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Kurz wurde die Situation brenzlig, dann feierten die Fans aber überwiegend friedlich den Aufstieg des Hamburger SV.

© imago/Revierfoto/imago/Revierfoto

Der Hamburger SV ist wieder da: Über eine Stadt im Ausnahmezustand

Die Euphorie rund um den HSV ist in Hamburg schon vor dem Spiel gegen Ulm spürbar. Nachdem der Aufstieg feststeht, wird gefeiert – vorwiegend friedlich, teilweise aber auch chaotisch.

Stand:

Um 22.25 Uhr Ortszeit ist es so weit: Tausende Fans des Hamburger SV strömen auf den Rasen im Volksparkstadion und liegen sich jubelnd, mitunter weinend vor Freude, in den Armen.

Der einstige Bundesliga-Dino ist durch den 6:1-Sieg über den SSV Ulm 1846 nicht mehr von einem der ersten beiden Tabellenränge der 2. Fußball-Bundesliga zu verdrängen und kehrt nach sieben Jahren zurück in Liga eins. 

Der HSV hat es am Samstagabend mal wieder auf seine ganz eigene dramatische Art getan. Einen frühen Rückstand egalisiert HSV-Spielmacher Ludovit Reis schnell, ehe Torwart Daniel Heuer Fernandes einen Elfmeter hält und damit einen erneuten Rückstand verhindert.

Ein historischer Samstag

Noch vor der Pause stellt das Team von Trainer Merlin Polzin durch Treffer von Angreifer Ransford Königsdörffer und Antreiber Davie Selke auf 3:1. Spätestens danach ist die Erleichterung im gesamten Stadion deutlich spürbar. Ein Fan auf der Osttribüne umarmt seine Frau, guckt kurz nach oben gen Himmel – wahrscheinlich zur verstorbenen Vereinsikone Uwe Seeler – und atmet einmal tief durch.

Schon Stunden vor dem Anpfiff ist für alle Fußballfans offensichtlich, dass dieser Samstag im Mai die Chance hat, ein historischer zu werden. Überall auf den Straßen sind seit den Morgenstunden Menschen mit Trikots, Schals oder Fischerhüten mit der HSV-Raute unterwegs.

Merlin Polzin (Mitte) feiert auf der Pressekonferenz mit seinen Spielern.

© imago/Matthias Koch/IMAGO/Sebastian Räppold/Matthias Koch

Das Abendspiel der Zweiten Liga ist das alles beherrschende Thema. Ob in einem Café in Eimsbüttel, einem Restaurant im Schanzenviertel oder auf einem Kunstrasenplatz in Bahrenfeld, wo gerade ein Spiel der Hamburger Kreisliga stattfindet.

Eigentlich müssen sie das heute schaffen, es ist alles angerichtet.

Fan des Hamburger SV vor dem Spiel

Spätestens ab der S-Bahn-Haltestelle Stellingen, von der aus es noch 20 Minuten zu Fuß bis zum Stadion sind, geht es einzig um den möglichen Bundesligaaufstieg des HSV. „Eigentlich müssen sie das heute schaffen, es ist alles angerichtet“, sagt eine Frau vor dem Spiel. Ein Mann mit dem Trikot von HSV-Torjäger Davie Selke nickt zustimmend.

In allen Gesprächen schwingt stets das Wörtchen ‚eigentlich‘ mit. Weil der HSV seit dem Abstieg 2018 eben zu oft auf den letzten Metern des Aufstiegskampfes die Luft ausgegangen ist. Er ist der scheinbar ewig zum Scheitern verdammte Klub, dessen Geschichte an diesem Samstag aber ein glückliches Ende nehmen wird.

Zwischen Roland Kaiser und HSV-Legende Uwe Seeler

Rund um den Volkspark herrscht vor dem Spiel eine Mischung aus Angespanntheit, Nervosität und purer Vorfreude. Durchgehend sind Fangesänge zu hören, man sieht zahlreiche verzweifelte Gesichter auf der Suche nach Karten oder Menschen, die aus Aberglauben den bronzenen Fußnagel des Denkmals von Uwe Seeler küssen.

Andere treten den Weg fort von der Arena in die Stadt oder zur Fanmeile an. Weil sie kein Ticket mehr ergattern konnten, aber trotzdem wenigstens kurz am Ort des Geschehens sein wollen.

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Tage liegt der Abstieg aus der Fußball-Bundesliga am Samstag zurück.

Unter den zahlreichen Fans des HSV finden sich auch solche, die auf dem Weg zum parallel stattfindenden Konzert von Schlagersänger Roland Kaiser sind, doch selbst sie tragen Trikots des künftigen Erstligisten. „Ich habe mein Stadionticket verkauft, um Roland Kaiser zu sehen“, sagt einer von ihnen. Um ihn herum herrscht komplette Fassungslosigkeit. Es ist eben alles etwas anders an diesem 10. Mai 2025.

In der Arena selbst greift die Euphorie schon weit vor dem Anpfiff um sich. Die Fans in der Nordkurve zeigen eine beeindruckende Choreo und feiern nach Spielbeginn jede noch so unbedeutende Aktion eines ihrer Lieblinge frenetisch. Selbst als die Hamburger nach nur sechseinhalb Minuten ein Gegentor kassieren, singen die sie völlig unbeirrt weiter.

Schon nach dem Abpfiff der ersten Halbzeit ist die Sache für die Anhänger klar. Und als der HSV die Führung nach dem Wechsel immer weiter ausbaut, weichen auch die letzten Zweifel der Gewissheit – der Aufstieg ist dem Team von Trainer Polzin nicht mehr zu nehmen.

Die Nordkurve, auf der die Ultras des Hamburger SV stehen, zeigt vor Anpfiff eine beeindruckende Choreo.

© imago/RHR-Foto/IMAGO/Dennis Ewert/RHR-FOTO

In den Schlussminuten hallt es „Der HSV spielt wieder – Bundesliga“ von den Zuschauerrängen und die Fans sammeln sich für den Platzsturm. Der Stadionsprecher schafft es gerade noch so, sie davon abzuhalten, verfrüht auf den Rasen zu rennen, dann bricht es aber auch aus ihm heraus: „Genießen wir diese letzten Minuten im Volksparkstadion – es passiert wirklich.“ Als Schiedsrichter Max Burda schließlich abpfeift, gibt es kein Halten mehr.

Ein Abend für die Ewigkeit

Die Fans rennen zu ihren Spielern auf den Platz, bauen innerhalb weniger Sekunden die Tore ab, klettern auf die Auswechselbänke oder reißen Stücke des Rasens aus.

Es kommt auch zu unschönen Szenen, als Menschen von den Rängen der Tribünen herabspringen und sich dabei Knochenbrüche zuziehen. Immer wieder gibt es kleinere Rangeleien, unter anderem mit der Polizei, die versucht, die Fans davon abzuhalten, in den Kabinentrakt zu gelangen.

Auf dem Platz und in den Katakomben des Volksparks wird aber überwiegend friedlich gefeiert und eine Bierdusche nach der anderen verteilt. Standesgemäß entkommt auch Trainer Polzin seinen Spielern nicht.

Die Pressekonferenz ist gerade mal eine Minute alt, als seine Spieler hereinstürmen und mit dem gebürtigen Hamburger feiern. Und dabei immer wieder „Nie mehr – Zweite Liga“ anstimmt. Danach kündigt der 34 Jahre alte Trainer einen Abend für die Ewigkeit an.

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