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Sport: Der Kampfsportler

Mark van Bommel ist in kurzer Zeit zur Führungsfigur der Bayern aufgestiegen

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Zwanzig Minuten waren nicht genug für Patrick Vieira: zwanzig Minuten, um sich wieder zu beruhigen und all die kleinen Demütigungen zu vergessen, die ihm Mark van Bommel bis zu seiner Auswechslung zugefügt hatte. Die letzten zwanzig Minuten hatte van Bommel sich im Champions-League-Spiel der Bayern gegen Inter Mailand außerhalb des Blickfelds von Vieira aufgehalten, doch als der Franzose seinen liebsten Feind nach dem Abpfiff entdeckte, stürmte er auf ihn los und fing an, van Bommel durch die Gegend zu schubsen. „Manchmal braucht man auch Arschlöcher“, sagt der holländische Mittelfeldspieler des FC Bayern München. Mark van Bommel hat kein Problem damit, diese Rolle auszufüllen.

Nahezu perfekt beherrscht er die Partisanentaktik auf dem Platz: hier ein Hakeln, da ein Stochern in die Beine des Gegners, ein nahezu unsichtbares Zupfen am Trikot, nichts Bösartiges, aber ausreichend, um den Gegenspieler aus dem Tritt und vor allem in Rage zu bringen. „Mark geht an die Grenzen, um ein Spiel zu gewinnen“, sagt sein Landsmann Roy Makaay. Und manchmal geht er auch darüber hinaus, so wie im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen Real Madrid, als er seinem Tor zum 2:3 eine obszöne Geste folgen ließ. „Mark van Bommel ist ein Aggressiv-Leader, der die Mannschaft anführt, der sich auch mal zu Wort meldet und mit seiner Gestik zeigt, dass er lebt“, sagt Bayerns Trainer Ottmar Hitzfeld. Das wird auch heute wieder von ihm erwartet, wenn die Münchner Real zum Rückspiel in der heimischen Arena empfangen, zumal gestern noch fraglich war, ob Lucio und Hasan Salihamidzic heute werden spielen können. Doch egal, wer auf dem Platz steht: „Wir müssen den Funken zünden“, sagt Hitzfeld. Das Streichholz hat Mark van Bommel.

Man kann kaum ermessen, wie glücklich die Bayern mit ihrem Mittelfeldspieler aus Holland sind, den sie zu Saisonbeginn eher zufällig und für vergleichsweise läppische sechs Millionen Euro beim FC Barcelona ausgelöst haben. Van Bommel befriedigt eine tiefe Sehnsucht der Münchner: die Sehnsucht nach dem unangefochtenen Anführer auf dem Feld. Man könnte auch sagen: die Sehnsucht nach Stefan Effenberg. Effenberg steht für die letzte große Ära der Bayern in der Champions League, die 2002 mit dem Viertelfinal-Aus gegen Real Madrid endete. Unvergessen ist jene Szene aus der Saison 2000/01, als Effenberg in Old Trafford David Beckham umsenste. Der Mittelfeldstar von Manchester United blieb auf dem Boden liegen, Effenberg ging zu ihm hin, doch anstatt sich zu entschuldigen, beschimpfte er Beckham. Am Ende jener Saison gewann Bayern zum bisher letzten Mal die Champions League.

Mit diesem Triumph war die Mannschaft am Ende ihrer Entwicklung angelangt. Und obwohl die heutige einem Vergleich kaum standhält, surfen die Bayern zurzeit ein wenig auf der Retrowelle. Der Erfolgstrainer von einst, Ottmar Hitzfeld, führt jetzt wieder die Geschäfte, und er versucht, das aktuelle Team immer stärker nach dem Abbild der 2001er-Mannschaft zu formen. „Die Philosophie von Hitzfeld schlägt bei uns gut an“, sagt van Bommel. „Wir haben eine eher junge Truppe, die ein paar Handgriffe braucht, wenn es nicht so läuft.“

Bei seinen Kollegen ist der Holländer als Führungsfigur unumstritten. Und das nicht nur wegen seiner Art, sondern auch wegen seiner spielerischen Qualitäten. Van Bommel ist kein klassischer Zehner, aber als Absolvent des holländischen 4-3-3-Systems, das den klassischen Zehner nicht kennt, ist ihm weder das defensive noch das offensive Spiel fremd. Der 29-Jährige bringt ein hohes taktisches Verständnis ein und besitzt eine gesunde Zweikampfhärte, hat aber auch schon sechs Tore für die Bayern erzielt. „Er ist jemand, der Fußball im besten Sinne als Kampfsport begreift“, sagt Hitzfeld.

Aber eben nur den Fußball. Reals Torhüter Iker Casillas hat über den Holländer gesagt, er sei ein guter Mensch – trotz seiner provozierenden Geste von vor zwei Wochen. „Das hat er gut erkannt“, sagt van Bommel. „Aber auf dem Platz bin ich vielleicht ab und zu ein anderer Mensch.“ Das immerhin unterscheidet ihn von Stefan Effenberg.

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