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Hassnachrichten gegen Sophia Havertz: Männer verschießen, Frauen müssen büßen
Sexismus ist im Fußball tief verankert. Das zeigen Fälle von Victoria Beckham bis Sophia Havertz. Dass häufig die Partnerinnen der Spieler angegriffen werden, liegt auch an den Strukturen.
Stand:
Es waren schockierende Nachrichten, die Sophia Havertz vor einigen Tagen öffentlich machte: In den sozialen Medien wurde ihr eine Fehlgeburt gewünscht und gedroht, ihr ungeborenes Kind umzubringen. Und das nur, weil ihr Ehemann Kai Havertz, der beim FC Arsenal unter Vertrag steht, im FA Cup einen Elfmeter verschossen hatte.
„Ich hoffe, ihr schämt euch wirklich. Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, schrieb Sophia Havertz auf Instagram, wo ihr über eine halbe Million Menschen folgen. Mittlerweile hat die britische Polizei Ermittlungen aufgenommen.
„Es erfordert viel Stärke, solche Angriffe öffentlich zu machen“, sagt Almut Sülzle, die seit vielen Jahren zu Sexismus im Sport forscht. „Aber es ist eine gute Möglichkeit, zur Veränderung beizutragen. Dadurch wird der Verein gezwungen, Position zu beziehen.“
Tatsächlich bezeichnete Arsenal-Trainer Mikel Arteta das Ganze als „unfassbar“ und ergänzte: „Wir müssen wirklich etwas dagegen unternehmen. Denn wenn wir so was einfach hinnehmen und unter den Tisch kehren, glaube ich, dass das schlimme Konsequenzen haben wird.“
Frauenfeindliche Kommentare nehmen zu
Almut Sülzle, die bei der Kompetenzgruppe Fankulturen und Sport bezogene soziale Arbeit (KoFaS) arbeitet und Teil des Projekts „Vielfalt im Stadion“ ist, sieht dahinter ein strukturelles Problem. Häufig würden Menschen sich auf Schwächere stürzen, um aus Hass zu beleidigen und zu diskriminieren. „In diesem Fall auf die schwangere Frau, die im Gegensatz zu ihrem Mann keinen großen Verein hinter sich hat. Je größer das Machtgefälle, desto eher wird es ausgenutzt.“
Eine Studie von „Das Nettz“ zeigt, dass frauenfeindliche Kommentare in den sozialen Medien insgesamt zugenommen haben und der Anteil an gewaltsamen Fantasien gegen Frauen groß ist.
Sie wird nicht als eigenständiger Mensch gesehen, sondern eher als Ergänzung zu ihrem Mann.
Almut Sülzle über das Klischee der Spielerfrau
Doch noch etwas anderes kommt Sülzle zufolge dazu: „In der rechten, patriarchalen Gedankenwelt greift man den Mann über seine Frau an. Der Hass richtet sich zwar gegen den Fußballer, aber er trifft ihn vermeintlich noch härter, wenn er sich gegen seine Partnerin richtet. Wenn er es nicht schafft, sie zu schützen, gilt er als Verlierer, so der Gedanke dahinter.“
Beckham und Müller machen ähnliche Erfahrungen
Sophia Havertz ist bei weitem nicht die einzige, die Anfeindungen ausgesetzt ist. Schon Designerin Victoria Beckham berichtete, wie Boulevardmedien und User in den sozialen Medien über ihr Aussehen und ihre Essgewohnheiten herzogen. „Ich war immer die Böse in dieser Story“, sagt sie in der Netflix-Doku „Beckham“. Als ihr Mann David Beckham bei der WM 1998 eine Rote Karte kassierte, erhielt sie sogar Morddrohungen.

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Reiterin Lisa Müller, verheiratet mit Nationalspieler Thomas Müller, war diffamierenden Kommentaren zu ihrem Körper ausgesetzt, als sie ein Bild von sich im Bikini postete.
Das Klischee der „Spielerfrau“
Nur allzu oft werden Frauen wie sie unter dem Begriff „Spielerfrau“ zusammengefasst, so auch in der Berichterstattung zu Havertz. Dahinter stecke ein sexistisches Klischee, so Sülzle, schließlich spreche umgekehrt niemand von „Spielerinmann“.
„Ein Fußballer wird in diesem Klischee am Aussehen seiner Partnerin bemessen. Ob sie selbst berufstätig ist, interessiert nicht. Sie wird nicht als eigenständiger Mensch gesehen, sondern eher als Ergänzung zu ihrem Mann.“
Die Art und Weise, wie über Frauen im Männerfußball gesprochen wird, hängt auch mit den Anfeindungen gegen sie zusammen. „Solange der Begriff Spielerfrau verwendet wird und Frauen auf sexistische Weise inszeniert werden, wird auch der Rahmen aufrechterhalten, der Hass und Angriffe ermöglicht“, meint Sülzle.
Obwohl sexistische Beleidigungen im Fußball am häufigsten vorkommen, erhalte das Thema längst nicht so viel Aufmerksamkeit, wie in anderen Teilen der Gesellschaft. Die Vereine sollten nach außen Stellung beziehen, wie sie es beispielsweise beim Thema Rassismus bereits tun, meint Sülzle. Sie sollten sich aber auch intern intensiv mit dem Thema auseinandersetzen. Wie dringend notwendig das ist, zeigen die Hassnachrichten an Sophia Havertz.
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