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Der Neue: Ante Covic übernahm im Sommer den Cheftrainerposten bei Hertha BSC von Pal Dardai.

© Isabel Infantes/dpa

Der neue Cheftrainer von Hertha BSC: Ante Covic: Der Fußball-Erklärer

Ante Covic ist seit wenigen Wochen Cheftrainer von Hertha BSC - inzwischen zeigt sich, wie er tickt und welchen Fußball er von seinem Team sehen will.

Muhammed Kiprit hat es schon fast geschafft, als er doch noch zurückgepfiffen wird. Der Stürmer von Hertha BSC hat mit seinem Team gerade auf dem großen Feld gespielt, jetzt wechseln die Mannschaften. Kiprit hat sein orangefarbenes Leibchen ausgezogen und auf den Rasen fallen lassen, er ist auf dem Weg zum Nebenplatz, als sein Trainer Ante Covic interveniert. Wenn Covic etwas nicht gefällt, kann er sehr laut und sehr bestimmt werden. Und genau das ist so ein Moment.

Kiprit soll bitte sein Leibchen ordnungsgemäß wegräumen. Thomas Kraft, der Torhüter, der in der Nähe steht, bückt sich, hebt es auf. „Thomas, lass liegen!“, ruft Covic. Kiprit kommt angetrottet, nimmt das Leibchen, geht zur Seitenlinie und legt es neben den Platz.

Bevor Ante Covic in diesem Frühjahr zum Cheftrainer von Herthas Profis befördert wurde, hat er fünf Jahre in der Nachwuchsakademie des Berliner Fußball-Bundesligisten gearbeitet. Verheimlichen kann er das nicht. Vermutlich will er das auch nicht. Seine Erfahrung im Umgang mit Talenten war immerhin ein wichtiges Kriterium, warum Manager Michael Preetz sich für Covic als Nachfolger von Pal Dardai entschieden hat. Er kenne den Verein und dessen DNA, zudem habe er bei der U 23 bewiesen, dass er Talente entwickeln und voranbringen könne.

Eine gewisse Skepsis hat die Entscheidung trotzdem ausgelöst – auch weil viele noch den Spieler Ante Covic im Kopf hatten, der seinem Job nicht immer mit der nötigen Ernsthaftigkeit nachgegangen ist. Das kann man dem Trainer Ante Covic ganz sicher nicht vorwerfen. Nach knapp sechs Wochen Vorbereitung und wenige Tage vor dem ersten Pflichtspiel am Sonntag im DFB-Pokal gegen den VfB Eichstätt lässt sich bereits mit einiger Sicherheit feststellen. Als „sehr fordernd, aber auch fördernd“ erlebt Manager Michael Preetz den neuen Coach. Und Co-Trainer Mirko Dickhaut, der mit Covic beim VfL Bochum gespielt und gemeinsam mit ihm den Trainerlehrgang besucht hat, sagt über seinen neuen Chef: „Als Trainer hat er die nötige Ernsthaftigkeit und Zielstrebigkeit.“

Ante Covic ist einer von sieben Trainern in der Bundesliga, die an diesem Pokalwochenende ihr erstes Pflichtspiel für ihren neuen Arbeitgeber bestreiten – und einer von acht ohne Bundesligaerfahrung als Coach. Langsam verfestigt sich das Bild von ihm, von seiner Arbeit und den Ideen, die dahinterstecken. Dass der 43-Jährige ein Anhänger offensiven Fußballs ist, dürfte sich inzwischen rumgesprochen haben. „Wir werden schon versuchen, etwas offensiver und aktiver zu spielen“, sagt Preetz. „Ante ist ein offensiv denkender Trainer, der viel mit dem Ball arbeitet und möchte, dass die Mannschaft idealerweise ordentlich Ballbesitz hat.“

Dem Ball eine Botschaft geben

In den Testspielen gab es immer wieder Phasen, in denen schon zu erkennen war, was Covic vorschwebt: mehr Mut, mehr Flexibilität, mehr Zielstrebigkeit nach vorne. „Ich glaube, wir werden schönen Fußball spielen, wenn wir alles umsetzen“, sagt Mittelfeldspieler Vladimir Darida. Genauso aber gab es Phasen, in denen die Mannschaft eher verwirrt als entschlossen wirkte, vor allem in der Defensive.

Covic hat sich in den vergangenen Wochen vor allem als Fußballlehrer betätigt, der seinen Spielern klare Handlungsanweisungen zukommen lässt. „Gebt dem Ball eine Botschaft!“, fordert er, wenn die Pässe arg wässrig geraten. „Auf dem Vorderfuß stehen!“, ruft er, damit die Spieler schneller vom Fleck kommen. Oder: „Auf den vorderen Fuß spielen“ – damit der Blick gleich nach vorne geht und nicht zurück. Und so bekommt man als Beobachter recht schnell den Eindruck, dass Covic nicht nur weiß, was er tut, sondern auch weiß, warum er es tut.

Klare Kante: Im Training macht Ante Covic schnell deutlich, was er von seinen Spielern erwartet.
Klare Kante: Im Training macht Ante Covic schnell deutlich, was er von seinen Spielern erwartet.

© Britta Pedersen/dpa

Im Training unterbricht der neue Trainer die Übungen oft, er erklärt viel und korrigiert. Auch im Spiel gibt Covic viele Anweisungen, was sich vermutlich schnell legen wird, wenn er feststellt, dass seine Spieler ihn in einem vollen Bundesligastadion anders als noch in der vorigen Saison im Friedensstadion von Germania Halberstadt ohnehin nicht verstehen können. Da hilft auch seine laute, durchdringende Stimme nicht. Im Trainingslager in Stegersbach hallen Covics Sätze von der Tribüne sogar noch einmal nach, als wollte er ihnen besonderen Nachdruck verleihen: „Das sind tödliche Bälle ... tödliche Bälle!“ Und zur Not hat Covic auch noch eine Pfeife. „Stehen bleiben!“, ruft er. „Wenn ich pfeife, bitte stehen bleiben!“ Dann stapft er über den Rasen, packt einen Spieler an der Schulter, schiebt ihn fünf Meter weiter nach links und erläutert, warum das die bessere Option gewesen wäre.

Was er auf dem Platz nicht erklären kann, holt er später mit Hilfe von Videosequenzen nach. Als sein Sohn Maurice und Davie Selke eine Überzahlsituation verschlampen, ruft Covic beide nach der Trainingseinheit noch einmal zu sich und erklärt ihnen am Tablet mit Hilfe laufender Bilder, wie sie ihren Vorteil besser hätten ausspielen können. Solche Möglichkeiten habe er bei der U 23 nicht gehabt, erzählt Covic. Aber das Prinzip dahinter stammt gewissermaßen aus der Arbeit mit dem Nachwuchs: Mentor der Spieler zu sein, ihnen klare Handlungsanweisungen zu geben, anstatt schwammige Parolen zu verbreiten wie „ihr müsst besser in die Zweikämpfe kommen“.

Ein Menschenfänger

Die jungen Spieler kennen das aus den Nachwuchsleistungszentren nicht anders, deshalb finden auch immer mehr Trainer aus den Nachwuchsleistungszentren den Weg zu den Profis. Von den 18 aktuellen Bundesligatrainern verfügen nur vier – Alfred Schreuder, Friedhelm Funkel, Peter Bosz und Oliver Glasner – über keinerlei Erfahrung aus dem Jugendfußball.

Spieler wie Vedad Ibisevic, 35, und Salomon Kalou, 34, die im Fußball schon fast alles erlebt haben, mögen solche Belehrungen für übertrieben halten, aber Covic ist schlau genug, zwischen unantastbaren Routiniers und blutigen Anfängern zu unterscheiden. Ibisevic hat er gleich zu Beginn der Vorbereitung in seinem Amt als Kapitän bestätigt – obwohl zu diesem Zeitpunkt keineswegs absehbar war, dass der Bosnier auch in der neuen Saison wieder Stammspieler sein würde. Covic weiß, dass er als Menschenfänger gilt, und er findet diese Charakterisierung durchaus zutreffend. Menschliche Nähe zu suchen und auch zuzulassen, „das ist meine Art“.

Das heißt nicht, dass bei Covic nur Friede, Freude, Sonnenschein herrschen. Es gibt Dinge, die ihn stören, und andere, die ihn maßlos ärgern: dass die Spieler auf dem Platz nicht miteinander reden zum Beispiel. Oder mangelnde Ernsthaftigkeit. Als bei einem Trainingsspiel eine Mannschaft zum wiederholten Male trotz einer 3:1-Überzahlsituation den Angriff nicht mit einem Tor abschließt, pfeift Covic wütend in seine Pfeife. „Das ist scheiße!“, ruft er. „Das kann ich nicht leiden.“ Zur Strafe lässt er die Spieler ein paar Mal von der Strafraum- zur Grundlinie sprinten und wieder zurück. Dann geht es weiter. „Der eine braucht ein bisschen mehr Zucker, der andere ein bisschen mehr Peitsche“, sagt Ante Covic. „Wir sind gerade dabei herauszufinden, wer was braucht.“

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