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Rani Khedira, Danilho Doekhi und Diogo Leite (von rechts nach links) suchen mit Union den Weg aus der Krise.

© dpa/Andreas Gora

„Das hat nichts mit dem System zu tun“: Union-Trainer Baumgart verteidigt Wechsel zur Viererkette

Bei Union Berlin weist mittlerweile auch die anfangs so stabile Abwehr beunruhigende Lücken auf. Der erhoffte Effekt des Trainerwechsels ist nicht eingetreten und die Lage brenzlig.

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Beim 1. FC Union Berlin fiel die Analyse bis in den Herbst meist zweigeteilt aus. Offensiv waren eindeutige Probleme zu erkennen, doch die beeindruckende defensive Stabilität sicherte den Köpenickern regelmäßig Punkte. Wer im Schnitt weniger als ein Tor kassiert, der steigt nicht ab, denn ab und zu verirrt sich vorne schon mal ein Ball ins Netz.

Bo Svensson und sein Nachfolger Steffen Baumgart hatten daher die Harmlosigkeit im Angriff als ihre größte Baustelle ausgemacht, doch nach mittlerweile elf Pflichtspielen ohne Sieg ist es schwer zu sagen, wo die gravierenden Probleme liegen: vorne oder hinten?

Das 0:2 gegen den FC Augsburg am Mittwochabend bestätigte eine gefährliche Tendenz. Union kassiert einfach zu viele und vor allem zu einfache Treffer. „Bei beiden Gegentoren waren wir in Überzahl. Das müssen wir besser verteidigen“, sagte Baumgart. „Das haben wir schon besser gezeigt, aber leider nur im Training.“

Die Lage ist ernst in Köpenick. Der Effekt, den sich der Verein durch den Trainerwechsel erhofft hatte, ist nicht eingetreten, die zarte Aufbruchstimmung durch die Rückkehr des Publikumslieblings bereits verblüht. Am Mittwoch verließen ungewohnt viele Fans schon vor dem Abpfiff das Stadion – abgesehen von der Waldseite, wo Unions Ultras stehen, war es über weite Strecken totenstill in der Alten Försterei.

Auch in den Katakomben merkte man nach dem Abpfiff, dass die Situation heikel ist. Rani Khedira wurde mitten im Interview in die Kabine gerufen, wo Baumgart einigen Gesprächsbedarf sah. „Wir sind im Abstiegskampf, das muss jedem klar sein und da braucht man auch nicht drum herumreden“, sagte der Trainer später zu den Inhalten seiner Ansprache. „Es geht darum, den Jungs klarzumachen, dass wir trotzdem alles in der eigenen Hand haben.“

Baumgarts neue Impulse haben bisher nicht den erhofften positiven Effekt gezeigt. Es wird mittlerweile eher diskutiert, ob er die Mannschaft mit der Umstellung auf Viererkette verunsichert hat. In jedem Fall war es auffällig, wie leicht sich Augsburg durch die Schnittstellen zwischen Innen- und Außenverteidigern in die Tiefe kombinierte. Zudem war die defensive Strafraumbesetzung wie schon in Heidenheim abenteuerlich.

Vor dem 0:1 sprintete ein Augsburger Offensivspieler auf den kurzen Pfosten und zog damit vier Berliner Verteidiger mit an den Fünfmeterraum. Torschütze Alexis Claude-Maurice war am Elfmeterpunkt völlig frei und verwertete Khediras missglückten Befreiungsschlag sehenswert.

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Gegentore kassierte Union in den ersten zwei Spielen unter Baumgart, ohne eigenen Treffer

Beim zweiten Gegentor standen im Strafraum sieben Spieler von Union gegen drei Augsburger, doch eine lange Berliner Fehlerkette sorgte dafür, dass Claude-Maurice erneut frei stehend einschieben konnte.

Lange Fehlerkette vor dem 0:2

Jerome Roussillon und Lucas Tousart wurden zu einfach überspielt, niemand hatte den aufgerückten Jeffrey Gouweleeuw im Blick. Kevin Vogt agierte zu zögerlich, Khedira verpasste es, den Passweg zu schließen. Christopher Trimmel und Aljoscha Kemlein standen zwei Meter neben dem Torschützen, fühlten sich aber jeweils nicht zuständig. „Das hat nichts mit dem System zu tun. Gegentore sind mit Dreier- und Fünferkette auch passiert“, sagte Baumgart.

Auch die Spieler wollten die defensiven Lücken nicht der taktischen Umstellung anlasten. Zwar haben nur drei Mannschaften in der Bundesliga weniger Tore kassiert als Union, der Trend wies aber auch schon unter Svensson abwärts. Anfang November spielte Union zuletzt zu null, in Bremen im letzten Spiel vor der Winterpause resultierte eine desolate Leistung in einem 1:4 – und der Entlassung von Svensson.

Dass die Berliner nach sechs Jahren, in denen nahezu ununterbrochen mit einer Dreierkette verteidigt wurde, Zeit brauchen, um sich neue Automatismen zu erarbeiten, ist logisch. Die Kombination aus mangelndem Selbstbewusstsein, Umstellungsschwierigkeiten und vielen individuellen Fehlern ist aber brandgefährlich. Von 13 Punkten Vorsprung auf die direkten Abstiegsplätze am achten Spieltag sind nur noch fünf übrig und schon am Sonntag (15.30 Uhr) wartet gegen Mainz 05 bereits das nächste Heimspiel.

Baumgart hat eine Rückkehr zur Dreierkette dennoch ausgeschlossen. „Ich werde nicht nach zwei Spielen, die nicht so gelaufen sind, jedes Mal die Kehrtwende machen“, sagte der Trainer. „Wir können gerne darüber diskutieren, ob es an der Viererkette gelegen hat, aber ich glaube, wir machen einfach zu viele Fehler.“

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