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Mario Balotelli (rechts) wurde beim Auswärtsspiel in Verona rassistisch beleidigt.

© Claudio Martinelli/dpa

Affenlaute gegen Mario Balotelli: Italien bekommt sein Rassismus-Problem nicht in den Griff

Nationalspieler Mario Balotelli muss nach rassistischen Beleidigungen zum Weiterspielen überredet werden. Ernsthafte Konsequenzen wird es wohl nicht geben.

Die Szene war fast eine Kopie. Wie Kevin-Prince Boateng im Januar 2013 nahm Mario Balotelli den Ball in die Hand und drosch diesen auf die Tribüne. Zu den Rassisten, die ihn mit Affenlauten beleidigten, und pfiffen, sobald er den Ball berührte. Doch während Boatengs damaliges Team beim AC Mailand den Rasen gemeinsam verließ und das Testspiel gegen den Viertligisten Pro Patria abbrach, gab es in Verona nur eine vierminütige Unterbrechung. Genug, um Balotelli vom Verlassen des Spielfeldes abzubringen und die obligatorische Lautsprecheransage zu machen.

Dass Balotelli wenige Minuten später ein wunderschönes Tor erzielte, mit Brescia Calcio bei Hellas Verona 1:2 verlor und Trainer Eugenio Corini entlassen wurde, interessierte danach niemanden. In den italienischen Zeitungen und den vielen Fußballsendungen im Fernsehen dominierte ein Thema: der nächste Rassismus-Vorfall in der Serie A. Balotelli äußerte sich lediglich auf Instagram und wandte sich direkt an die Rassisten in der Kurve: „Schämt euch vor euren Kindern, Frauen, Eltern, Verwandten, Freunden und Bekannten. Schande!“

Von zahlreichen Profis wie den Boateng-Brüdern sowie weiteren Menschen aus der Fußballbranche bekam der 29 Jahre alte Nationalspieler Zuspruch. „Balotellis Reaktion war wichtig und muss unterstützt werden“, sagte Fabio Capello im staatlichen Radio der Rai. „Wir reden viel, aber wir brauchen Taten, keine Worte.“ Balotelli bedankte sich am Montag für die Solidarität von Kollegen und Fans.

Ernsthafte Konsequenzen hat Verona allerdings eher nicht zu fürchten – und das obwohl der Vorfall gut dokumentiert ist. Auf Twitter sind die Affenlaute in einem in der Kurve aufgenommenen Video deutlich zu hören, zudem befand sich in der Nähe des Fanblocks ein Verbandsoffizieller. „Es waren nur etwa 15 Leute, außerdem gab es im Rest der Kurve sogar vereinzelt Applaus für Balotelli“, soll dieser laut „Gazzetta dello Sport“ in seinem Sonderbericht notiert haben.

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Zwar sehen die Regeln des italienischen Fußballverbandes bei diskriminierenden Äußerungen die Möglichkeit eines Abbruchs und Spiele unter Ausschluss der Öffentlichkeit vor, jedoch mit der Einschränkung „je nach Ausmaß und Wahrnehmung des Phänomens“. Vermutlich bleibt es aufgrund der geringen Anzahl der Fans, die für die Beleidigungen verantwortlich sein sollen, bei einer Geldstrafe für den Klub.

"Balotelli kann nie vollständig Italiener sein"

Hellas Verona wehrte sich am Sonntag massiv gegen die Rassismus-Vorwürfe. „Ich werde oft als Scheiß-Zigeuner beschimpft, aber heute gab es nur viele Pfiffe für einen großen Fußballer. Wir sollten nicht von Rassismus sprechen, denn das ist eine Lüge“, sagte Veronas kroatischer Trainer Ivan Juric bei „Sky“. Am Montag äußerte sich auch der Anführer der Hellas-Ultras und offenbarte dabei ungewollt, wie tief der Rassismus bei vielen Mitgliedern des Fanblocks verankert ist. Es habe Affenrufe gegeben, allerdings nur von vier Leuten, die kaum jemand gehört habe. Es gehöre zu ihrer Fankultur, Spieler zu provozieren, aufgrund ihrer langen Haare, ihrer Herkunft aus Süditalien oder aufgrund ihrer Hautfarbe. „Das ist Folklore“, sagte Luca Castellini dem lokalen Sender „Radio Cafè“.

Der einflussreiche Ultra-Anführer war schon früher mit rechten Aussagen und Verhaltensweisen aufgefallen und antwortete auf die Frage, ob Veronas Fanszene ein Rassismus-Problem habe: „Wir haben auch einen Schwarzen im Team.“ Außerdem sagte er mit Blick auf Balotellis Herkunft – er wurde als Sohn ghanaischer Einwanderer in Palermo geboren, wuchs jedoch bei einer italienischen Familie in der Provinz Brescia auf – dieser habe zwar die italienische Staatsangehörigkeit, „er kann aber nie vollständig Italiener sein“.

Mario Balotelli und Kevin-Prince Boateng kennen sich aus gemeinsamen Zeiten beim AC Mailand.
Mario Balotelli und Kevin-Prince Boateng kennen sich aus gemeinsamen Zeiten beim AC Mailand.

© Miguel MEDINA / AFP

Dass solche rassistischen Auswüchse in Italien keine traurigen Einzelfälle sind, zeigt der Fußball regelmäßig. Immer wieder werden dunkelhäutige Spieler mit Affenlauten und Pfiffen beleidigt, vor Balotelli waren in jüngster Zeit schon Blaise Matuidi, Moise Kean, Kalidou Koulibaly und Romelu Lukaku Opfer rassistischer Anfeindungen. Zudem marschierten erst vor knapp zwei Wochen rechtsradikale Fans von Lazio Rom vor einem Europa-League-Spiel mit dem Römischen Gruß durch Glasgow. Dass der Sport allerdings keine Ausnahme ist, zeigen die vielen Fälle von Gewalt gegen Migranten sowie die politischen Erfolge der Lega um den ehemaligen Innenminister Matteo Salvini.

Eine starke Reaktion des Fußballverbandes im Fall Balotelli könnte zumindest ein Zeichen setzen. Bis es so weit ist, werden aber wohl noch viele halbherzige „No-to-Racism“-Kampagnen vorübergehen. Vielleicht hätte Mario Balotelli wirklich vom Platz gehen sollen.

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