Verfügung.

„Es ist eine herausfordernde Zeit“, sagt Fiél, der auf Nachfrage sogar bestätigt, dass es in seiner Karriere als Trainer noch nie so herausfordernd war. „Aber es gibt keinen Grund, Alarm zu schlagen. Wir haben genug Spieler, und wir werden eine gute Mannschaft ins Rennen schicken.“

Peter Matiebel (links) und Sebastian Weiland (hier in einem Spiel der U 23) haben in dieser Woche mit den Profis von Hertha BSC trainiert.

© imago/Matthias Koch/imago/Matthias Koch

Neben den schon länger verletzten Innenverteidigern John Anthony Brooks und Linus Gechter müssen die Berliner in Darmstadt kurzfristig auch auf den gelbgesperrten Marton Dardai und Kapitän Toni Leistner verzichten, der sich bei der Heimniederlage gegen den 1. FC Köln eine Muskelverletzung im Oberschenkel zugezogen hat.

Dardai kehrt nach der Länderspielpause zwar wieder zurück. Mit den anderen Abwehrspielern rechnet Fiél hingegen noch nicht. Brooks hat jüngst erklärt, dass er in diesem Jahr nicht mehr werde spielen können. Auch bei Gechter wird es noch dauern, obwohl er seit dieser Woche zumindest wieder individuell auf dem Platz trainiert. Und selbst für Leistner dürfte die Länderspielpause zu kurz sein. Fiél geht bei ihm von einer Ausfallzeit von zwei bis drei Wochen aus.

Im Training der Profis durften daher in dieser Woche zwei 19-Jährige vorspielen: Sebastian Weiland hat in dieser Saison 13 Spiele für Herthas U 23 in der Regionalliga bestritten. Beim Heimsieg gegen Eintracht Braunschweig vor drei Wochen stand er erstmals im Kader der Profimannschaft; zum Einsatz kam er allerdings nicht.

In Herthas Regionalligateam verteidigt Weiland in der Regel an der Seite von Peter Matiebel, der in allen 14 Saisonspielen der U 23 in der Startelf stand. Schon in der Vergangenheit, unter Fiéls Vorgänger Pal Dardai, durfte der groß gewachsene Innenverteidiger bei den Profis mittrainieren. Eine Option für den Spieltagskader war er bisher aber noch nicht.

„Sie sind fleißig, geben Vollgas“, sagt Fiél über seine Eindrücke aus dem Training. „Das sind Jungs, die ich auch reinschmeißen könnte. Ob ich das mache oder nicht, muss ich mal schauen.“ Immerhin sei der Schritt von der Regionalliga in die Zweite Liga noch ein ziemlich großer.

Fiél hat die Dreierkette getestet

Anders als für Andreas Bouchalakis. Der gelernte Sechser würde im Zentrum bleiben, „es wäre für ihn einfach eine Ebene weiter hinten“, sagt Fiél. „Ich bin der Überzeugung, dass er das spielen könnte.“

Möglich wäre auch eine Dreierkette, bestehend aus Klemens im Zentrum und den beiden Außenverteidigern Jonjoe Kenny und Deyovaisio Zeefuik an seiner Seite. Im vergangenen Monat hat Fiél genau diese Variante einmal ausprobiert – im Testspiel gegen Hertha 03 Zehlendorf.

Darmstadt 98 aber wird für die Berliner eine ganz andere Herausforderung als der Regionalligist aus der eigenen Stadt werden. Der Absteiger aus der Bundesliga ist zuletzt vor allem durch seine starke Offensive aufgefallen.

Der beste Torschütze der Liga ist Darmstädter

Als Florian Kohfeldt Anfang September neuer Trainer des Klubs wurde, hatte die Mannschaft in vier Ligaspielen gerade zwei Tore erzielt. Seitdem sind 21 Treffer hinzugekommen, im Schnitt also genau drei pro Spiel. In einer virtuellen Tabelle, die nur die Spiele unter Kohfeldt berücksichtigte, lägen die Darmstädter aktuell auf Platz drei.

Nur der Hamburger SV (25) und der 1. FC Nürnberg (24) haben mehr Tore erzielt. Zudem stellen die Hessen mit dem Schweden Isac Lidberg (acht Treffer in neun Einsätzen) den Führenden der Torjägerliste. „Da wirst du gut verteidigen müssen“, sagt Fiél. „Sonst können sie dir große Probleme machen.“

Einiges deutet darauf hin, dass Andreas Bouchalakis dabei eine besondere Bedeutung zukommen wird, nicht zuletzt eine Aussage von Herthas Trainer: „Es geht darum, die Spieler zu finden, die dann vielleicht auf einer Position auflaufen, auf der sie noch nicht gespielt haben und die auch lange keine Minuten mehr bekommen haben.“

Bouchalakis hat in dieser Saison mehr Spiele für die griechische Nationalmannschaft (zwei) bestritten als für Hertha (eins). Nur in den jüngsten drei Begegnungen schaffte er es überhaupt in den Spieltagskader, einmal wurde er eingewechselt: gegen den Karlsruher SC, sieben Minuten vor Schluss.

Für den 31-Jährigen war das mit Sicherheit keine einfache Zeit. Trainer Fiél hat ihn trotzdem „als Top-Profi“ erlebt, „der die Situation annimmt, wie sie ist“. Genauso jemanden braucht er am Samstag auch in der Innenverteidigung.

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