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Anführer und Stratege. Hertha BSC hofft mit der Verpflichtung von Tolga Cigerci eine Schwachstelle im Kader beseitigt zu haben.

© IMAGO/Depo Photos

Gegen Frankfurt gleich in der Startelf?: Hertha BSC braucht jemanden wie Tolga Cigerci

Am letzten Tag der Transferperiode hat Hertha BSC Tolga Cigerci fürs zentrale Mittelfeld verpflichtet. Mit seiner Qualität könnte er schon am Samstag in Frankfurt gefragt sein.

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Florian Niederlechner ist in diesem Winter aus dem beschaulichen Augsburg nach Berlin gewechselt. Dass es dort etwas turbulenter zugeht, dürfte er bei der Wahl seines neuen Arbeitsplatzes eingepreist haben. Aber wie so oft: Die Realität in Berlin – oder besser: bei Hertha BSC – ist immer noch ein bisschen härter als die Vorstellung. „Er wusste schon: Hertha kann unruhig werden“, sagt Sandro Schwarz, der Trainer des Berliner Fußball-Bundesligisten. „Aber dass es gleich so ist, war für ihn natürlich auch neu.“

Auf der nach oben offenen Richterskala für sportliche Erdbeben hat Hertha in den vergangenen Tagen mal wieder Rekordwerte erzielt: drei Niederlagen aus den ersten drei Spielen des Jahres, der Absturz auf einen Abstiegsplatz und schließlich die Entlassung von Sportgeschäftsführer Fredi Bobic drei Tage vor Ablauf der Winter-Transferperiode. „Es waren wilde Tage“, sagt Trainer Schwarz.

Und trotzdem: Florian Niederlechner, 32 Jahre alt, im Abstiegskampf gestählt, gilt als ausreichend robust für die Herausforderungen, die nun vor ihm liegen. „Du merkst ihm an, dass er gewillt ist, mit Leistung vorneweg zu marschieren“, sagt Schwarz. „Er hat einen super Charakter, super Verhaltensweisen auf dem Platz, feuert alles rein für die Mannschaft.“

Ähnliches gilt auch für den zweiten Neuen des Winters, der Berlin und Hertha anders als Niederlechner sogar schon kennt. Tolga Cigerci, 30, hat bereits von September 2013 bis August 2016 bei den Berlinern unter Vertrag gestanden. Für seine Verpflichtung hat das eine nicht unerhebliche Rolle gespielt.

In der aktuellen Situation braucht Hertha Spieler, die sofort helfen und der zuletzt taumelnden Mannschaft Halt geben. Cigerci sei „ein Spieler, der keine lange Eingewöhnungszeit benötigt“, sagt Benjamin Weber, der seit Sonntag Sportdirektor des Klubs ist und mit der Abwicklung der Transferperiode seine erste echte Bewährungsprobe zu bestehen hatte. „Er kennt die Bundesliga, er kennt den Verein, er kennt die Stadt, er ist erfahren.“

Am Dienstagnachmittag hat Hertha den Transfer perfekt gemacht. Cigerci erhält einen Vertrag bis zum Ende der kommenden Saison. Dafür müssen die Berliner eine knappe halbe Million Euro an seinen bisherigen Klub, den türkischen Erstligisten Ankaragücü, überweisen.

Die Transferoffensive, die sich manche bei und für Hertha erhofft hatten, ist ausgeblieben. In der medialen Berichterstattung ging es sogar mehr darum, was alles nicht geklappt hatte, als um das, was der Klub hatte umsetzen können.

Er will immer den Ball haben, ist laufstark, strategisch veranlagt.

Trainer Sandro Schwarz über Tolga Cigerci

Selbst Sandro Schwarz gibt zu, „dass der Cheftrainer das eine oder andere an Vorstellung hat“, was sich nicht hat realisieren lassen. Aber: „Das ist jetzt die Gruppe. Du kannst nichts mehr ändern.“

In dieser Gruppe wird Tolga Cigerci aller Wahrscheinlichkeit nach eine wichtige Rolle einnehmen. Dass Hertha einen zentralen Mittelfeldspieler verpflichtet hat, obwohl es an zentralen Mittelfeldspielern im Kader nicht mangelt, sagt jedenfalls einiges.

Offenbar vermisste Schwarz bisher wichtige Qualitäten in seinem Portfolio. So fehlte ein strategisch veranlagter Sechser, der nicht nur Löcher stopft, sondern auch aus der Tiefe das Spiel seiner Mannschaft strukturiert. Er fehlte schon länger.

Cigerci, der passenderweise die Rückennummer 6 tragen wird, hat am Mittwoch erstmals mit seinen neuen Kollegen trainiert. „Er will immer den Ball haben, ist laufstark, strategisch veranlagt“, sagt Schwarz. „Das war im mannschaftstaktischen Training schon sehr gut zu sehen.“ Auch die Persönlichkeit und die Mentalität des türkischen Nationalspielers hat Herthas Trainer lobend erwähnt.

Cigerci ist im Spielrhythmus

In Ankara war Cigerci Kapitän und Führungsspieler; vier Ligaspiele hat er in diesem Jahr bereits bestritten. „Er ist im Vollbesitz seiner Kräfte, er ist im Rhythmus“, sagt Schwarz, „aber logischerweise war er noch nicht ganz in den taktischen Abläufen drin.“ Insofern hat sich Herthas Trainer noch offen gehalten, ob Cigerci schon am Samstag, beim schwierigen Auswärtsspiel gegen Eintracht Frankfurt (15.30 Uhr, live bei Sky), in der Startelf stehen wird.

Auch eine Änderung der taktischen Grundordnung wäre möglich, wenn nicht gegen Frankfurt, dann zumindest irgendwann in den nächsten Wochen. „Wenn du sehr gute zentrale Mittelfeldspieler hast und auf dem Flügel die eine oder andere Position nicht optimal besetzt ist“, so Schwarz, dann sei das definitiv eine Option.

Chidera Ejuke fehlt Hertha noch auf absehbare Zeit, Myziane Maolida ist am letzten Tag der Transferperiode zu Stade Reims verliehen worden. Aus dem bisherigen 4-2-3-1 oder 4-3-3 mit ausgewiesenen Flügelstürmern könnte Schwarz auf ein 4-4-2 mit Raute im Mittelfeld umstellen. Diese Variante gegen Eintracht Frankfurt erstmals in der Praxis zu erproben, wäre allerdings wohl ein bisschen sehr riskant.

Dass die Frankfurter zurecht zur erweiterten Spitzengruppe der Liga zählen, haben sie erst am vergangenen Wochenende gezeigt, als sie sich beim Rekordmeister Bayern München – nach 0:1-Rückstand zur Pause – einen Punkt erkämpften.

Von ihren jüngsten zwölf Pflichtspielen hat die Eintracht nur eins verloren, seit Ende Oktober ist die Mannschaft von Trainer Oliver Glasner ungeschlagen. Wie man die Frankfurter bespielen müsse, ist Sandro Schwarz am Donnerstag gefragt worden. „Bespielen halte ich für relativ schwierig“, hat er geantwortet. „Du musst sie bekämpfen.“

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