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„Jetzt wird entschieden“: Merz verteidigt Migrationspläne trotz möglicher Zustimmung der AfD
Nach seinen umstrittenen Aussagen betont der Kanzlerkandidat, es werde keine Zusammenarbeit mit den Rechten geben. An den Migrationsplänen will er aber festhalten, auch wenn die AfD dafür stimmt.
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Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) hat seine Ablehnung einer Zusammenarbeit mit der AfD bekräftigt, an seinen Plänen in der Migrationspolitik will er aber festhalten, auch wenn die AfD dafür stimmt. Die AfD entscheide nicht darüber, „welche Anträge wir in den Deutschen Bundestag einbringen und welche nicht“, sagte er am Samstag bei einer Parteiveranstaltung im baden-württembergischen Künzelsau. Es müsse jetzt Entscheidungen geben.
Beim Thema Sicherheit sei der Punkt erreicht, „wo taktische Spielchen zu Ende sind“, sagte März. „Jetzt wird entschieden, und zwar mit den Mehrheiten, die der Mehrheit der Bevölkerung in Deutschland entsprechen.“ Grenzkontrollen und Zurückweisungen an den Grenzen würden von „95 Prozent der deutschen Bevölkerung“ befürwortet.
Zuvor hatte Merz im Gespräch mit der „Bild“ gesagt: „Es wird keine Zusammenarbeit mit der AfD geben. Darauf können sich alle verlassen.“
Als Reaktion auf die Morde von Aschaffenburg verlangt Merz einen harten Kurswechsel in der deutschen Asylpolitik. Dazu will die Union nächste Woche Anträge in den Bundestag einbringen. Die Union setzt bei der Abstimmung auf Unterstützung von SPD und Grünen. FDP-Chef Christian Lindner hat bereits Zustimmung signalisiert.
Es bekommen die ehemaligen Ampel-Fraktionen die Texte von uns.
Friedrich Merz, Kanzlerkandidat der Union und CDU-Chef
„Unsere Anträge für die Sitzungswoche schicken wir vorab an SPD, FDP und Grüne. Ich kann mir nicht vorstellen, dass SPD, Grüne und FDP jetzt nichts unternehmen wollen, um die Sicherheitslage in Deutschland zu verbessern. Die Parteien der Mitte müssen Verantwortung übernehmen. Das ist das beste Mittel gegen die politischen Extreme rechts und links. Es muss jetzt etwas passieren“, sagte Merz der „Bild“.
Der „Heilbronner Stimme“ sagte Merz, die Union werde heute die Bundestagsanträge fertigstellen und vorab nur diesen drei Parteien zur Verfügung stellen. „Die AfD bekommt sie nicht.“ Er verhandle mit der AfD nicht, auch nicht mit dem BSW und anderen, sagte Merz.
„Es bekommen die ehemaligen Ampel-Fraktionen die Texte von uns, mit der ausdrücklichen Bitte, darüber über das Wochenende zu sprechen und den Versuch zu unternehmen, in der nächsten Woche hier eine gemeinsame Entscheidung zu treffen.“
Merz hatte vor dem Hintergrund der Messerattacke eines Afghanen in Aschaffenburg angekündigt, nächste Woche Anträge zur Verschärfung der Migrationspolitik in den Bundestag einzubringen – „unabhängig davon, wer ihnen zustimmt“. SPD und Grüne zweifeln nun an der Verlässlichkeit von Merz, die Brandmauer zur AfD aufrechtzuerhalten. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte Merz davor gewarnt, die Anträge mithilfe der AfD durchsetzen zu wollen.
Auch der Kanzlerkandidat der Grünen, Robert Habeck, sprach von einem „schweren politischen Fehler“, den Merz begangen habe. Die Ansage, eine europarechtlich höchst kritische Maßnahme wie die unkoordinierte Einführung von Grenzkontrollen „im Zweifelsfall auch mit der AfD“ zu verabschieden, werde vielleicht als Punkt in Erinnerung bleiben, „wo die Grenze zur Zusammenarbeit mit der AFD eingerissen wurde“, sagte er in einem Video von einem Wahlkampfauftritt.
Auch inhaltlich kritisierte Habeck das Vorhaben des CDU-Kanzlerkandidaten scharf. Zum einen wäre die Zurückweisung von Asylsuchenden „eine Einschränkung des Asylrechts, die wir seit dem Zweiten Weltkrieg so nicht gekannt haben“. Zum anderen würde ein einseitiges Vorgehen ohne Absprache „Europa sofort zerreißen“. Die EU-Partner würden es nicht akzeptieren, wenn „Deutschland sich benimmt wie Ungarn“.
Merz wies die Kritik zurück und forderte SPD und Grüne auf, stattdessen seinen Plänen zuzustimmen. Ähnlich äußerte sich auch FDP-Chef Christian Lindner. „Eine Problemlösung würde der AfD den Wind aus den Segeln nehmen“, schrieb er auf X. Aber bereits in der Ampel-Koalition habe Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) eine Zusammenarbeit mit der Union „hintertrieben“.
SPD-Ko-Chefin Saskia Esken warf Merz hingegen Erpressung vor: Der CDU-Chef verfahre „nach dem Motto“ wenn Ihr nicht mitzieht, gehe ich den Pakt mit der AfD ein“, sagte sie der „Stuttgarter Zeitung“ und den „Stuttgarter Nachrichten“. „Die Brandmauer von Friedrich Merz - sie ist aus Papier gebaut. Und sie brennt lichterloh.“
Merz hat für den Fall seiner Wahl zum Kanzler deutlich mehr Abschiebungen versprochen, an allen Grenzen strenge Kontrollen sowie ein „faktisches Einreiseverbot“ für viele Migranten.
Merz warnt vor Abdriften nach links oder rechts
Beim Neujahrsempfang der CDU Baden-Württemberg in Künzelsau bei Heilbronn mahnte Merz am Samstag, der AfD keine Stimme bei der Wahl zu geben. Man werde seinem Ärger dann vielleicht Luft machen, aber am Tag nach der Wahl werde das keine Wirkung zeigen. „Ich werde mit dieser Partei keine Gespräche über irgendeine Art der Zusammenarbeit führen“, betonte er einem Bericht der Nachrichtenagentur dpa zufolge.
Merz befürchtet nach eigenen Worten eine Entwicklung wie in anderen Ländern Europas, wenn die demokratischen Parteien die Probleme in Deutschland nicht in den Griff bekommen. „Ich möchte nicht, dass unser Land abdriftet in den Linkspopulismus oder in den Rechtspopulismus“, sagte er weiter. „Ich möchte, dass wir ein stabiles Land in der Mitte bleiben.“ Einige europäische Länder seien schon abgedriftet, sagte Merz und nannte Österreich als Beispiel.
Es müsse deutlich werden, dass die Demokratie in der Lage sei, die Probleme in Deutschland zu lösen, sagte der CDU-Chef. Wenn das nicht gelinge, werde die Wahl 2029 keine normale Bundestagswahl. Dann würden die Mehrheit der Wählerinnen und Wähler sagen, die „Altparteien“ könnten es nicht mehr.
Union stützt Merz’ Kurs in Migration
Zuvor hatte der Parlamentsgeschäftsführer der Union im Bundestag, Thorsten Frei, im Deutschlandfunk zu den Vorwürfen gegen Merz gesagt: „Das ist keine Zusammenarbeit.“ Es gebe keinerlei inhaltliche Gespräche mit der AfD. „Die AfD ist eine gesichert in Teilen antisemitische und rechtsradikale Partei und deshalb gibts für uns da keine Zusammenarbeit. Das gilt vor der Wahl, und das gilt nach der Wahl.“
Frei weiter: „Natürlich streben wir an, dass wir für die Positionen, die wir haben, eine Mehrheit in der politischen Mitte des Deutschen Bundestags erreichen“, erklärte Frei. Darum bemühe sich die Union in der Migrationspolitik schon seit vielen Monaten. Mit Blick auf Aschaffenburg fügte er hinzu: „Die Menschen sind es leid, dass nach den regelmäßig vorkommenden Attentaten immer nur die gleichen Worthülsen aufeinandergestapelt werden. Sie erwarten Handeln.“
FDP-Chef Lindner glaubt nicht, dass Grüne und SPD zu einer Verschärfung in der Migrationspolitik bereit sind. Er sagte der „Bild“: „In der Ampel wurde mehr Konsequenz bei der Begrenzung von Migration von Rot-Grün immer verwässert. Auch mein Vorschlag, den Schulterschluss der demokratischen Parteien Union, FDP, SPD und Grüne zu suchen, wurde von Olaf Scholz damals hintertrieben. Jetzt ist eine neue Gelegenheit. Eine Problemlösung würde der AfD den Wind aus den Segeln nehmen.“
In einem Park in Aschaffenburg waren am Mittwoch ein zweijähriger Junge marokkanischer Herkunft und ein Mann getötet sowie zwei weitere Menschen schwer verletzt worden. Verdächtig ist ein 28-jähriger Afghane, der festgenommen wurde. Er war ausreisepflichtig.
Merz sagte der „Heilbronner Stimme“, „allerspätestens“ seit dem Kindermord in Aschaffenburg sei es an der Zeit, die Dinge in Deutschland zu ändern. „Wir haben dazu nächste Woche Gelegenheit.“ Er wies verfassungsrechtliche Bedenken zum Beispiel an Plänen zur Zurückweisung aller Versuche einer illegalen Einreise zurück. (lem)
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