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Fabienne Königstein (vorne) zählt zu den besten deutschen Langstreckenläuferinnen.

© IMAGO/Beautiful Sports

Athleten kritisieren Entwurf zur Sportförderung : Rennen bis zur mickrigen Rente

Selbst erfolgreiche Athleten werden hierzulande unzureichend alimentiert. Das soll sich zumindest ein bisschen ändern. Der große Wurf in der Sportförderung dürfte aber ausbleiben.

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Fabienne Königstein ist gleich in vielerlei Hinsicht eine hochtalentierte Frau. Sie machte ein Einser-Abitur und den höchst anspruchsvollen Masterstudiengang Molekularbiologie schloss sie ebenfalls mit der Bestnote ab. Aber nicht nur das: Parallel trumpfte sie bei ihrer großen Leidenschaft auf, im Sport. Königstein ist Langstreckenläuferin, ihre Paradedisziplin ist der Marathon.

Sie wurde Deutsche Meisterin, schaffte neun Monate (!) nach der Geburt ihres Kindes die Norm für die Olympischen Spiele in Paris. Und das alles trotz und nicht wegen der deutschen Spitzensportförderung. So zumindest sieht das Fabienne Königstein – und so sehen das viele deutsche Athletinnen und Athleten.

„Unsicherheit begleitet meinen Sport“, sagte sie am Dienstag. In schwierigen Zeiten gebe es keine Strukturen, die sie unterstützten.

Seit vielen Jahren ist der Blick auf den olympischen Medaillenspiegel aus deutscher Perspektive ernüchternd. Der Erfolg nimmt kontinuierlich ab. Und jedes Mal fragen sich die deutschen Sportfans und Politiker: Wo bleiben die Medaillen? Eine wesentliche Erklärung: Spitzensport lohnt sich für die meisten nicht. Wer ihn trotzdem angeht, nagt nicht selten am Hungertuch. Das soll sich nun ändern.

Die Ampelkoalition möchte ein Sportfördergesetz auf den Weg bringen, das die Situation für die deutschen Spitzensportler:innen verbessern soll. Wenn alles glattläuft, soll das Gesetz schon im ersten oder zweiten Quartal nächsten Jahres wirksam werden.

Aber es gibt Vorbehalte. Vor allem von den Athleten, dessen Interessenvertretung „Athleten Deutschland“ am Dienstag zur digitalen Pressekonferenz eingeladen hatte. Eingewählt hatten sich neben Journalisten auch Gäste wie Fabienne Königstein, die von ihren Sorgen als Leistungssportlerin berichtete.

Sie sei selbstständig, von der Sporthilfe bekomme sie 700 Euro im Monat, wovon 535 Euro für die gesetzliche Krankversicherung vorgesehen seien. „Wenn es bei mir gut läuft, kann ich meine Ausgaben deckeln“, sagte sie. Aber wenn es schlecht laufe, sie wie in diesem Jahr wegen Krankheit oder Verletzung Läufe verpassen würde, stehe sie vor einer „finanziellen Katastrophe“.

Zumal derlei persönliche und im Sport übliche Rückschläge häufig einhergehen mit dem zumindest temporären Ausscheiden aus dem bundesdeutschen Kadersystem – und die Athletinnen und Athleten dann keine oder kaum noch finanzielle Förderung beziehen.

Es ist kein Hobby, was die Athleten machen.

Maximilian Klein, stellvertretender Geschäftsführer von „Athleten Deutschland“

Heruntergebrochen lässt sich bilanzieren: Deutschland ist nicht bereit, viel öffentliches Geld für seine Spitzensportler:innen auszugeben. Das Ergebnis ist das schlechte Abschneiden bei Olympia.

Die Frage, die sich aus alledem ergibt: Kann und will die Nation das in Kauf nehmen? Oder sollen Athletinnen und Athleten, die sich auf dem freien Markt nicht selbst finanzieren können, subventioniert werden?

Die Antwort der Politik ist eindeutig, das formulierte Ziel: Die deutschen Athlet:innen sollen wieder in die Weltspitze geführt werden – konkret bei Olympischen Sommerspielen wieder unter die Top 5 im Medaillenspiegel und im Winter weiterhin unter die Top 3.

Kernstück des Sportfördergesetzes ist die Gründung einer unabhängigen Spitzensport-Agentur. Durch die zentrale Zusammenlegung vieler Aufgaben aus dem bestehenden System in dieser Agentur soll das Personal in Sportverbänden entlastet werden. Der deutsche Spitzensportapparat soll entbürokratisiert und damit effizienter werden.

„Wir haben gemerkt, dass alle bereit sind, einen Paradigmenwechsel einzuleiten“, sagte Maximilian Klein von „Athleten Deutschland“. Aber: „Der Entwurf bleibt weit unter seinen Möglichkeiten. Es findet eine Unwucht zugunsten der Strukturreform und zulasten der Menschen im System statt.“ Es gehe ja vor allem um die Trainerinnen und Trainer, die Athletinnen und Athleten, so befand Klein. „Ich habe große Sorge, dass eine historische Chance verpasst wird.“

Konkret fordern Klein und seine Kollegen von der Athletenvereinigung ein gesetzlich verankertes Recht auf eine angemessene Absicherung von Kaderathlet:innen. Dazu zählen Mutterschutz, monatliche finanzielle Förderung, Altersvorsorge und umfassender Versicherungsschutz, etwa im Krankheitsfall.

Außerdem pocht „Athleten Deutschland“ auf eine rechtlich eigenständige Athletenvertretung in den Aufsichtsgremien der Leistungssportagentur. Die Athleten sehen in den derzeitigen Plänen die Gefahr, dass der Einfluss des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) zu groß ist. „Und der DOSB vertritt nicht ausschließlich die Interessen der Athleten, sondern eben auch Verbandsinteressen“, sagte Klein.

Der Fokus soll aber auf den Athleten liegen. Ein Teil der selbstständigen Sportler lebten unter prekären Bedingungen, verdeutlichte Klein. „Es ist kein Hobby, was die Athleten machen.“

Doch wie solche werden sie mitunter behandelt. Fabienne Königstein rechnete es vor: „Seit ein paar Jahren zahlt die Sporthilfe für uns 250 Euro in die Altersvorsorge ein. Wenn ich weiter den Betrag bis zu meinem Renteneintritt zahle, komme ich auf garantierte 297 Euro im Monat.“

Das ist zum Sterben zu viel und zum Leben zu wenig. Vor allem aber ist es: perspektivlos.

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