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Not amused: Chinesische Fans protestieren vor dem NBA-Vorbereitungsspiel zwischen den Los Angeles Lakers und den Brooklyn Nets in Shenzhen.

© AFP

Ligachef Adam Silver gerät zwischen die Fronten: Der China-Konflikt kratzt am Selbstverständnis der NBA

Der Streit mit China beschädigt Image und Finanzen der pompösesten Basketball-Liga der Welt. NBA-Chef Adam Silver versucht das Gröbste zu retten.

Mit einer gesunden Portion Sarkasmus könnte man sagen, dass es der Sport tatsächlich einmal geschafft hat, die so tief gespaltene Gesellschaft in den USA wieder ein Stück weit zu einen.

Es dürfte zumindest nicht viele Themen geben, bei denen Ted Cruz, der rechtskonservative Senator und ehemalige Präsidentschaftskandidat der Republikaner, und Alexandria Ocasio-Cortez, die junge linke Hoffnungsträgerin der Demokraten, auch nur annähernd politisch zusammenfinden. In der vergangenen Woche unterschrieben beide jedoch gemeinsam mit sechs weiteren US-Abgeordneten einen offenen Brief, in dem sie die NBA dazu aufforderten, vorübergehend ihre Aktivitäten in China auszusetzen.

Die Stimmung rund um die pompöseste Basketball-Liga der Welt ist angeheizt, seitdem Daryl Morey, Geschäftsführer der Houston Rockets, Anfang des Monats auf Twitter seine Solidarität mit den Demonstrationen in Hongkong bekundet hat.

Von allen Seiten gibt es seither Druck auf die NBA: Aus China, dem größten Markt der Liga außerhalb der USA, weil der Tweet dort als politische Einmischung und Affront angesehen wird. Von Spielern und Teams, weil sie sich von der Liga im Stich gelassen fühlen. Und schließlich auch von der Politik, weil die NBA im Konflikt mit China nicht einfach klein beigeben soll.

Vieles hängt nun an Ligachef Adam Silver. Er führt die NBA seit 2014 und hat es in seiner bisherigen Amtszeit geschafft, der Liga ein äußerst manierliches Image zu verschaffen. Die NBA gilt nicht nur als erfolgreich und sauber, sondern – insbesondere im Vergleich zu den anderen US-Profiligen – auch als offen, liberal und progressiv.

NBA-Chef Silver hat das Gesicht der Liga verändert

Dazu hat Silver selbst beigetragen. Immer wieder hat er sich öffentlichkeitswirksam für die Meinungsfreiheit von Spielern, Coaches und Managern eingesetzt, sie sogar aktiv dazu ermuntert, eine Haltung zu politischen Themen wie der Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten oder der Black-Lives-Matter-Bewegung einzunehmen.

Und Silver wurde auch selbst aktiv: Gleich zu Beginn seiner Amtszeit schloss er den damaligen Teambesitzer der Los Angeles Clippers Donald Sterling von der Liga aus, weil ein Video aufgetaucht war, in dem der rassistisch gegen schwarze Menschen giftete. Jason Collins, den ersten NBA-Spieler, der seine Homosexualität öffentlich machte, begleitete Silver zum Gay Pride in New York. Der Stadt Charlotte entzog er 2017 die Austragung des Allstar-Games, nachdem im betreffenden Bundesstaat North Carolina ein Gesetz verabschiedet wurde, das die Bemühungen um weniger Diskriminierung der LGBTQI-Community torpedierte.

Alle Hände voll zu tun: NBA-Chef Adam Silver muss im Konflikt mit China vermitteln.
Alle Hände voll zu tun: NBA-Chef Adam Silver muss im Konflikt mit China vermitteln.

© Kazuhiro Nogi/AFP

Doch nun gerät Silver zwischen die Fronten. In China versuchte er in den vergangenen Tagen die Wogen zu glätten. Dort habe er sich jedoch aus Reihen von Regierung und Wirtschaft Forderungen nach einer Entlassung von Rockets-Manager Morey anhören müssen, berichtete er: „Das wird auf keinen Fall passieren. Wir werden ihn auch auf keinen Fall sanktionieren“, habe er darauf geantwortet. Das chinesische Außenministerium dementierte solche Forderungen. Bereits zuvor hatten jedoch chinesische Unternehmen ihre Geschäftsbeziehungen mit der Liga beendet, und die Übertragung von NBA-Spielen wurde zeitweise ausgesetzt.

Herbe Verluste

Nun musste Silver einräumen, dass die Liga dadurch „substanzielle“ finanzielle Verluste hinzunehmen habe. Über 500 Millionen Dollar nimmt die NBA Schätzungen zufolge jährlich in China ein, vor allem aber erhofft sich die Liga angesichts des Basketball-Hypes und etwa 300 bis 400 Millionen Chinesinnen und Chinesen, die selbst Basketball spielen, dort für die Zukunft ein großes Wachstum.

Silver blieb jedoch bei seiner Linie. „Wir wollten, dass wirklich jeder versteht, dass wir freie Meinungsäußerungen unterstützen“, betonte er. Medientermine vor einem Vorbereitungsspiel zwischen den Los Angeles Lakers und den Brooklyn Nets in Shanghai sagte er jedoch ab.

In China kam er aber mit den Spielern der beiden Teams zusammen, um mit ihnen über die Situation zu sprechen. Laut ESPN machte dabei vor allem Lakers-Superstar LeBron James seinem Unverständnis darüber Luft, dass die NBA keine Konsequenzen für Rockets-Manager Morey gezogen habe. „Die Leute müssen verstehen, was ein Tweet oder Statement mit anderen machen kann“, twitterte James später. „Ich glaube, niemand hat innegehalten und überlegt, was passieren würde.“

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Zuvor war der 34-Jährige kritisiert worden, weil er Morey in etwas kryptischen Worten als „falsch informiert und nicht mit der Situation vertraut“ bezeichnet hatte. James – um Kritik an den Verhältnissen in den USA selten verlegen – wurde deshalb vorgeworfen, sich als millionenschwere Werbefigur in China nicht die Finger schmutzig machen zu wollen. In Hongkong wurden anschließend Trikots von ihm verbrannt.

Zu diesem Zeitpunkt hatte sich natürlich längst auch Donald Trump in die Debatte eingeschaltet. Er attackierte zwar NBA-Chef Silver nicht persönlich, aber ließ die Welt wissen: „Sie sprechen schlecht über die USA, aber wenn es um China geht, wollen sie nichts Schlechtes sagen.“ Dass ausgerechnet Trump die Liga einmal für Doppelmoral kritisieren würde, dürfte Silver besonders schmerzen.

Eva-Lotta Schwarz

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