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Sport: Ein harter Spaß

Leverkusen überrascht Real Madrid beim 3:0 – vor allem aber sich selbst

Jacek Krzynowek versteckte sich nach diesem denkwürdigen Abend. Er schlich an den Journalisten vorbei und lehnte die vielen Interviewwünsche rigoros ab. „Kein Wort“, bedeutete der 28-Jährige Pole in Diensten von Bayer Leverkusen, werde man von ihm hören. Vor zwei Wochen ist sein Vater an einem Herzinfarkt gestorben, natürlich trauert er noch, „Fußball ist vielleicht die beste Ablenkung für ihn“, sagt sein Trainer Klaus Augenthaler. So rückt sein bisher größter sportlicher Erfolg tief in den Hintergrund, dieser triumphale 3:0-Sieg Leverkusens gegen Real Madrid am Mittwoch, mit dem keiner rechnen konnte.

Krzynowek schon gar nicht. Vor wenigen Monaten kickte er noch für den 1. FC Nürnberg vor den schmalen Kulissen der 2. Liga gegen Mannschaften wie Aue und Regensburg. Da er aber bereits über 40-mal das polnischen Trikot trug, ist er kein Neuling im internationalen Fußball, die Kenner schätzen seine Wucht und Dynamik im linken Mittelfeld, seine kraftvollen Fernschüsse sowieso. Doch die Respektlosigkeit, mit der er nun gegen Salgado, Beckham und Figo angetreten war, gehörte zu den größeren Sensationen dieser an verblüffenden Szenen nicht armen Partie. Außerdem hatte er das wichtige Führungstor erzielt. Nach einer Ecke hatte Beckham ihm den Ball genau in den Laufweg gespielt, und Krzynowek hatte aus 25 Metern einfach mutig abgezogen. 1:0. „Das war nur Glück“, murmelte er mit schüchternem Blick, bevor er schnell verschwand – weil der Ball gegen den Pfosten gekracht und erst vom Arm Casillas’ ins Tor geprallt war, „alles Zufall“.

Doch wäre es ungerecht, nach diesem Sieg von schicksalhafter Fügung zu sprechen oder davon, dass der neunmalige Champions-League-Gewinner noch nicht in Form ist, Leistungsträger wie Raúl und Zidane ein Schatten früherer Tage sind und die von den Neuzugängen Pavón und Samuel gebildete Innenverteidigung noch nicht eingespielt ist. Denn Leverkusen hatte den schlechten Auftritt der „Galaktischen“ geradezu erzwungen mit ihrer beinharten Spielweise, die der englische Schiedsrichter Graham Poll zugelassen hatte.

„Wenn man denen auf die Füße tritt, dann verlieren sie den Spaß am Fußball“, sagte Carsten Ramelow und grinste dabei diabolisch. Zusammen mit Bernd Schneider hatte der Kapitän alle im Team auf diese Spielweise hart an der Grenze des Erlaubten eingeschworen.

Das Signal des Abends setzte Außenverteidiger Diego Placente. Der Argentinier stieg in den ersten zehn Minuten in mehreren Situationen extrem hart gegen Figo ein – und lächelte den portugiesischen Popstar nur an, als der ihn zur Rede stellen wollte. Aufbrausend, giftig, eine Majestätsbeleidigung witternd, so präsentierte sich der Portugiese in diesen Momenten dem Publikum. Kühl und gelassen hingegen Placente.

„Wir haben uns köstlich amüsiert“, erinnerte sich Hanno Balitsch, der die Szene von der Bank aus verfolgt hatte, „wir haben uns gefreut, sie zu provozieren“. Dieser harte Stil bildete jedenfalls die Grundlage dafür, dass nun nicht Real, wie allerseits erwartet, wie ein Sturm über Leverkusen, sondern Leverkusen über Real hinwegfegte. „Sie haben uns einfach überrollt“, urteilte ein frustrierter Real-Coach Camacho, der Ronaldo und Figo direkt nach dem 0:3 auswechselte – um ein noch schlimmeres Debakel zu verhindern.

Wie märchenhaft dieser Abend verlaufen war, zeigten die besorgten Blicke nach vorn – und zurück auf die unerklärliche 0:2-Niederlage in Mainz am letzten Samstag. „In der letzten halben Stunde“, bekannte Trainer Augenthaler, „habe ich schon an das nächste Heimspiel gedacht“ – und reagierte gereizt auf die Frage, ob er denn die Spieler nach einem solchen Abend überhaupt erreichen könne. „Ich glaube ja“, knurrte er und schaute böse. Krzynowek wird er nicht motivieren müssen. Es geht ja gegen Nürnberg.

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