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Uralte Geschichte: Arsenal-Fana bewundern die Statue von Dennis Bergkamp.

© Imago

Live von der Insel - Die Fußballkolumne über England: Der Fußball begann im Jahre 1992

Der FC Arsenal baut gerne Statuen. Am Sonntag erst enthüllte der Klub sein neustes Werk. Nach Chapman, Adams und Henry wurde nun auch Dennis Bergkamp in Bronze gegossen. Damit geht eine absurde Fetischisierung der Premier-League-Ära weiter, meint unser Kolumnist.

Im Folgenden, liebe Leser, ein Paar Fakten über den FC Arsenal.

Der FC Arsenal wurde 1886 unter dem Namen „Dial Square“ von Arbeitern im „Royal Arsenal“ im Südlondoner Woolwich gegründet. Der Verein zog später nach Nordlondon um und ist seitdem einer der erfolgreichsten Klubs in der englischen Fußballgeschichte.

Der FC Arsenal und sein mitleidender Trainer Arsene Wenger werden immer wieder von den Medien, ihren Gegnern und eigenen Fans kritisiert, weil sie eine bewundernswerte Philosophie von Nachhaltigkeit und finanzieller Gesundheit fördert, statt den teueren, kurzsfristigen Erfolg zu suchen.

Der FC Arsenal errichtet unglaublich viele Statuen.

Wirklich. Nichts liebt dieser Klub mehr, als eine gute Statue zu errichten. Seit neun Jahren gewinnt die Mannschaft nun schon keine Titel mehr, aber was dem Verein an Gold und Silber mangelt, gleicht er in Bronze aus. Manche dieser Statuen macht ja auch Sinn. Die von Herbert Chapman zum Beispiel. Dem legendäre Trainer gelang in den Zwanziger und Dreißiger Jahren mit der „W-M“-Aufstellung eine Taktik-Revolution, Chapman brachte Arsenal zum ersten Mal an die Spitze Englands. Im Dezember 2011 wurde er nun in Bronze gegossen. Das war nur angemessen. 1934 war Chapman verstorben, und die ungeduldigen Arsenal-Fans könnte dieses Symbol immer ein wenig Perspektive stiften.

Dieser Triumph der Retrospektion über die immer nervigere Introspektion des modernen Fußballs wurde aber dadurch abgewertet, dass Chapmans Statur neben zwei anderen enthüllt wurde. Sie widmeten sich dem früheren Klubkapitän Tony Adams und dem einmaligen Torjäger und jetzigen gut-rasierten-Kumpel-von-Roger-Federer Thierry Henry.

Adams und Henry waren zwar beide wichtige Figuren in der erfolgreichsten Arsenal-Mannschaft der Geschichte. Beide Spieler waren klasse, beide half Arsenal zu verschiedenen Doubles - und Henry spielte sogar in der Saison 2003/4, als Arsenal als erste englische Mannschaft kein einziges Ligaspiel verlor. Allerdings war Henry noch aktiv, als er bei der Enthüllung seine Statue weinte. Adams hatte derweil kurz zuvor einen Trainer-Job in Aserbaidschan verloren.

Es ist der moderne Fußball im Absurden. Die Immortalisierung von Spielern, die nur mehreren figurativen Momenten davor ihr mit Tränen begleitetes Abschiedsspiel absolviert hatten. Und ein weiteres Beispiel, dass man in England mittlerweile wirklich glaubt, dass es vor 1992 keinen Fußball gab. Ein weiteres Beispiel der Fetischisierung der Premier-League-Ära. An die Erinnerung von Chapman, der fast ein Jahrhundert auf seine Statue warten musste, war die parallele Enthüllung von Henry und Adams eine reine Beleidigung. Und über Arsenal würde im Nachhinein natürlich angemessen viel gespottet.

Dennoch, wie ein überzeugter britischer Wintersportler mit immer kleinerer Förderung, ist Arsenal entschlossen, sein Skulpturhobby trotz aller Widrigkeiten fortzusetzen. Am Sonntag enthüllten sie noch eine Statue – dieses Mal vom niederländischen, 2006 zurückgetretenen Stürmer Dennis Bergkamp.

Bergkamp, mit kaum einem grauen Haar auf dem Kopf, war bei der Enthüllung anwesend. Seine Andeutung, dass er irgendwann Arsenals Trainer werden möchte, brachte die Arsenal-Fans zum Jubeln.

Doch da muss man einmal drüber nachdenken. Denn was würde passieren, wenn Bergkamp tatsächlich Arsenal-Trainer werden würde? Was, wenn er überhaupt nicht trainieren könnte? Wenn er Arsenal zum Abstieg führen würde? Wenn er Wengers Frugalität den Finger zeigte und die ganzen Spareinlagen der letzten Jahren auf einmal für eine große Statue von Pascal Cygan ausgeben würde?

Noch schlimmer: Was passiert, wenn Henry, Adams oder Bergkamp irgendwann Tottenham-Trainer werden? Nicht so unvorstellbar, denn die Romantik ist im Fußball längst tot, und alle drei Arsenal-Legenden haben noch viel Zeit in ihrer möglichen Trainer-Karriere. Zumindest einem Spurs-Fan ist diese finstere Idee schon eingefallen, als er im Januar die Henry-Statue mit einem Spurs-Trikot dekorierte.

Die Wahrscheinlichkeit ist zwar klein, aber solange, wie der Klub noch Statuen für Leute jünger als 45 baut, geht er das Risiko ein, irgendwann blamiert zu werden.

Jetzt aber können Sie sich entspannen, denn keiner von den drei Genannten wird bald Trainer bei Arsenal oder Tottenham. Und vielleicht hat Dennis Bergkamp es trotzdem verdient. Ohne ihn hätte die Welt nie die legendäre Beschreibung seines Tors bei der WM 1998 von Jack van Gelder gehört. Nun muss der Klub nur daran denken, was er mit all dem Bronze machen soll, das bei der Konstruktion der anderen Statuen nicht benutzt wurde.

Mein Vorschlag? Eine Statue für Mesut Özil. Schließlich spielte er ein verdammt gutes Debüt.

Kit Holden (@kitholden) ist Engländer und sitzt gerade in der Tagesspiegel Sportredaktion. Er schreibt auch über deutschen Fußball für die englischen Tageszeitungen "The Independent" und "The Daily Mail".

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