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Erfolgstrainer zieht in den Krieg gegen Russland: „Ich hab viele starke Männer gesehen, die die Ukraine verlassen haben“
Yuriy Vernydub verteidigt lieber die Ukraine, als weiter seinem Trainerjob nachzugehen. Die vielbeschworene Widerstandskraft seiner Landsleute zweifelt er an.
Stand:
Vermutlich hat Yuriy Vernydub mitbekommen, dass am Donnerstag ein Kollege von ihm, ein Jugendtrainer des ukrainischen Spitzenklubs Schachtjor Donezk, durch die Splitter einer Granate ums Leben gekommen ist. Und vermutlich wird es Vernydub nur bestärkt haben in seiner Entscheidung, seinen Job als Fußballtrainer bei Sheriff Tiraspol aus Moldau erst einmal aufzugeben, um in den Krieg zu ziehen. Wie es dem 56-Jährigen derzeit geht, war am Freitag von seinem Klub nicht zu erfahren. Auf eine Anfrage reagierte der Verein aus Transnistrien nicht. Das Medieninteresse dürfte immens sein.
Zumal Vernydub nicht irgendein Trainer ist. Der Ukrainer gilt als Meister seines Faches, als der David unter den Fußballtrainern, der mit dem Klub aus Moldau vor einem halben Jahr den Fußball-Goliath Real Madrid besiegte. Am vergangenen Donnerstag scheiterte Vernydub in der Europa League mit seinem Team denkbar knapp nach Elfmeterschießen am portugiesischen Vertreter Sporting Braga.
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Doch Vernydub war schon in den Tagen vor dem Spiel gegen Braga nicht mehr ganz bei der Sache. Das gestand er einem Reporter der BBC. Seine Spieler seien zu ihm gekommen und hätten gefragt, warum er immer so traurig dreinschauen würde. „Ich habe immer behauptet, dass mit mir alles okay sei“, sagte er.
Aber nichts war okay. Am Donnerstag der vergangenen Woche, am Tag des Spiels gegen Braga, bekam Vernydub in den frühen Morgenstunden einen Anruf von seinem Sohn aus der Ukraine, der ihm von dem Angriff der Russen erzählte. „Ich wusste sofort, dass ich zurück in die Ukraine fliegen würde, um zu kämpfen“, sagte Vernydub dem britischen Sender.
Am vergangenen Samstag machte er sich auf den Weg. Von Tiraspol aus reiste er über Odessa und Krywyj Rihon zu seinem Zielort Saporischschja. Es sei nicht besonders schwer gewesen, dort anzureisen. Er wolle keine Ammenmärchen erzählen über die Widerstandsfähigkeit der Ukrainer. Aber als er in sein Heimatland zurückgekehrt sei, habe er viele starke Männer gesehen, die die Ukraine verlassen hätten. „Ich kann verstehen, wenn sie mit ihren Familien nach Moldau, Rumänien oder sonstwo flüchten. Aber sollten sie nach Hause zurückkommen, wäre ich glücklich.“
„Wir sind jederzeit bereit auszurücken. Wo immer sie uns hinschicken“
Vernydub denkt jedenfalls nicht daran, von seinen Entschluss, in den Krieg zu ziehen, abzurücken. Dabei hätten sie alle auf ihn eingeredet. Natürlich vor allem seine Familie. Sie scheiterten an seiner Dickköpfigkeit. „Meine Frau kennt meinen Charakter. Wenn ich eine Entscheidung getroffen habe, bleibe ich dabei.“
Bereits an diesem Montag veröffentlichte das ukrainische Sportmedium „Zorya Londonsk“ auf Twitter ein Foto, das Vernydub mit zwei anderen Mitstreitern in Militäruniform zeigt. Vernydub bildet mit seinen Fingern das Friedenszeichen. Welche Rolle er bei den ukrainischen Verteidigungsstreitkräften genau spielt, könne er nicht verraten. Aber er sei in alles instruiert worden. „Wir sind jederzeit bereit auszurücken. Wo immer sie uns hinschicken“, sagte der Trainer, dessen Dienst an der Waffe schon sehr lange zurückliegt. In jungen Jahren sei er bei der Armee gewesen, berichtete er der BBC. Doch er wisse noch immer, wie man eine Waffe benutze. „Ich bin dazu immer bereit. Jederzeit“, gibt er sich kämpferisch.
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Dass sich sein Verein Sheriff Tiraspol am Freitag und auch in den Tagen zuvor nicht groß zu dem aufopferungsvoll kämpfenden Trainer äußern möchte, dürfte auch mit seinem vermögenden Mäzen Victor Gusan zusammenhängen. Der ehemalige sowjetische Geheimdienstler unterhält enge Geschäftsbeziehungen mit Russland. Sheriff heißt sein Unternehmen, und der Fußballklub Sheriff gilt als sein Lieblingsspielzeug.
Gusan wird es sich in diesen Tagen kaum leisten können, einen zur aktiven Verteidigung gegen Russland aufrufenden Mitarbeiter in seinen Reihen zu haben – zumal auch noch ein leitender Angestellter. Von daher scheint mehr als fraglich, ob der Erfolgstrainer sein Engagement bei Sheriff fortsetzen kann – respektive will. Denn natürlich kennt auch Vernydub die enge Verbindung seines Klubs mit Russland.
Doch für den Trainerberuf hat er in diesen Tagen ohnehin keinen Kopf. Er sagt: „Frieden wird nur einziehen, wenn wir diesen Kampf gewinnen. Wir werden nicht aufgeben.“
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