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Kein Durchkommen: Der deutsche Nationalspieler Martin Strobel (M.) im Dreikampf mit den Tunesiern Issam Tej (l.) und Mahmoud Gharbi (r.).

© dpa

Handball-WM: Das deutsche Spiel ist zu berechenbar

Die 23:25-Niederlage gegen Tunesien zeigte es deutlich: Bei der Handball-Weltmeisterschaft in Spanien mangelt es der deutschen Mannschaft an Individualisten.

Sie trafen sich am nächsten Tag wieder. Zur Mittagsstunde redete Dominik Klein in der Lobby des Hotels in Granollers ein paar Minuten mit Wael Jallouz, dem Schrecken des deutschen Handballs. „Der hat uns ganz schön viele Dinger reingeschweißt“, sagte Klein über den 21-Jährigen Halblinken, der mit seinen acht Treffern aus dem Rückraum maßgeblich zur 23:25-Niederlage gegen Tunesien beigetragen hatte. Im Sommer wechselt der Hüne aus Hammamet zu Kleins Verein THW Kiel. So weit nach vorn aber wollte Klein noch nicht schauen, er konzentrierte sich erst einmal auf das dritte WM-Vorrundenspiel gegen Argentinien am Dienstag (18.15 Uhr, live in der ARD). „Die Stimmung ist so, dass wir nur noch nach vorne schauen“, sagte er. „Noch ist ja gar nichts verloren“, zeigte sich auch Kapitän Oliver Roggisch optimistisch. „Jetzt kommt uns der Modus entgegen, dass keine Punkte in die nächste Runde mitgenommen werden.“

Im Achtelfinale der WM in Spanien, das ab Sonntag ausgespielt wird, kommt wie in den folgenden Runden der K.-o.-Modus zum Tragen. „Unser Ziel ist weiterhin das Viertelfinale“, sagte Horst Bredemeier, der Vizepräsident des Deutschen Handball-Bundes (DHB). Aber das Team von Bundestrainer Martin Heuberger steht bei 2:2 Punkten vor den Partien gegen den Panamerikameister Argentinien, Montenegro (Mittwoch) und Olympiasieger Frankreich (Freitag) enorm unter Druck. Zumal die 60 Minuten gegen Tunesien gewissermaßen eine Verdichtung der Probleme im deutschen Handball darstellten.

Im Rückraum, dem zentralen Mannschaftsteil, in dem jeder Spielzug ausgelöst wird, fehlt es an den nötigen Individualisten. Die Kreuzungen und anderen Auslösehandlungen, die von hier ausgehen, flößen keiner Abwehr von Format Angst ein. Die Spielzüge sind zu berechenbar. Und kein deutscher Rückraumspieler außer Steffen Weinhold ist derzeit in der Lage oder selbstbewusst genug, auch mal ein Duell Mann gegen Mann zu gewinnen.

Wenn keine Torgefahr aus dem Rückraum droht, stehen automatisch auch die Flügelspieler und der Kreisläufer auf verlorenem Posten. Dann ist ein Team auf einen Supertorwart angewiesen, oder auf eine überdurchschnittliche Abwehr, die mit Ballgewinnen Tore durch Tempogegenstöße einleitet. Wenn aber, wie gegen Tunesien, der Torwart schwach bleibt und die Abwehr in Probleme gestürzt wird, ist eine Niederlage fast logisch.

Die Frage ist, warum ein Team aus dem Maghreb über stärkere Individualisten verfügt als die Mannschaft des größten Verbands der Handballwelt. Läuft in der Ausbildung des DHB etwas grundsätzlich falsch, wenn niemand die Klasse eines Jallouz oder Amine Bannour (22) erreicht?

Heuberger sieht Jallouz als Ausnahmeerscheinung, nicht als Verkörperung einer erfolgreicheren Ausbildung. „Die ausländischen Trainer schauen doch eher danach, was in Deutschland passiert“, sagt der Coach, der über Jahre hinweg die Juniorenauswahl des DHB zu vielen Titeln gecoacht hat. „Wir haben sehr wohl solche Talente, zum Beispiel Steffen Fäth.“ Das Problem sei die Anschlussförderung: „Die Spieler schaffen nicht früh genug den Sprung in die Bundesligamannschaften.“

Dominik Klein, der Weltmeister von 2007 und mit Kiel Titelsammler im deutschen und europäischen Handball, nennt noch ein anderes Argument: „Ich möchte mal sehen, wie solche Spieler bei einer WM auftreten, wenn sie wie wir den harten Bundesligaalltag in den Beinen haben.“ Wael Jallouz wird diese Belastung in der härtesten Liga der Welt bald am eigenen Leib zu spüren bekommen.

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