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Die deutschen U-21-Nationalspieler nach der 2:3-Niederlage im EM-Finale gegen England.

© imago/Beautiful Sports/IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Meusel

Der wahre Erfolg der deutschen U 21: Den EM-Titel verloren, Zuversicht gewonnen

So bitter die Niederlage für die deutschen U-21-Fußballer im Finale der EM auch war: Die Begeisterung für das Team ist aus vielerlei Gründen berechtigt. Eine Analyse.

Stand:

Der Spieler, der die deutsche U 21 vor acht Jahren mit seinem Tor im Finale zum EM-Titel geschossen hat, durfte vor kurzem noch einmal von der A-Nationalmannschaft träumen. Und das immerhin im bereits weit fortgeschrittenen Fußballeralter von 31 Jahren.

Mitchell Weiser, Außenverteidiger des Mittelklasse-Bundesligisten Werder Bremen, hatte sein Interesse bekundet, fortan für Algerien zu spielen; dank seines Großvaters wäre das wohl möglich gewesen. Aber daraus ist bisher nichts geworden.

Für die U-21-Europameister von 2017 ist das fast ein bisschen typisch. Viele der deutschen Spieler haben in der Bundesliga ehrenwerte Karrieren gemacht, Mitchell Weiser und Maximilian Arnold zum Beispiel, Niklas Stark oder Yannick Gerhardt. Aber für ganz oben hat es nur in Ausnahmefällen gereicht.

Aus dem deutschen 23-Mann-Kader von 2017 haben es zwar immerhin acht Spieler in die A-Nationalmannschaft geschafft. Auf eine nennenswerte Zahl an Länderspielen brachten es allerdings nur Serge Gnabry (51) und Thilo Kehrer (28). Bei den restlichen blieb es bei einem bis acht Einsätzen.

Die U-21-Europameister von 2017 erfüllten nicht das, was man sich von ihnen erhofft hatte.

© imago images / Sven Simon

Das ahnte im Sommer 2017 natürlich niemand. Die Stimmung war mit Optimismus grundiert, der deutsche Fußball schien seine volle Blüte erreicht zu haben und auch seine weitere Perspektive glänzend zu sein: Die A-Nationalmannschaft war amtierender Weltmeister. Ihre Zweitbesetzung gewann in Russland den Confed-Cup, und die U 21 wurde in Polen Europameister. Wer sollte diese Deutschen überhaupt noch schlagen?

Nur ein Jahr später, als der Titelverteidiger Deutschland bei der WM schon in der Vorrunde ausschied, zeigte sich, dass es sich wohl nur um eine Scheinblüte gehandelt hatte.

Die U-21-Europameister von 2017 sind ein gutes Beispiel dafür, dass sich Erfolge im Nachwuchs nicht verlässlich auf die Zukunft hochrechnen lassen. Das sollte man bei der berechtigten Begeisterung über den aktuellen Jahrgang, der am Samstagabend das EM-Finale gegen England denkbar knapp und ein bisschen unglücklich verloren hat, immer im Hinterkopf behalten.

Und trotzdem: Die Vize-Europameister 2025 scheinen mehr 2009 zu sein als 2017. Mit Spielern wie – ohne Anspruch auf Vollständigkeit – Noah Atubolu, Nick Woltemade, Paul Nebel, Brajan Gruda, Rocco Reitz, Merlin Röhl, Nathaniel Brown und Max Rosenfelder verfügt der Kader über eine beachtliche Menge an Kandidaten, die in absehbarer Zukunft auch für Bundestrainer Julian Nagelsmann infrage kommen.

Es gibt Hoffnung in den einstigen Problemzonen

„Ich bin mir sicher, dass wir einige auch in der A-Nationalmannschaft wiedersehen werden“, sagte Rudi Völler, der Sportdirektor des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) nach der 2:3-Niederlage gegen die Engländer. Und Nagelsmann selbst erklärte: „Der mutige, offensive, leidenschaftliche Fußball hat mir sehr gut gefallen. Diese Mannschaft hat top Spieler und gute Typen, nicht nur Nick Woltemade, Rocco Reitz und Brajan Gruda, die schon bei uns dabei waren.“

Im Sommer 2009 ist die U 21 des DFB erstmals Europameister geworden. Und der Kern dieses Teams – Manuel Neuer, Jerome Boateng, Mats Hummels, Benedikt Höwedes, Sami Khedira und Mesut Özil – war auch der Kern jener Mannschaft, die 2014 in Brasilien den WM-Titel gewann.

Diese beiden Erfolge kamen nicht von ungefähr. Sie waren das Ergebnis der Reform im deutschen Nachwuchsfußball, die der DFB nach der größten anzunehmenden Peinlichkeit, dem Vorrundenaus bei der EM 2000, in die Wege geleitet hatte. Die aktuelle U 21 wiederum ist das Ergebnis der Konsequenzen, die der deutsche Fußball aus den Fehlentwicklungen dieser Reform gezogen hat.

Zwischenzeitlich hatten die Nachwuchsakademien so viele passsichere Mittelfeldspieler auf den Markt gespült, dass passsichere Mittelfeldspieler plötzlich auf allen Positionen zu finden waren, in der Innen- und Außenverteidigung genauso wie im Sturm (Stichwort: falsche Neun). Die aktuelle U-21-Nationalmannschaft hingegen hat gerade auf den Positionen, die immer als Problemzonen des deutschen Fußballs galten, einige vielversprechende Begabungen in ihren Reihen.

Es gibt jetzt wieder Innenverteidiger, die verteidigen können wie Max Rosenfelder und Bright Arrey-Mbi. Es gibt spannende Außenverteidiger wie die beiden Frankfurter Nathaniel Brown und Nnamdi Collins sowie den bei Hertha BSC ausgebildeten Lucas Ullrich. Und sogar richtige Mittelstürmer wie den potenziellen 100-Millionen-Mann Woltemade und den Mainzer Nelson Weiper, von dem sich auch ohne Gentest behaupten lässt, dass er die Horst-Hrubesch-DNA in sich trägt.

Auch wenn es für die deutsche U 21 am Samstag nicht für den Titel gereicht hat, so bleibt zumindest das als eine der erfreulichen Erkenntnisse des Turniers in der Slowakei: Der deutsche Fußball ist offenbar doch in der Lage, Fehlentwicklungen zu erkennen und entsprechend zu reagieren. Bis sich die Folgen auch ganz oben bemerkbar machen, dauert es halt nur ein bisschen.

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