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Friedrich Merz beim Neujahrempfang.

© imago/Arnulf Hettrich/imago/Arnulf Hettrich

Endlich wieder Siegerurkunden: Friedrich Merz und die Mär von der verweichlichten Jugend

Der CDU-Kanzlerkandidat will die Bundesjugendspiele wieder einführen – die wurden aber nie abgeschafft. Es ist nur eine von vielen bizarren Aussagen zur sportlichen Zukunft des Landes.

Inga Hofmann
Ein Kommentar von Inga Hofmann

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Die Kinder dürfen nicht in Watte gepackt werden. Mit diesen bizarren Worten leitete Friedrich Merz am Sonnabend seine Rede beim Neujahrsempfang der CDU Baden-Württemberg zur sportlichen Zukunft des Landes ein. Dabei redete der Kanzlerkandidat sich schnell in Rage und forderte: Die Bundesjugendspiele sollen an allen Schulen wieder eingeführt werden, und zwar „nicht nur mit Teilnehmerurkunden, sondern mit Siegerurkunden“.

Vom Publikum erntete er dafür frenetischen Applaus. Doch wofür eigentlich? Die Bundesjugendspiele wurden schließlich nie abgeschafft, auch Siegerurkunden gibt es noch, ebenso wie Ehren- und Teilnahmeurkunden. Zwar gab es vor einiger Zeit eine Reform, wodurch die Spiele als Wettbewerb und nicht mehr Wettkampf bezeichnet werden. Geändert hat sich dadurch aber wenig.

Wusste Merz das nicht? Oder war es nicht viel eher Kalkül, sich ausgerechnet die Bundesjugendspiele auszusuchen, über die es seit Jahren hitzig, teils populistisch geführte Diskussionen gibt?

Man hätte über so vieles im Sport sprechen können, wie den Mangel an Sportstätten, den Ausbau von Breitensportangeboten für Kinder und Jugendliche oder die bessere Förderung von Trainern und Trainerinnen. Doch Merz entschied sich für die Mär von der verweichlichten, leistungsunwilligen Jugend.

Der Kanzlerkandidat, der wenige Tage zuvor in der Migrationspolitik Risse in die Brandmauer zur AfD gebracht hatte, knüpfte mit seinen Aussagen nicht zuletzt an den sportpolitischen Sprecher der AfD Baden-Württemberg an. Dieser hatte vor einiger Zeit behauptet, dass die Reform der Bundesjugendspiele „nicht nur sprachlich eine Verweichlichung“ darstelle. Dann lieber flink, zäh und hart, oder wie war das nochmal?

Merz spannte am Sonnabend dann noch den ganz großen Bogen. „Wenn die Bundesjugendspiele nur noch Teilnehmerurkunden ausstellen, dann kriegen wir demnächst auch auf Olympiaden nur noch Teilnehmerurkunden“, sagte er. „Ich möchte, dass wir wieder an der Spitze stehen.“

Es ist richtig, dass Deutschland in Paris nur auf Platz zehn im Medaillenspiegel landete. Schuld daran sind aber nicht fehlende Schulwettbewerbe im Werfen, Springen und Laufen. Die Ursachen sind komplex und reichen von einer unterfinanzierten Sportförderung, über mangelnde Trainingsstätten bis hin zu Profisportlerinnen, die nicht angemessen bezahlt werden. In Deutschland pumpen Sponsoren die Gelder überdies im Wesentlichen in den Männerprofifußball.

Letztlich sollte es doch aber ohnehin darum gehen, allen Kindern und Jugendlichen den Zugang zu Sport und Bewegung zu ermöglichen – nicht nur jenen, die es an die Spitze schaffen können und wollen. „Uns steht ein Jahrzehnt der Anstrengungen bevor“, sagte Merz am Ende seiner Rede. Zumindest damit hatte er recht.

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