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Die Fans von Cardiff City erleben wegen der neuen Vereinsfarben eine Identitätskrise

© dpa/picturealliance

Live von der Insel - Die Fußballkolumne über England: Fans aller Premier League-Klubs, vereinigt euch!

Am Wochenende haben die Fans von Hull City und Cardiff City erneut gegen ihren jeweiligen Vereinschef protestiert. Unser Kolumnist sieht im englischen Fußball das Auftauchen eines lang ersehnten revolutionären Geistes.

Die Revolution hat begonnen! Seit Jahren leiden der englische Fußball und seine Fans unter immer weiter steigenden Eintrittspreisen und kapitalistischem Missbrauch seiner Fußballklubs, aber ... jetzt soll Schluss sein! Denn jetzt sind die Fans auf die Idee gekommen, sich damit auseinanderzusetzen, was sie als schleichende Entfremdung empfinden. Als Entfremdung von ihrem Sport, ihrer Liga und ihren Klubs.

Ein bisschen jedenfalls. Bisher erschöpft sich der Kampf darin, dass am vergangenen Wochenende die Fans von Cardiff City rebellische Lieder sangen und die von Hull City ein hübsches Tauziehen um ein Banner mit den eigenen Ordnern veranstalteten. Ist doch schon mal was! Oder haben wir nicht alle vom großen vorrevolutionären Tauziehen von 1847 gelernt?

Dass Fußballfans hin und wieder Lieder singen oder umstrittene Banner zeigen, ist zwar nichts Neues. Aber die Aktionen von Cardiff und Hull spiegeln eine überall wachsende Verstimmung der Fans mit der herrschenden Klasse wider. Es waren Protestaktionen gegen die eigenen Vereinschefs, weil diese Stück für Stück die Identität der Vereine verändern.

Oberflächlich gesehen feiert Cardiff gerade die größten Erfolge seiner Klubgeschichte. Mit dem Geld des malaysischen Investors Vincent Tan ist der Klub in der vergangenen Saison zum allerersten Mal in die Erstklassigkeit aufgestiegen. Der englische Traum! Finden Sie einen Millionär und spielen Sie oben mit!

Ein Hurra für den freien Markt! Buhrufe für Platini und sein Financial Fair Play! Cardiff hat wie zuvor schon Chelsea und Manchester City mit Mephisto gehandelt und genießt jetzt die Herrlichkeit der Welt – oder zumindest des Mittelmaßes der Premier League.

Dafür müssen die Fans jetzt bezahlen. Und wie! Denn Tan fing vor zwei Jahren damit an, seinen neuen Verein attraktiver für den asiatischen Markt zu machen. Ein neues, rotes Trikot wurde eingeführt und ein neues Emblem. Der Hüttensänger (oder „Bluebird“) wurde von einem walisischen Drachen verdrängt. Da waren die Fans schon ein bisschen genervt. Immerhin waren die Fußballer von Cardiff City seit 112 Jahren als „Bluebirds“ bekannt und spielten selbstverständlich in Blau. Auf einmal waren sie die walisische B-Mannschaft.  

Immerhin hat Vincent Tan den Namen des Vereins nicht geändert. Das wäre ein Schritt zu weit gewesen. Oder kommt da noch was? Denn einen Schritt zu weit, so etwas gibt es im bürgerlichen englischen Fußball nicht! Deswegen hat Hull Citys neuer Eigentümer Assem Allam entschieden, den Namen seines Klubs nicht nur einmal, sondern gleich zweimal zu ändern.

Am Anfang der Saison hat er den Spitznamen „Tigers“ hinzugefügt und aus dem Hull City FC wurde der Hull City Tigers FC. Viele Hull-Fans reagierten empört darauf, und sie hatten sich noch nicht ganz von diesem Schock erholt, da schlug der Ägypter Allam ein zweites Mal zu. Jetzt soll auch das Wörtchen „City“ gestrichen werden und der Klub künftig als Hull Tigers auftreten.

Am vergangenen Wochenende nun schlugen die Fans von Cardiff und Hull zurück. In Cardiff sangen sie: „Wir sind Cardiff City und wir spielen in Blau!“ In Hull enthüllten sie ein großes Banner mit der Aufschrift: „Wir sind Hull City!“ Die Ordner im Stadion verstanden sich offensichtlich als Offiziere der Allamischen Revolution und versuchten, den Fans das Banner zu entreißen. Es gab also in aller Öffentlichkeit ein schönes Tauziehen. Bis dann den Offizieren aufging, dass sie nicht nur gegen eine Handvoll Romantiker kämpften, sondern gegen Tausende von wütenden Hull-Fans. Irgendwann fanden die Offiziere wohl selbst lächerlich, was sie da taten. Und gaben auf.

Es sagt genug über das Gedankengut von Männern wie Assem Allam, dass er all jenen Fans eine Rückerstattung der Dauerkarten anbietet, denen der neue Name nicht gefällt. Der böse Kapitalist hat nur sein Geld im Auge, aber... er hat Recht. Gemäß den Ligastatuten ist Hull sein Klub, und er kann damit machen, was er will. Das Problem ist nicht Assem Allam. Das Problem sind die wachsweichen Statuten der Premier League, die bescheiden ausgeprägte Integrität des englischen Fußballverbandes FA. All das wurde viel zu lange ignoriert, aber jetzt endlich haben die Fans den Kampf aufgenommen. Das sollten wir feiern!

Fans aller mittelmäßigen Klubs der Premier League, vereinigt euch!

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