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„Der eigentliche unsportliche Skandal...“: 1. FC Union Berlin geht gegen Niederlage am grünen Tisch in Berufung
Nach dem Feuerzeugwurf gegen Bochums Torwart beim 1:1 vor einem Monat hat das DFB-Sportgericht geurteilt. Union geht gegen die 0:2-Wertung in Berufung und greift den VfL scharf an.
Stand:
Der 1. FC Union muss seinen beim 1:1 gegen den VfL Bochum gewonnenen Punkt wieder abgeben. Das DFB-Sportgericht hat dem Einspruch des Tabellenletzten am Donnerstag stattgegeben und das Spiel vom 14. Spieltag mit 2:0 für Bochum gewertet. Ein Union-Fan hatte in der Nachspielzeit ein Feuerzeug in den Strafraum geworfen und Patrick Drewes am Kopf getroffen.
Nach langer Unterbrechung wurde die Begegnung ohne den VfL-Torwart beendet – wobei die Bochumer nur unter Protest aufs Feld zurückkehrten.
„Entscheidungen am grünen Tisch sind immer das letzte Mittel, hier haben wir es aber mit Umständen zu tun, die uns kaum eine andere Möglichkeit gegeben haben“, sagte Stephan Oberholz als Vorsitzender des Sportgerichts nach der mündlichen Verhandlung. „Für eine besondere Schauspieleinlage von Herrn Drewes oder für ein Komplott oder eine Schmierenkomödie haben wir nicht die entsprechenden Anhaltspunkte bekommen.“
Der Einspruch des VfL wurde am Donnerstag in der Zentrale des Deutschen Fußball-Bundes in Frankfurt mündlich verhandelt. Als Zeugen vernommen wurde neben Drewes auch Bochums Mannschaftsarzt Mark Sandfort. Per Video äußerten sich Trainer Dieter Hecking und Felix Passlack. Außerdem sagten Unions Sportchef Horst Heldt und Schiedsrichter Martin Petersen aus. Gegen das Urteil des Sportgerichts ist innerhalb einer Woche die Berufung beim DFB-Bundesgericht möglich.
Für eine besondere Schauspieleinlage von Herrn Drewes oder für ein Komplott oder eine Schmierenkomödie haben wir nicht die entsprechenden Anhaltspunkte bekommen.
Stephan Oberholz, Vorsitzender des Sportgerichts
Am Donnerstagabend bestätigte Union in einer Mitteilung, dass der Verein diesen Schritt gehen wird. „Dieses Urteil schadet dem Fußball enorm“, wird Union-Präsident Dirk Zingler zitiert. „Ob für eine Seite eine Schwächung vorliegt, muss immer in der alleinigen Entscheidung des Unparteiischen liegen. Wenn die nutznießende Partei ihre Schwächung selber erklären kann, brauchen wir keine unparteiischen Schiedsrichter mehr und dem Betrug bzw. einem Schmierentheater ist Tür und Tor geöffnet.“
Daher werde der Verein alle zur Verfügung stehenden rechtlichen Mittel ausschöpfen und gegen das Urteil vorgehen. Zingler kritisierte in seinem Statement die gängige Praxis, dass Union als Veranstalter für das nicht zu verhindernde Fehlverhalten einer Einzelperson haftbar gemacht werde und attackierte auch die Bochumer scharf. „Der eigentliche unsportliche Skandal hat nach dem Ereignis auf dem Rasen und heute vor Gericht stattgefunden.“
Während Bochum mit nun acht Zählern den Anschluss an die Konkurrenz im Abstiegskampf geschafft hat, steht Union auch nach dem Punktverlust auf Rang zwölf. Der Vorsprung auf den Relegationsplatz beträgt aber nur noch sechs Punkte – und könnte sich bei einer Niederlage im direkten Duell mit dem 1. FC Heidenheim am Samstag weiter reduzieren.
Was war passiert?
Das Heimspiel von Union gegen den VfL Bochum war beim Stand von 1:1 beinahe vorbei, als in der Nachspielzeit ein Feuerzeug von der Tribüne auf der Waldseite auf das Spielfeld flog und Patrick Drewes am Kopf streifte. Bochums Torwart ging zu Boden, das Spiel wurde unterbrochen. Nach einigen Minuten schickte Schiedsrichter Martin Petersen die Mannschaften in die Kabinen. Das Spiel stand kurz vor dem Abbruch.
Nach 28-minütiger Unterbrechung ging es weiter – gegen den Protest der Bochumer und ohne Drewes, der laut Angaben seines Klubs benommen war und später ins Krankenhaus gebracht wurde. Ein Test auf Gehirnerschütterung sei unauffällig verlaufen, sagte ein VfL-Sprecher später. „Vorne links oben“ am Kopf sei er getroffen worden, sagte Drewes bei der dreistündigen Verhandlung auf dem DFB-Campus. „Das war schon ein Treffer, den ich wahrgenommen habe.“
Da der VfL das Wechselkontingent bereits ausgeschöpft hatte, streifte sich Stürmer Philipp Hofmann das Torwarttrikot über. Beide Mannschaften einigten sich auf einen Nichtangriffspakt und ließen die Zeit herunter ticken. Unter diesen Umständen sei es selbstverständlich gewesen, „dass das Spiel nicht mehr normal weitergeführt werden kann und dass wir nicht gegen neun Mann anrennen, um ein zweites Tor zu machen“, sagte Unions Sportchef Horst Heldt unmittelbar nach Spielende.
Bochums Geschäftsführer Kaenzig kritisierte, dass die Begegnung nicht abgebrochen wurde, der DFB stärkte Schiedsrichter Petersen aber den Rücken. Da die Sicherheit der Beteiligten und die ordnungsgemäße Durchführung gewährleistet gewesen seien, habe Petersen korrekt gehandelt.
Drei Jahre Stadionverbot
Der VfL kündigte umgehend einen Einspruch gegen die Spielwertung an und reichte diesen fristgemäß zwei Tage später ein. Dabei berief sich der Tabellenletzte auf Paragraf 17, 2b der Rechts- und Verfahrensordnung des DFB. Demnach sei ein Einspruch möglich bei einer „Schwächung der eigenen Mannschaft durch einen während des Spiels eingetretenen Umstand, der unabwendbar war und nicht mit dem Spiel und einer dabei erlittenen Verletzung im Zusammenhang steht“.
Ein Tatverdächtiger wurde noch während des Spiels ausfindig gemacht und der Polizei übergeben. Gegen den 27-Jährigen wird wegen gefährlicher Körperverletzung ermittelt. „Wir haben das längstmögliche bundesweite Stadionverbot ausgesprochen, was ein Verein aussprechen kann“, erklärte Unions Pressesprecher Christian Arbeit wenige Tage nach dem Spiel. Es beträgt drei Jahre. (mit dpa)
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