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Steffen Baumgart ist zurück an alter Wirkungsstätte.

© imago/Matthias Koch

Ein Klub zwischen Nostalgie und Abstiegskampf: Steffen Baumgart will den 1. FC Union neu entflammen

Steffen Baumgart hat die Arbeit als neuer Trainer des 1. FC Union Berlin aufgenommen. Die Fans begrüßen ihn mit Feuerwerk – und das soll seine Mannschaft auch auf dem Platz abbrennen.

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Sein Markenzeichen, die Schiebermütze, trug Steffen Baumgart am Donnerstag nicht. Für seinen ersten Auftritt als Trainer des 1. FC Union setzte er stattdessen – wie einst Urs Fischer – eine Baseballkappe mit dem Logo des Ausrüsters auf.

Auch im Union-Fanshop werden nicht Tausende Baumgart-Schiebermützen nachgeordert, betonte Vereinssprecher Christian Arbeit. Denn: „Wir haben kein Maskottchen geholt, sondern einen bundesligaerfahrenen Trainer.“

Das war eine Erinnerung wert an diesem Tag, als die Sonne voller Hoffnung durch den Wald schimmerte und eine muntere Stimmung in den Katakomben der Alten Försterei herrschte. Man freute sich nicht nur auf Steffen Baumgart, den Trainer, der Union in die Erfolgsspur bringen soll. Sondern vor allem auf Baumi, den alten Unioner, der endlich zurück ist. Die Frage der nächsten Wochen und Monate wird sein, ob sich diese zwei Seiten tatsächlich verbinden lassen.

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„Zumindest ist es so, dass mir keiner den Verein vorstellen muss“, sagte Baumgart, als er sich zum ersten Mal hinter das Podest im Pressekonferenz-Raum stellte. Schließlich ist sein Wechsel zu Union alles andere als ein Schritt ins Ungewisse. Er ist vielmehr die Fortsetzung einer wunderbaren Freundschaft, die Anfang der 2000er Jahre begonnen hat und seitdem nie wirklich abgebrochen ist.

Mit einer Grätsche in die Fanherzen

Damals hat es trotz anfänglicher Skepsis sofort gezündet zwischen ihm und Union, erinnerte Baumgart bei seiner Vorstellung. „Gleich in meinem ersten Spiel gab es eine Szene: Ich bin 20 Minuten vor Schluss reingekommen und habe mein erstes Tackling gemacht: Marco Rose war mein Opfer. Danach stand der ganze Block und es ist eine Liebe entstanden, die nie wieder weggegangen ist.“

Einen ähnlichen Schub erhofft man sich nun vom Trainer Baumgart. Doch wie der 52-Jährige auch selbst zugab, sei die Vergangenheit das eine. Heutzutage sei der Verein ein ganz anderer. Union sei kein Underdog mehr, sondern ein etablierter Bundesligist. Das soll im besten Fall auch so bleiben. Und da ist vor allem der Fußballtrainer Baumgart gefragt.

Das Schöne ist: Hier muss man nichts anzünden. Die sind immer angezündet.

Steffen Baumgart über die emotionalen Union-Fans

Schließlich übernimmt er eine Mannschaft, die seit neun Spielen sieglos ist und zum zweiten Jahr in Folge mit dem Abstiegskampf liebäugelt. Man habe unter Bo Svensson das Gefühl gehabt, „dass wir auf der Stelle treten“, sagte Union-Manager Horst Heldt, der Trainerwechsel sei „nicht nur wegen der Ergebnisse“ notwendig gewesen. Nun sei man überzeugt, mit Baumgart den richtigen Ersatz gefunden zu haben.

Darüber sind aber längst nicht alle einig. Denn bei aller kumpeligen Nostalgie steht Baumgart vor den gleichen Problemen wie Svensson. Schon der Däne ist daran gescheitert, dass er einer defensiv ausgerichteten Mannschaft kein erfolgreiches Offensivkonzept einimpfen konnte. Baumgart muss das besser hinbekommen und ganz nebenbei auch wieder Stabilität in eine Abwehr bringen, die immer in der Dreier- statt der von ihm bevorzugten Viererkette spielt.

Abschied von der Dreierkette?

Wie er das angeht, blieb am ersten Arbeitstag verständlicherweise noch offen. Ein klares Bekenntnis zur Vierer- oder Dreierkette gab es nicht, allerdings eine Tendenz zu zwei Innenverteidigern. Als von dem „neuen Offensivfußball“ die Rede war, schüttelte er energisch den Kopf. Gleichzeitig gab es auch kein Abrücken von seiner grundsätzlichen Philosophie: „Ich bin bekannt dafür, dass es ums Toreschießen geht. Dafür stehe ich, und das klare Ziel ist, dass wir den Weg nach vorne finden.“

Dabei kann er immerhin auf die Unterstützung der Fans zählen. Nach der Pressekonferenz gab es zunächst ein Treffen mit Kapitän Christopher Trimmel, bevor es am Nachmittag zum ersten Mal auf den Trainingsplatz ging. Dort warteten neben der Mannschaft 740 Union-Fans, die den verlorenen Sohn empfingen.

„Das Schöne ist: Hier muss man nichts anzünden. Die sind immer angezündet“, sagte Baumgart mit Bezug auf die Stadionatmosphäre – und prompt explodierten zu Beginn des Trainings einige Böller hinter dem Zaun Richtung Wuhle. Auch verbal herrschte eine andere Lautstärke als bei Unions vergangenen Trainern. Baumgarts Rufe waren bis auf die Zuschauerplätze klar zu vernehmen.

Ob der Volksheld die Herzen der Fans auch als Trainer erobern wird, muss sich noch zeigen. Zumindest für den Moment ist man bei Union aber überzeugt, dass das Wiederaufblühen dieser Beziehung mehr Chance als Risiko mit sich bringt. „Es ist viel einfacher, mit einem Trainer zu arbeiten, der den Verein in- und auswendig kennt“, betonte Heldt. Am Ende werden es die Ergebnisse sein, die ihm recht geben – oder auch nicht.

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