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Bochum kündigt Einspruch gegen 1:1 an: Diese Konsequenzen drohen dem 1. FC Union Berlin nach dem Feuerzeugwurf
Es ist nicht das erste Mal, dass Fußballfans Gegenstände werfen und Verletzungen verursachen. Das Spiel zwischen Union und dem VfL Bochum ist aber ein besonders kontroverser Fall.
Stand:
Martin Petersen hat schon einmal schmerzhafte Erfahrungen mit einem Feuerzeug gemacht. Der Schiedsrichter wurde 2015 beim DFB-Pokalspiel des VfL Osnabrück gegen Rasenballsport Leipzig am Kopf getroffen, die Partie abgebrochen und nachträglich mit 2:0 für die Sachsen gewertet. Am vergangenen Samstag im Stadion An der Alten Försterei erwischte es nicht Petersen selbst, der Schiedsrichter stand trotzdem im Blickpunkt.
Nachdem ein Fan des 1. FC Union Berlin Bochums Torwart Patrick Drewes in der Nachspielzeit mit einem Feuerzeug am Kopf getroffen hatte, stand das Bundesligaspiel lange auf der Kippe. Petersen schickte die Mannschaften in die Kabinen, diskutierte mit den Vereinen und entschied gegen den Wunsch der Bochumer, dass das Spiel nach mehr als 25 Minuten Unterbrechung zu Ende geführt werden muss.
Aus unserer Sicht waren seine Entscheidungen rund um den Vorfall korrekt.
Der DFB verteidigt Schiedsrichter Martin Petersen
Das geschah allerdings ohne Drewes, denn der Torwart war laut VfL-Angaben benommen und wurde anschließend ins Krankenhaus gebracht. Die Teams einigten sich auf einen Nichtangriffspakt, die letzten zwei Minuten tickten herunter. Es blieb beim 1:1.
Anschließend wurde kontrovers diskutiert über Petersens Entscheidung und das kuriose Ende eines unwürdigen Nachmittags. „Aus unserer Sicht hätte der Schiedsrichter das Spiel abbrechen müssen“, sagte Bochums Geschäftsführer Ilja Kaenzig.
Dieser Einschätzung widersprachen erst Schiedsrichter Petersen und am Sonntagvormittag auch der Deutsche Fußball-Bund. „Die zwei Kernpunkte sind die Sicherheit der Spieler sowie eine ordnungsgemäße Durchführung. Wir konnten beide Punkte in Absprache mit der Polizei und den Teams mit Ja beantworten“, sagte Petersen bei Sky. Während der Unterbrechung habe er sich auch mit Schiedsrichter-Lehrwart Lutz Wagner beraten. Der DFB teilte auf Anfrage des Sportinformationsdienstes mit: „Aus unserer Sicht waren seine Entscheidungen rund um den Vorfall korrekt.“
Im Falle eines Abbruchs wäre die sportrechtliche Lage klar gewesen. Laut Rechts- und Verfahrensordnung des DFB erfolgt zwingend eine 0:2-Wertung, wenn „eine Mannschaft oder ihren Verein ein Verschulden an dem Spielabbruch trifft“. Die Schuldfrage war am Samstag unstrittig.
2022 verursachte ein Bochum-Fan einen Spielabbruch
Für Vereine wie den 1. FC Union ist es zwar unmöglich, ein solches Fehlverhalten eines Zuschauers zu verhindern, für das Sportgerichtsverfahren ist dies aber unerheblich. Das hat der VfL Bochum vor zweieinhalb Jahren selbst erfahren, nachdem ein Fan den Schiedsrichterassistenten mit einem vollen Getränkebecher getroffen und damit einen Spielabbruch verursacht hatte.
Der Argumentation des Klubs, der Zuschauer habe das Getränk „völlig legal“ gekauft und der Verein deshalb „kein Verschulden“, folgte der DFB nicht. Er wertete das Spiel mit 2:0 für Gegner Borussia Mönchengladbach. Zudem musste Bochum eine Geldstrafe in Höhe von 100.000 Euro zahlen. „Der gastgebende Verein und der Gastverein bzw. ihre Tochtergesellschaften haften im Stadionbereich vor, während und nach dem Spiel für Zwischenfälle jeglicher Art“, heißt es in Paragraf 9a der Rechts- und Verfahrensordnung.
Der gastgebende Verein und der Gastverein haften im Stadionbereich für Zwischenfälle jeglicher Art.
Rechts- und Verfahrensordnung des DFB
Dass die Partie zwischen Union und dem VfL offiziell beendet wurde, bedeutet allerdings nicht, dass die Punkteteilung bestehen bleibt und die Berliner um weitere Sanktionen wie eine Geldstrafe oder einen Teil-Ausschluss der Zuschauer herumkommen.
Bochum kündigte unmittelbar nach Abpfiff an, am Montag Einspruch einlegen zu wollen. Laut Regularien ist dies bis zwei Tage nach dem Spiel möglich, gegen Zahlung einer Gebühr von 500 Euro. Zuständig ist das Sportgericht des DFB, das in der Vergangenheit bei Spielabbrüchen meist innerhalb einer Woche ein Urteil traf.
Die Bochumer dürften sich in ihrem Einspruch auf Paragraf 17, 2b berufen. Dieser sei möglich bei einer „Schwächung der eigenen Mannschaft durch einen während des Spiels eingetretenen Umstand, der unabwendbar war und nicht mit dem Spiel und einer dabei erlittenen Verletzung im Zusammenhang steht“.
Dass Drewes nicht weiterspielen konnte und Bochum das Spiel wegen des ausgeschöpften Wechselkontingents zu neunt beendete, stellt aus VfL-Sicht eine solche Schwächung dar. Er gehe davon aus, dass sein Klub das Spiel am Grünen Tisch gewinne, „wenn man das Regelwerk auslegt“, sagte Kaenzig.
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Allerdings äußerten nicht nur Union-Fans Zweifel daran, dass Drewes durch das Feuerzeug wirklich verletzt wurde. Auf den Fernsehaufnahmen scheint ihn der Gegenstand nur zu streifen. Der frühere Fifa-Schiedsrichter Manuel Gräfe warf dem Torwart auf „X“ ein „Schmierentheater“ vor. Aus gut informierten Kreisen in Berlin habe er die Information, dass im Unfallkrankenhaus keine Verletzung festgestellt wurde. „Kein Hämatom, keine Hautverletzung, keine Schramme.“
Der VfL hatte am Samstag berichtet, dass Drewes unter Übelkeit, Kopfschmerzen und Unwohlsein gelitten habe. Drewes konnte das Krankenhaus am Abend bereits wieder verlassen und kehrte nach Bochum zurück. Die Tests auf Gehirnerschütterung seien unauffällig verlaufen, teilte ein Vereinssprecher der Deutschen Presse-Agentur am Sonntag mit.
Inwieweit das Sportgericht die Schwere der Verletzung und den konkreten ärztlichen Befund in die Urteilsfindung einbeziehen wird, bleibt abzuwarten. Einen Verstoß gegen die Regularien stellt der Wurf des Feuerzeugs in jedem Fall dar.
Ein Tatverdächtiger wurde kurz nach dem Vorfall im Fanblock auf der Waldseite ausfindig gemacht und der Polizei übergeben. Gegen den 27-Jährigen wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt.
Der Becherwerfer, der vor zweieinhalb Jahren in Bochum den Schiedsrichterassistenten verletzt hatte, wurde im Juni 2023 vom zuständigen Amtsgericht zu einer Geldstrafe in Höhe von 3200 Euro (80 Tagessätze à 40 Euro) verurteilt, zudem musste er 800 Euro Schmerzensgeld an Linienrichter Christian Gittelmann zahlen.
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