Sport: Erdbebengefahr
Englands Fußballtrainer Steve McClaren steht vor dem Spiel in Israel unter großem Druck
Stand:
Absurd hohe Erwartungen der Fans, eine feindlich gesinnte Presse und eine lange Geschichte des Scheiterns auf internationaler Ebene: Englands Nationaltrainer Steve McClaren und sein israelisches Pendant Dror Kashtan könnten am Samstag im Ramat-Gan-Stadion im Grunde die Plätze tauschen, und niemand würde den Unterschied bemerken. Die verhinderte Großmacht von der Insel liegt in der Tabelle der Gruppe E sogar punktgleich neben dem Fußball-Entwicklungsland. Mit nur sieben Zählern nach vier Spielen ist die Qualifikation zur Europameisterschaft für beide Seiten bereits akut gefährdet.
Die Lage für McClaren ist nach zuletzt vier sieglosen Spielen mit nur einem kümmerlichen Tor prekär. „Wenn er hier verliert, gibt es ein Erdbeben, dann ist er erledigt“, prognostizierte der israelische Spielerberater Pini Zahavi in der Zeitung „Yedioth Ahronoth“. Die Prophezeiung hat den Druck auf den Nationaltrainer zusätzlich verschärft. Denn Zahavi firmiert in den englischen Medien als „Superagent“. Als mächtiger Strippenzieher hinter den Kulissen hat sein Wort großes Gewicht.
Der 52 Jahre alte Israeli brachte einst Roman Abramowitsch mit dem FC Chelsea zusammen, er vertritt Nationalspieler Rio Ferdinand und ist an fast jedem größeren Deal in der Premier League über zwei Ecken beteiligt. Im Übrigen hat Zahavi in dieser Woche bestätigt, was schon lange gemunkelt wurde: In Englands WM-Kader herrschten große Ressentiments gegenüber Kapitän und Popidol David Beckham. „Es gab sehr viel Eifersucht“, sagte Zahavi, „viele Spieler hatten etwas gegen seinen Status als Superstar; sie hielten ihn angesichts seiner Leistungen auf dem Platz für nicht gerechtfertigt“. Laut dem Israeli war dies der Grund für Beckhams Ausscheiden aus der Nationalmannschaft. Als Vertrauter des früheren Nationaltrainers Sven-Göran Eriksson kann Zahavi auf Insiderwissen verweisen. Die nach seiner Verletzung und dem bevorstehenden Wechsel zu den LA Galaxy schon sehr unwahrscheinliche Rückkehr Beckhams in die Nationalmannschaft scheint nun völlig ausgeschlossen zu sein.
Die Engländer haben auch ohne ihren ehemaligen Kapitän genügend Stars, zumindest den Namen nach. Als Kashtan bei der Pressekonferenz dem Gegner „Stil und System“ zuwies, klang dies jedoch wie versteckter Hohn: Die von vielen unnötigen Änderungen und halbgaren Ideen ihres Trainers überforderte englische Mannschaft wirkte zuletzt orientierungslos. Das Comeback von Owen Hargreaves, dem nach der Weltmeisterschaft vom Buhmann zum Hoffnungsträger mutierten Münchner, sollte jedoch ein bisschen Sicherheit in die Abwehr zurückbringen. McClaren fordert insbesondere von Spielern wie Wayne Rooney, Frank Lampard und Steven Gerrard, dass sie endlich auch in der Nationalmannschaft groß aufspielen. „Wir müssen uns beweisen“, sagte er, „die Spieler müssen sich zeigen“.
Während Steve McClaren wie immer den unerschütterlichen Optimisten spielte, mimte Kashtan in Tel Aviv den Plauderonkel. „England ist natürlich viel besser als wir“, sagte der 62-Jährige lächelnd, „es gibt kein Team auf der Welt, das körperlich stärker ist. Aber wir haben ein Gehirn. Wir müssen mit Kopf spielen.“ Glaubt man Zahavi, ist genau dies das Problem der Engländer: „Man muss langsam gegen sie spielen, sehr langsam. Anders geht es nicht gegen ein Team, das nur spielen kann, wenn es pausenlos rennt. Spielst du langsam, verlieren die Engländer den Kopf.“ Sollte den Israelis dies wirklich gelingen, kann sich der englische Verband wohl ein Rückflugticket für den Trainer sparen. Die englische Boulevardzeitung „Sun“ drohte bereits: „Falls du verlierst, brauchst du nicht zurückzukommen, Mac.“
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: