
© IMAGO/Andreas Gora
Ein dunkelblauer Anzug und eine Mundharmonika: Die Facetten des Cédric Énard
Die BR Volleys gewinnen gegen den Dauerrivalen VfB Friedrichshafen souverän mit 3:0. Zur Freude ihres Trainers Cédric Énard, der mehrmals die Fäuste gen Himmel streckt.
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Es ist so etwas wie sein Markenzeichen geworden: Ob Bundesliga, Champions League oder Testspiel – wenn sein Team, die BR Volleys, spielen, dann erscheint Trainer Cédric Énard jedes Mal in einem dunkelblauen Anzug und trägt braune Lederschuhe. Manchmal ist der Kontrast zum gegnerischen Trainer stark. Unvergessen bleiben das Spiel der Volleys gegen Zenit Kazan, als der russische Trainer stattdessen im Jogginganzug erschien, oder der Bounce House Cup, als die meisten Trainer am Vormittag noch eher legere gekleidet umherliefen, während Énard bereits seinen Anzug trug.
Énard lässt sich von der Bedeutung des Spiels in seiner Kleidungswahl wenig beeinflussen. Das mag auf Außenstehende etwas steif wirken. Fakt ist aber, dass er damit jedem einzelnen Spiel auch ein Stück Wertschätzung schenken und zeigt, dass die Volleys, die auf nationaler Ebene seit Jahren dominieren, kein Match auf die leichte Schulter nehmen. Den spaßigen Teil hebt er sich lieber für die Zeit außerhalb des Spielfelds auf, wenn er erzählt, dass er gern Axtwerfen geht oder Mundharmonika spielt.
Sowohl Lebedew als auch Énard wirkten vor dem Spiel gelöst
Am Sonntagabend war der Kontrast zwischen den Outfits der Trainer nicht ganz so groß: Auch Friedrichshafens Trainer Mark Lebedew, der einst Berlin coachte, erschien beim Spiel des Tabellenersten gegen den Tabellenzweiten im schwarzen Anzug. Für beide Trainer stand nicht weniger als die Tabellenführung auf dem Spiel, die die Volleys am Ende des Abends mit 3:0 (25:19; 25:20; 25:20) souverän verteidigen konnten.
Sowohl Lebedew als auch Énard wirkten vor dem Spiel gelöst, erst wenige Tage zuvor hatten sich beide Mannschaften für das Viertelfinale der Champions League qualifiziert. Bei Énard hielt der entspannte Gesichtsausdruck auch noch eine ganze Weile an. Gleich im ersten Satz konnten die Volleys sich frühzeitig absetzen, kamen mit ihren Angriffen scheinbar problemlos durch. Die Häfler hingegen hatten immer wieder Probleme, gegen den Berliner Block zu bestehen.

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Énard, der neben dem Spielfeld stand, reckte ein ums andere Mal seine Faust triumphierend in die Höhe. Weil Ruben Schott ausfiel, entschied er sich im Angriff stattdessen für Cody Kessel, der neben Qualität im Angriff auch Leichtigkeit und Spielfreude mitbrachte. Eine Rallye, die Marek Sotola für sich entscheiden konnte und damit zum 16:8 punktete, belohnte Énard mit begeistertem Klatschen.
Ähnlich souverän gingen die Volleys im zweiten Satz in Führung. Kurzzeitig verkürzten die Häfler den Rückstand, da ruckelte Énard sich den eng zugeknüpften Kragen seines Hemdes zurecht. Doch dann machte Kessel den Satz zu und ließ nicht nur Trainer, sondern auch 5284 Zuschauende aufatmen.
Weniger eindeutig ging es in den dritten Satz, in dem erstmals Friedrichshafen in Führung ging. Als eine Schiedsrichter-Entscheidung zugunsten der Gäste auszugehen drohte, protestierte selbst Énard und gestikulierte empörte. Doch Angreifer Timothée Carle hämmerte den Ball kurz darauf so kraftvoll in die gegnerische Spielfeldhälfte, dass nicht nur die Zuschauenden etwas Zeit hatten ihre Klatschpappen mit der Aufschrift „Yeah“ zu schwenken, sondern auch Énard einen kräftigen Schluck Wasser nahm.
Sein zunehmend selbstsicherer Gesichtsausdruck prognostizierte bereits den Spielausgang: Mit fünf Punkten Vorsprung verwandelte Sotola den Satzball mit einem Ass. Da konnte sich auch Énard nicht zurückhalten: Er brüllte kämpferisch auf, strahlte und schloss sich für einen kurzen Augenblick sogar dem ausgelassenen Freudentanz seiner Spieler an. Aber nur für einen Moment. Danach überließ er den emotionalen Teil wieder seinem Team.
Énard ist passionierter Mundharmonikaspieler – anscheinend der passende Ausgleich für den Trainer
„Einfach war es nicht“, sagte er im Anschluss an das Spiel, „die Neuigkeiten von Ruben haben mich etwas verwirrt. Er ist so wichtig für die Stabilität des Teams. Er hat als Kapitän einen großen Teil der Führungsrolle übernommen und wir mussten einen neuen Weg finden.“ Anstelle von Schott, der in dieser Saison zum Kapitän ernannt worden war, hätte an diesem Abend das gesamte Team eine Führungsrolle eingenommen. „Sie alle haben aufgepasst, dass das Feuer auf dem Feld nicht ausgeht. Das ist es, was ich so an dem Team mag: Sie alle geben Sauerstoff hinzu.“
Vor dem entscheidenden Pokalspiel gegen Düren am kommenden Wochenende haben die Spieler noch etwas Zeit sich zu erholen und Énard kann derweil seinem Hobby dem Mundharmonika-Spielen nachgehen. „Ich spiele nur für mich alleine und manchmal für meine Töchter. Dabei versuche ich nicht so laut zu spielen wegen der Nachbarn. Aber es ist etwas, das ich nur für mich tue.“ Sozusagen seine ganz persönliche Beschäftigung außerhalb des Volleyballs und vielleicht auch ein Grund für die Gelassenheit, die er in herausfordernden Situationen auf dem Spielfeld ausstrahlt.
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