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Trauer statt Freude. Vor 20 Jahren verspielte Hertha BSC gegen Hannover 96 die Teilnahme an der Champions League.

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Gegen Hannover 96 im Olympiastadion: Als Hertha BSC den Einzug in die Champions League verspielte

Am letzten Spieltag der Saison trifft Hertha BSC auf Hannover 96. So wie vor 20 Jahren, als das Spiel ein Wendepunkt in der Vereinsgeschichte der Berliner hätte werden können.

Stand:

Als alles vorbei war, ist Dieter Hoeneß tanzen gegangen. Nicht, weil ihm nach Tanzen zumute war – ganz im Gegenteil –, sondern weil er es versprochen hatte. Sollte sich Hertha BSC in der Saison 2004/05, ein Jahr nach dem Fast-Abstieg aus der Fußball-Bundesliga, für den Europapokal qualifizieren, dann werde er, Hoeneß, den Brasilianer Marcelinho an einem Abend in sein Stammlokal begleiten. Und der Manager von Hertha BSC hielt Wort.

Hoeneß wagte sich sogar auf die Tanzfläche. „Man traut’s mir nicht zu, aber wenn’s sein muss, kriege ich auch einen Hüftschwung hin“, erzählt er. Überhaupt sei es ein netter Abend gewesen, im Kreise von Marcelinhos brasilianischer Community. „Marcelinho hat sich sehr viel Mühe gegeben“, sagt Hoeneß. „Er hat sich richtig gefreut und hat sogar selber ein bisschen gesungen.“

In rechter Feierstimmung aber war Hoeneß an jenem Abend im Mai 2005 nicht. Die Berliner waren zwar auf die europäische Bühne zurückgekehrt. Aber es war nur die kleinere Bühne namens Uefa-Cup. „Die Freude überwiegt, aber ich muss mich dazu zwingen“, sagte Trainer Falko Götz, der die Mannschaft vor der Saison von Retter Hans Meyer übernommen und nach Europa zurückgeführt hatte.

„Das war schon eine coole Saison. Das hat richtig Spaß gemacht“, erinnert sich Thorben Marx. „Auch mit Falko Götz hat es gepasst.“ Mit Marcelinho, der 18 Tore erzielt hatte, und den beiden Zugängen Gilberto und Yildiray Bastürk verfügte das Team über ein herausragendes Mittelfeld. Aber mit nur 31 Gegentoren stellte es auch die beste Defensive der Liga.

Hertha war die Überraschung der Spielzeit 2004/05. Kein anderes Team hatte in der Tabelle im Vergleich zum Vorjahr einen solchen Sprung gemacht. Trotzdem endete die Saison mit einer bitteren Enttäuschung. Die Chance, zum zweiten Mal nach 1999 in die Champions League einzuziehen, war für Hertha zum Greifen nah – und wurde auf fast schon dramatische Weise verspielt.

Ich habe in jenen Minuten die anderen getröstet, obwohl ich selber Trost gebraucht hätte.

Dieter Hoeneß, damals Manager von Hertha BSC, über das 0:0 gegen Hannover

Das alles geschah vor fast auf den Tag genau 20 Jahre. Und so wie auch jetzt wieder, so war auch vor 20 Jahren Hannover 96 am letzten Spieltag der Saison im Olympiastadion zu Gast.

Bei ihrem Aufeinandertreffen an diesem Sonntag (15.30 Uhr, live bei Sky) geht es für beide Mannschaften um nichts mehr. Hannover hat am vergangenen Wochenende die letzte Chance auf den Aufstieg aus der Zweiten in die Erste Liga verspielt. Hertha wiederum kann die Vorgabe von Trainer Stefan Leitl, die Saison mit drei Siegen zu beenden, seit der Niederlage in Münster vor einer Woche nicht mehr erfüllen.

Am 21. Mai 2005 sah das anders aus – zumindest für Hertha. Eine Woche zuvor hatte die Mannschaft durch ein 0:0 bei Borussia Mönchengladbach die Teilnahme am Uefa-Cup perfekt gemacht. Aber das sollte es noch nicht gewesen sein. Hertha wollte in die Champions League.

Vor dem letzten Spieltag lagen die Berliner auf Platz vier, der damals noch nicht zur Teilnahme an der Champions League berechtigte. Einen Rang müste die Mannschaft noch gut machen, also entweder den Tabellenzweiten Schalke 04 überholen oder den VfB Stuttgart, der einen Punkt Vorsprung hatte.

Zuversicht lag in der Berliner Luft

Herthas Manager Hoeneß gab sich vor dem Showdown zuversichtlich. Er sei sich sicher, dass Schalke beim bereits feststehenden Absteiger Freiburg oder Stuttgart gegen den neuen Meister Bayern München verlieren würden. Hertha selbst könnte dann mit einem Sieg im eigenen Stadion gegen Hannover den Einzug in die Champions League perfekt machen. Und wer wollte daran zweifeln, nach zuvor vier Heimsiegen am Stück?

Beten für ein Tor. Trainer Falko Götz (links) und Manager Dieter Hoeneß (rechts) während des Spiels gegen Hannover.

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Die Stimmung war jedenfalls erwartungsfroh, das Olympiastadion mit 75.000 Menschen ausverkauft, das Wetter prächtig. Nur Herthas Spiel war es nicht. „Hektisch bis verkrampft“ erlebte der Tagesspiegel die Berliner. „Die Mannschaft hat alles gegeben, aber über die Wahl der Mittel kann man sich streiten“, sagte Trainer Götz.

Dabei entwickelten sich die Dinge so, wie Manager Hoeneß es prophezeit hatte. Stuttgart lag gegen die Bayern hinten und verlor am Ende 1:3. Dank der besseren Tordifferenz überholte Hertha die Schwaben. Allerdings führte auch Werder Bremen, der Meister des Vorjahres, in Kaiserslautern und zog damit seinerseits an den Berliner vorbei.

Ein Tor, ein einziges Tor fehlte

Hertha benötigte ein Tor. Ein einziges Tor. Götz wechselte alle verfügbaren Offensivkräfte ein. Aber viele Chancen erspielten sich die Berliner nicht mehr. So blieb es beim 0:0. Hertha beendete die Saison als Tabellenvierter.

Dieter Hoeneß sagt am Telefon, dass er keine besonders rege Erinnerung mehr an das Spiel habe. Die sei „ein Stück weit verdrängt worden durch 2009“. Auch da war Hertha ganz nah dran, spielte bis kurz vor Saisonende sogar ernsthaft um die Meisterschaft mit. Aber auch da wurde Hertha Vierter und verpasste die Champions League – unter anderem deshalb, weil der Mannschaft in ihrem letzten Heimspiel (diesmal gegen Schalke) wieder kein Tor gelang. „Das war bitter“, sagt Hoeneß.

Kein Durchkommen für Hertha BSC und Marcelino (vorne). Die Berliner berannten vergeblich das Tor von Hannover 96.

© imago/Contrast

Vor zwanzig Jahren stellte Hertha zwei Spieltage vor Schluss die drittbeste Offensive der Liga – und ging dann sowohl gegen Gladbach als auch Hannover leer aus. Ein einziger Treffer in den beiden Spielen gegen den Tabellenfünfzehnten und gegen den Zehnten, und Hertha wäre in die Champions League eingezogen.

Nach dem 0:0 gegen Hannover flog glitzerndes Konfetti durchs Olympiastadion. Die Mannschaft versammelte sich vor der Ostkurve, um den Einzug in den Europapokal zu feiern. Aber in Wirklichkeit war es eine Trauerfeier. „Ich habe in jenen Minuten die anderen getröstet, obwohl ich selber Trost gebraucht hätte“, sagte Dieter Hoeneß später.

Dieses Spiel gegen Hannover hätte ein Wendepunkt in der Geschichte von Hertha BSC werden können, aber die Mannschaft hat damals eine wichtige Abfahrt verpasst. Der Einzug in die Champions League hätte eine garantierte Mehreinnahme von zehn Millionen Euro bedeutet – was seinerzeit noch eine ganz andere Größenordnung war als heute. „Es hätte alles leichter gemacht“, sagte Hoeneß.

Große Transfers wie im Jahr zuvor mit Bastürk und Gilberto waren nun nicht drin. Hertha gab für Neuverpflichtungen im Sommer 2005 nur kleines Geld aus. Marko Pantelic wurde für eine Viertelmillion Euro ausgeliehen; für Ellery Cairo überwiesen die Berliner 175.000 Euro an den SC Freiburg.

Über den rein finanziellen Gewinn hinaus aber hätte die Champions League mit Spielen gegen große Gegner das Interesse an Hertha noch einmal neu befeuern und dem Renommee des Klubs einen echten Boost verpassen können. Der Uefa-Cup hingegen lockte in Berlin erfahrungsgemäß niemanden hinter dem Ofen hervor. In den vier Heimspielen der Saison 2005/06 kamen 70.159 Zuschauer ins Olympiastadion – zu allen vier Heimspielen zusammen.

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