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In dieser Saison hat Marvin Friedrich einen Stammplatz auf der Bank.

© IMAGO/Ulrich Hufnagel

Bei Union Aufstiegsheld, jetzt Bankdrücker: Die triste Rückkehr des Marvin Friedrich

Wenn Borussia Mönchengladbach am Freitag beim 1. FC Union Berlin antritt, ist es für Friedrich eine Rückkehr an die Stätte seiner größten Erfolge. Seine Einsatzchancen sind allerdings gering.

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Rund um Marvin Friedrich ist es still geworden. Sehr still. In sieben Pflichtspielen kam der 29 Jahre alte Innenverteidiger von Borussia Mönchengladbach keine Minute zum Einsatz. War er in seinen vier Jahren beim 1. FC Union Berlin noch unverzichtbar, ist sein Stammplatz jetzt schon lange auf der Auswechselbank.

Im Frühjahr 2023 begehrte er gegen seine geringen Einsatzzeiten noch mit einem Interview in der „Sportbild“ auf und kritisierte die Verantwortlichen. „Ich gebe alles, biete mich an“, sagte er damals. „Trotzdem spiele ich überhaupt keine Rolle. Ich bin absolut unzufrieden mit der aktuellen Situation und spüre null Komma null Vertrauen.“ Vom Verein erhielt er eine Geldstrafe, kämpfte sich später aber zurück in die Mannschaft.

Aktuell erträgt er seine Komparsenrolle schweigend. Medial äußert er sich nicht, sein letzter Eintrag auf Instagram ist fast ein Jahr alt.

Marvin Friedrichs Situation könnte vor der Rückkehr an die Stätte seiner größten Erfolge trister kaum sein. Am Freitagabend ist er mit der Borussia im Stadion An der Alten Försterei bei Union zu Gast (20.30 Uhr/Sky). Dass er zum Einsatz kommt, ist unwahrscheinlich.

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Minuten stand Marvin Friedrich in dieser Bundesligasaison auf dem Feld

In Köpenick genießt Friedrich noch immer Heldenstatus. Im Januar 2018 kam er als in Vergessenheit geratenes Talent vom FC Augsburg, wo er nur in der zweiten Mannschaft eingesetzt worden war. Die Leihe entpuppte sich für Union und Friedrich als Glücksfall. Der Abwehrspieler etablierte sich mit seiner Zweikampf- und Kopfballstärke schnell als Leistungsträger.

In der Folgesaison stieg er mit den Berlinern erstmals in die Bundesliga auf – ohne sein Tor zum 2:2 im Relegationshinspiel beim VfB Stuttgart wäre dieser historische Erfolg womöglich gar nicht erreicht worden. Friedrich war ein Sinnbild für den 1. FC Union dieser Jahre: konstant, effizient, eklig. Wobei Letzteres nur auf dem Platz zutraf.

Momente für die Ewigkeit. Marvin Friedrich hatte großen Anteil am erstmaligen Aufstieg des 1. FC Union in die Bundesliga.

© imago/Matthias Koch

Mit Mitte 20 gehörte er zu den konstantesten Innenverteidigern der Bundesliga. Der Kicker stufte ihn in seiner halbjährlichen Rangliste zwischenzeitlich in die „internationale Klasse“ ein, es wurde ernsthaft diskutiert, ob er in die Nationalmannschaft gehört.

Die Nominierung kam nicht – und Friedrich wollte den in der Fußballbranche viel zitierten nächsten Schritt gehen. Im Januar 2022 wechselte er für 5,5 Millionen Euro Ablöse nach Mönchengladbach, wo er Matthias Ginter ersetzen sollte. Der Innenverteidiger machte seit seinem Wechsel an den Niederrhein zwar 84 Spiele, die Erwartungen erfüllte er aber nie.

Damit erging es Friedrich wie vielen früheren Union-Profis. Ob Sebastian Andersson, Christopher Lenz, Taiwo Awoniyi oder Sheraldo Becker, sie alle erreichten nach ihrem Abschied aus Berlin nie auch nur ansatzweise ihr Topniveau. Im Fall von Friedrich war es dem Trainerteam um Urs Fischer gelungen, ein System aufzubauen, was seine Stärken maximiert und seine Schwächen versteckt hat.

Ich finde, dass Marvin sehr gut trainiert hat. Aber ich mache die Regeln nicht, dass ich nur zehn Feldspieler aufstellen und fünf Spieler einwechseln kann.

Eugen Polanski, Gladbachs Trainer

Sein Geschwindigkeitsdefizit fiel in der engen Dreierkette, die gegen den Ball meist eine Fünferkette war, nur selten ins Gewicht. Im Spielaufbau wusste Fischer um die spielerisch begrenzten Qualitäten seiner Abwehrspieler und ließ Friedrich von der rechten Innenverteidigerposition oft den langen Ball spielen. So konnte er mit seiner Zweikampf- sowie Kopfballstärke glänzen und traf regelmäßig nach Standards.

In Gladbach war abgesehen von einigen guten Phasen meist das Gegenteil der Fall. Friedrich war oft zu langsam und ließ das Selbstverständnis, das ihn bei Union ausgezeichnet hatte, vermissen. Dass Daniel Farke und Gerardo Seoane am liebsten auf eine Viererkette setzten, half dabei sicher nicht.

Nur noch Innenverteidiger Nummer vier

Doch auch nach der Entlassung des Schweizers vor einem Monat hat sich Friedrichs Perspektive nicht verbessert. Interimstrainer Eugen Polanski stellte anfangs auf Dreierkette um, setzte dabei aber auf Nico Elvedi, Kevin Diks und Fabio Chiarodia. Nach dem 4:6-Debakel gegen Frankfurt kehrte er zur Formation mit zwei Innenverteidigern zurück und dabei dürfte er nach dem 0:0 in Freiburg vor der Länderspielpause auch bleiben. Friedrich ist nur noch Innenverteidiger Nummer vier bei der Borussia.

„Ich habe mit Marvin Gespräche geführt. Ich finde, dass er sehr gut trainiert hat und es auch schon früher verdient gehabt hätte, zu spielen. Aber ich mache die Regeln nicht, dass ich nur einen Torwart und zehn Feldspieler aufstellen und fünf Spieler einwechseln kann“, sagte Polanski jüngst in der „Rheinischen Post“.

Friedrichs Vertrag läuft am Ende der Saison aus. An einer Verlängerung in Gladbach dürften beide Seiten kein Interesse haben. Da Union mit Diogo Leite und Danilo Doekhi im kommenden Sommer aller Voraussicht nach zwei Stamminnenverteidiger verlieren wird, hätte eine dauerhafte Rückkehr des Aufstiegshelden nach Berlin Charme. Dass ihn Mitarbeiter und Fans nicht vergessen haben, wird Marvin Friedrich am Freitag spüren.

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