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Blick nach unten. Cristian Fiél kassierte am Samstagabend gegen den 1. FC Kaiserslautern die nächste Niederlage.

© imago/Contrast/IMAGO/O.Behrendt

Hertha BSC in der Krise: Trainer Cristian Fiél gerät immer stärker in die Kritik

Wieder kein Tor, wieder verloren. Trainer Cristian Fiél hat bei Hertha BSC immer weniger Argumente auf seiner Seite. Die sportliche Führung aber will weiter an ihn glauben.

Stand:

Resignation traf es am besten. Nicht Wut, nicht Empörung. Resignation.

Als das Spiel gegen den 1. FC Kaiserslautern am Samstagabend abgepfiffen wurde, als damit für Hertha BSC die dritte Niederlage nacheinander und die siebte im zehnten Heimspiel dieser Saison besiegelt war, da blieb es im Olympiastadion bemerkenswert still.

Einzelne Pfiffe waren zu hören, aber keine wutschnaubende Kulisse. Fast so, als wäre das Publikum inzwischen ähnlich ermattet, wie es die Mannschaft nach 96 Minuten intensiven Kampfes gegen Lautern war.

„Von der Einstellung kann man der Mannschaft keinen großen Vorwurf machen“, sagte Marius Gersbeck, der Torhüter des Berliner Fußball-Zweitligisten, nach der 0:1-Niederlage gegen den 1. FC Kaiserslautern. Anders als noch in der Woche zuvor, als Hertha beim Tabellenletzten Jahn Regensburg einen indiskutablen Auftritt hingelegt hatte. Diese Nullleistung, so Fabian Reese, wäre aber auch nur schwer zu unterbieten gewesen.

Die Mannschaft zeigte gegen den FCK, der in dieser Spielzeit – anders als Hertha – ernsthaft um den Aufstieg mitspielt, eine deutliche Reaktion auf die Blamage von Regensburg. Das Ergebnis aber war das gleiche: kein Tor, die nächste Niederlage. Das wirft natürlich grundsätzliche Fragen auf.

Es geht um Details. Wann spielst du den Ball, damit der Abschlussspieler wirklich frei ist? Wo spielst du den Ball hin? Hast du die nötige Überzeugung?

Fabian Reese über die Mängel in Herthas Offensivspiel

Fragen nach der Aufstellung des gesamten Klubs, nach Hertha kurz- und mittelfristiger Zukunft – vor allem aber Fragen nach dem Trainer. Cristian Fiél, erst vor der Saison für immerhin rund eine halbe Million Euro vom 1. FC Nürnberg verpflichtet, gerät zunehmend in die Kritik.

Nach dem Spiel in Regensburg hatte Sportdirektor Benjamin Weber ihm ostentativ den Rücken gestärkt. Dass er nun nur eine Niederlage später nicht gleich entlassen wird, ist daher nur folgerichtig. Grundsätzlich glaubt die sportliche Führung an den Trainer. Oder will an ihn glauben. Fiél war immerhin die teuerste Verpflichtung des klammen Klubs in dieser Saison – teurer als jeder Spieler, den Hertha geholt hat.

„Der Trainer ist jede Woche für uns da“, sagte Torhüter Gersbeck, der von Fiél vor einer Woche zur neuen Nummer eins befördert worden war. „Wir versuchen es zurückzuzahlen.“ Aber weil der Mannschaft das zunehmend seltener gelingt und weil Fiél die periodisch auftretenden Defizite seines Teams inzwischen nicht mehr schlüssig erklären kann, sondern eher ratlos wirkt, gerät er immer stärker in den Fokus.

Hängende Köpfe. Fabian Reese (rechts) und Marten Winkler.

© imago/Beautiful Sports/IMAGO/BEAUTIFUL SPORTS/Franke

„Das ist eine grundsätzliche Frage, die uns überhaupt nichts anzugehen hat beziehungsweise wo wir keine Entscheidungsgewalt mithaben“, erklärte Fabian Reese zur Debatte um den Trainer. „Das ist die sportliche Führung, die das zu entscheiden hat. Ich kann nur sagen, dass wir jeden Tag alles geben.“

Vorne ist Hertha zu harmlos

Fiél war im Sommer mit der klaren Maßgabe verpflichtet worden, der Mannschaft ein neues fußballerisches Design zu verpassen. Mutig, dominant und offensiv sollte Hertha fortan auftreten. Fiél hat eine klare Vorstellung, wie seine Mannschaft spielen soll. Es ist die Mannschaft, die diese Idee bisher nicht umsetzen kann. Und trotzdem fällt es in letzter Instanz auf den Trainer zurück.

Der Auftritt gegen Kaiserslautern war geradezu prototypisch. „Mit der Art und Weise kann ich leben“, sagte Fiél. „Aber wir schaffen’s einfach nicht, dieses Tor zu erzwingen.“ Seine Mannschaft hatte mehr Ballbesitz als der Aufstiegsanwärter, das Geschehen spielte sich vornehmlich in dessen Hälfte ab. Die Gefahr für den FCK aber blieb überschaubar. Vorne ist Hertha zu harmlos, und hinten macht sie immer den einen entscheidenden individuellen Fehler zu viel.

Wir nehmen uns viel vor, aber es gelingt nicht so viel.

Fabian Reese

Wieder einmal hatten die Berliner erkennbare Mängel beim Übergang ins letzte Drittel – dorthin also, wo es interessant wird. „Da geht’s um Details“, sagte Fabian Reese, der erstmals in dieser Saison in der Startelf stand. „Wann spielst du den Ball, damit der Abschlussspieler wirklich frei ist? Wo spielst du den Ball hin? Hast du die nötige Überzeugung?“

Reese, der nach seiner langen Verletzungspause erst zwei Teilzeiteinsätze bestritten hatte, sollte eigentlich nur 60 Minuten auf dem Feld bleiben. Aber Fiél konnte es sich gar nicht erlauben, ihn vorzeitig vom Platz zu nehmen.

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von zehn Heimspielen hat Hertha in dieser Saison verloren.

Von Reese ging Herthas sämtliche Gefahr in der Offensive aus. Aber es waren eben keine klaren Chancen, die sich die Mannschaft erspielte; es waren Schüsse aus dem Halbraum, die Kaiserslauterns Torhüter Julian Krahl vor keine ernsthaften Probleme stellten.

Jeder spielt für sich allein

„Wir nehmen uns so viel vor, aber es gelingt uns nicht so viel“, sagte Reese. Vor allem in der Offensive nicht. Vor einem Jahr, unter Fiéls Vorgänger Pal Dardai, hatte die Mannschaft zum gleichen Zeitpunkt der Saison bereits acht Tore mehr erzielt.

Herthas Offensivspiel wirkt insgesamt zu wenig abgestimmt. Jeder kämpft für sich alleine. Derry Scherhant, der in Reeses Abwesenheit auf der Linksaußenposition einen ordentlichen Entwicklungssprung gemacht hat, musste diesmal als Mittelstürmer ran, interpretierte die Rolle aber, nun ja, sehr eigenwillig. Er war überall zu finden, aber nur selten dort, wo ein Mittelstürmer zu finden sein sollte.

Von Scherhant heißt es bei Hertha: „Der kann die Position auch spielen.“ Den Beleg für diese Behauptung ist er bisher weitgehend schuldig geblieben. Dass Fiél ihm gegen Kaiserslautern trotzdem den Vorzug vor allen anderen Kandidaten gab, zeigt das ganze Dilemma.

In den jüngsten drei Spielen, die alle verloren gegangen sind, hat es Fiél mit drei verschiedenen Mittelstürmern versucht: mit Florian Niederlechner, mit Smail Prevljak und eben mit Scherhant. Luca Schuler hingegen, den Hertha im Sommer als potenziellen Ersatz für Haris Tabakovic verpflichtet hat, kommt nur noch minutenweise zum Einsatz.

Trotzdem hat der Klub im Winter sehenden Auges darauf verzichtet, eine Verstärkung für diese Position zu verpflichten. Diese Entscheidung hat übrigens nicht Cristian Fiél zu verantworten.

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