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J’Wan Roberts stand mit Houston im Finale der College-Meisterschaft.

© IMAGO/Bob Donnan

„Das ist die neue Realität“: Alba Berlin setzt auf Rookies und Flexibilität

Alba Berlin hat gleich drei US-Amerikaner ohne Erfahrung in Europa verpflichtet. Die Strategie ist ungewohnt und risikobehaftet, der Klub sieht im großen Umbruch vor allem die Chance.

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Die Geschichte zwischen Hollis Price und Alba Berlin endete im Frühjahr 2011 unschön. Der Basketball-Bundesligist entließ den damals 31-jährigen Spielmacher nur wenige Monate nach seiner Rückkehr vorzeitig, es folgte ein Rechtsstreit und Alba wurde zur Nachzahlung des Gehaltes verurteilt. Doch nun hat der US-Amerikaner seinem früheren Klub einen unverhofften Assist geliefert.

„Ich habe mit Coach Price gesprochen und er hat gesagt, der Wechsel zu Alba ist ein No Brainer“, erzählt J’Wan Roberts am Freitag im Trainingszentrum der Berliner. Der 23 Jahre alte Big Man hat vor wenigen Tagen bei Alba seinen ersten Profivertrag unterzeichnet, nachdem er zuvor fünf Jahre lang unter Assistenztrainer Price an der University of Houston gespielt hatte.

Im vergangenen Frühjahr unterlagen die Texaner bei der March Madness, dem gigantischen Finalturnier der College-Meisterschaft, erst im Finale. Für Houston war der 2,03 Meter große Big Man einer der Leistungsträger, nun wartet seine erste Profistation.

Roberts hat vielversprechende Anlagen, ist ein guter Verteidiger, athletisch stark, fokussiert. Der Schritt über den Atlantik ist allerdings ein großer. „Wir wissen, dass die Umstellung auf den europäischen Basketball nicht einfach ist. Wir brauchen Geduld“, sagt Himar Ojeda.

Manchmal kannst du ins Restaurant gehen und frei von der Karte wählen, manchmal musst du das Tagesgericht nehmen.

Pedro Calles, Cheftrainer von Alba Berlin

In diesem Sommer, den der Sportdirektor als schwersten in bald zehn Jahren bei Alba angekündigt hatte, laufen diese Worte beinahe auf Dauerschleife. Die Berliner waren schon in der jüngeren Vergangenheit kein Verein, der sich Stars in der Blüte ihrer Jahre leisten konnte. US-Amerikaner verpflichtete Alba aber meist nach ersten Stationen in Europa. Luke Sikma spielte zuvor in Spanien, Jaleen Smith in Heidelberg und Ludwigsburg.

„Manchmal kannst du ins Restaurant gehen und frei von der Karte wählen, manchmal musst du das Tagesgericht nehmen“, beschreibt Trainer Pedro Calles Albas schwierige Situation metaphorisch.

Die Berliner spielen nicht mehr in der Euroleague, das Budget ist deutlich gesunken, die besten jungen Spieler gehen ans College, wo sie mittlerweile viel mehr verdienen können als in Europa. Von den sechs Neuzugängen – ein weiterer Big Man soll noch verpflichtet werden – kommen drei direkt aus den USA. Roberts vom College, Moses Wood, 26, und Boogie Ellis, 24, mit der Erfahrung von einem Jahr in der G League, der Entwicklungsliga der NBA. Für sie alle ist es die erste Station im Ausland.

Boogie Ellis spielte nach dem College noch ein Jahr in der G-League.

© IMAGO/Kirby Lee

„Das ist ein großer Schritt in meinem Leben“, sagt Roberts. Neues Land, neues Team, neue Systeme. „Ich war sechs Jahre am College, kannte alles und jeden. Dort war ich ein Starspieler, jetzt bin ich wieder Rookie.“ Die Umstellung wird für die drei US-Amerikaner nicht leicht werden, sowohl menschlich als auch sportlich.

„Das ist die neue Realität, in der wir uns befinden“, sagt Ojeda. Es könnte Monate dauern, bis die neuen Spieler voll integriert sind und eine Garantie, dass sie einschlagen, gibt es nicht. Sterling Brown, der 2023 im Alter von schon 28 Jahren bei Alba seine erste Station in Europa antrat, brauchte bis in die Play-offs, um richtig anzukommen. Kurz darauf war er wieder weg und zog weiter zu Partizan Belgrad.

Moses Wood kommt aus der G-League nach Berlin.

© IMAGO/Stephen R. Sylvanie

Diese Befürchtung treibt Albas Fans auch jetzt wieder um. Denn Roberts, Wood und Ellis haben Verträge über nur ein Jahr unterzeichnet. Ojeda weiß um das Risiko, verweist aber auf die veränderten Rahmenbedingungen. „Als wir Spieler für drei oder vier Jahre an uns binden konnten, hatten wir die Aussicht auf eine A-Lizenz in der Euroleague. Das bedeutete mehr Sicherheit für uns und die Spielerseite“, erklärt der Sportdirektor. Aktuell gebe es so viele Variablen – das Budget, die Entwicklung der Spieler, die Pläne der NBA für eine europäische Liga –, dass Flexibilität ein hohes Gut sei.

Bei Alba sind sie einen Monat vor dem Bundesligastart dennoch optimistisch. „Wir glauben fest daran, dass sie gut zu unserem Stil passen“, sagt Ojeda. Auch Jonas Mattisseck ist ob der Eindrücke in der Vorbereitung voll des Lobes für die neuen Kollegen. „Es ist bestimmt nicht leicht, wenn du dein Leben lang eine andere Basketballkultur erlebt hast, aber die Jungs sind hungrig, sehr lernwillig und wollen etwas beweisen“, sagt Albas dienstältester Profi.

Dass die Integration nicht ohne Schwierigkeiten ablaufen wird, dessen sind sich alle Beteiligten bewusst. Doch immerhin könnte die geringere Belastung den Neuzugängen helfen. In der Vergangenheit war es wegen der vielen Spiele in der Euroleague während der Saison kaum möglich zu trainieren. In der Champions League stehen in diesem Kalenderjahr nur sechs Partien auf dem Programm und Calles hat deutlich mehr Zeit, um seinem Team den Feinschliff zu verpassen. „Das wird definitiv bei der Eingewöhnung helfen“, sagt Ojeda.

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