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Yussuf Poulsen ist einer von sieben HSV-Neuzugängen

© dpa/Christian Charisius

Der Hamburger SV wappnet sich für die Bundesliga : Keine Rücksicht auf die Aufstiegshelden 

Für das Ziel Klassenerhalt greift der Bundesliga-Rückkehrer personell hart durch. Sportchef Kuntz und Trainer Polzin verfolgen eine klare Marschroute – und zerpflücken dabei nach und nach ihr Aufstiegsteam. 

Von Tammo Buschmann

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Sieben Jahre zweite Fußball-Bundesliga hinterlassen logischerweise ihre Spuren. So sehr sie in Hamburg kollektiv aufatmeten, als Anfang Mai die lang ersehnte Rückkehr ins Oberhaus gelang, so klar war den meisten: Auf den HSV würde eine Menge Arbeit warten. Zwar wird an der Elbe immer noch gern geträumt – doch das Fristen in Liga zwei hat dem Klub über die Jahre Demut gelehrt.

„Wir müssen akzeptieren, dass wir in der nächsten Saison nicht mit Augsburg, Berlin, Freiburg und Mainz auf Anhieb konkurrieren können“, konstatierte Sportchef Stefan Kuntz im Gespräch mit der Zeit, wenige Tage nach der elektrisierenden Aufstiegsnacht im Hamburger Volkspark. Die Bundesligatauglichkeit des eigenen Kaders bezifferte der 62-Jährige damals auf 50 Prozent.

Seither zog der HSV sechs prominente Neuzugänge an Land. Fast alle verdeutlichen sie die neue Schwerpunktsetzung der Rothosen: „Wir haben in der Analyse der Vorsaison festgestellt, dass wir mit allen Laufdaten abgeschlagen auf Platz 18 in der Bundesliga gelandet wären“, betonte Kuntz kürzlich. „Was die Intensität angeht, werden wir extrem viel abverlangt bekommen“. Demnach wolle der Nordklub gerade in Sachen Physis und Widerstandsfähigkeit zulegen.

Fürs Mittelfeld sind dafür mit Nicolai Remberg (zuvor Holstein Kiel) und Nicolas Capaldo (vorher RB Salzburg) zwei aggressive Zweikämpfer gekommen. Innenverteidiger und Ex-Hertha-Talent Jordan Torunarigha sowie Rayan Philippe (aus Braunschweig geholt) bestechen nicht zuletzt durch ihr enormes Tempo. Mit dem ehemaligen Bochumer Armel Bella-Kotchap hat der HSV ein weiteres athletisches Kraftpaket im Auge.

Im Zuge dieser neuen Ausrichtung, weg von der Spieldominanz der Zweitligajahre und hin zu mehr schnellem Umschaltspiel und einer (im besten Fall) stabilen Fünferkette, macht der Verein auch nicht vor seinen Aufstiegshelden Halt.

So ließ der HSV 23-Tore-Stürmer Davie Selke nicht nur aufgrund dessen hoher Gehaltsforderungen ziehen – die Verantwortlichen sahen im Profil des langjährigen Leipzigers Yussuf Poulsen ohnehin das bessere Match zur neuen taktischen Herangehensweise: „Wir denken, dass Yussuf andere Qualitäten hat, die aber zur Bundesliga eine Idee besser passen“, verriet Stefan Kuntz dem kicker. Der Däne hinkt Vorgänger Davie Selke womöglich in puncto Kopfballstärke hinterher, zeichnet sich dafür aber durch unermüdliches Anlaufen und Qualitäten in der Balleroberung aus.

Nur noch drei Aufstiegshelden sind gesetzt

Nach und nach fällt so die Aufstiegsmannschaft der Hamburger auseinander. Aus dem Kreise der Etablierten der vergangenen Saison kann sich derzeit nur das Trio um Linksverteidiger Miro Muheim, Defensivallrounder Daniel Elfadli und Linksaußen Jean-Luc Dompé seines Stammplatzes sicher sein.

Kapitän Sebastian Schonlau – der zugegebenermaßen schon in der Rückrunde seinen Stammplatz verlor – ist bis auf Weiteres außen vor. Sein Vize, Mittelfeldmann Ludovit Reis, unter Merlin Polzin zweifelsfrei einer der besten Spieler der Zweiten Liga, wechselte zum FC Brügge. Kreativkraft Adam Karabec und Innenverteidiger Dennis Hadžikadunić sind nach Ablauf ihrer Leihen beide zu ihren Stammvereinen zurückgekehrt.

Auch Sechser Jonas Meffert könnte in dieser Spielzeit, so deutete es sich in der bisherigen Vorbereitung an, von Winterneuzugang Aboubaka Soumahoro auf die Bank verdrängt werden. Torwart Daniel Peretz kommt leihweise vom FC Bayern und geht mit Daniel Heuer Fernandes, dem Mann, der mit seinem gehaltenen Elfmeter die große Aufstiegssause mitunter erst möglich machte, in den direkten Konkurrenzkampf um die Nummer eins. Für rechts hinten sucht der HSV ebenfalls neues Stammpersonal. So manch einer befürchtet daher eine zu große Umwälzung des Hamburger Kaders, gleichbedeutend mit einem Verrücken der Mannschaftshierarchien.

Entscheidend wird wohl sein, wie Merlin Polzin und sein Trainerteam diese Veränderungen moderieren. Dem jungen Coach wird ein gutes Fingerspitzengefühl nachgesagt, er habe die Kabine hinter sich. Auch das Stürmer-Überangebot zum Ende der letzten Saison, als mit Selke, Glatzel und Königsdörffer drei für Zweitliga-Verhältnisse Hochkaräter miteinander konkurrierten, managte Polzin gekonnt, genauso wie die Ausbootung von Kapitän Schonlau. Der Hamburger Aufstiegstrainer kommuniziert transparent – auch Fanliebling Bakery Jatta teilte er zuletzt mit, er spiele in den aktuellen Planungen keine wirkliche Rolle.

Denn Zeit für Romantik nimmt sich der Verein vorerst nicht mehr: „Wir haben ein paar Jahre nachzuholen und müssen ein paar Jahre in der Bundesliga bleiben, um auf die einzigartige Kraft von Hamburg zurückgreifen zu können“, analysierte Stefan Kuntz unlängst und kündigte an: „Wenn wir eine Zeit wieder da sind, dann sind wir unter Umständen schwer zu stoppen“.

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