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Niklas Levinsohn von Calcio Berlin.

© Calcio Berlin

„Ich kann dem Verein Hertha BSC viel abgewinnen“: Am Samstag spielen die Berliner auf dem Betzenberg

Niklas Levinsohn von Calcio Berlin ist Fan des 1. FC Kaiserslautern. Im Interview spricht er über das Spiel gegen Hertha BSC, seine Sympathie für die Berliner und deren Aufstiegschancen.

Stand:

Herr Levinsohn, haben Sie schon Angst vor Samstagabend?
Überhaupt nicht. Es ist natürlich ein positives Momentum, das Hertha gerade mitbringt. Aber das Momentum wird aus meiner Sicht stark von der individuellen Qualität getragen. Deshalb wird am Samstag vieles davon abhängen, ob Herthas Spieler diese Qualität wieder so abrufen können, wie sie es zuletzt getan haben.

Was lässt Sie, als Fan des 1. FC Kaiserslautern hoffen, dass den Berlinern das auf dem Betzenberg nicht gelingen wird?
Torsten Lieberknecht zählt in der Zweiten Liga ganz sicher nicht zu den besten Trainern für das Spiel mit dem Ball. Aber er ist ein guter Verhinderer und Kaputtmacher. Das sind die Qualitäten, auf die ich auch gegen Hertha setze.

Aktuell sind die Berliner hinter dem Tabellenführer SC Paderborn das formstärkste Team der Liga.
Was gerade passiert, ist eine Angleichung an das, was alle vor der Saison erwartet hatten. Für die meisten Leute war klar, dass Hertha ein Aufstiegsfavorit ist. Dass sich die Mannschaft jetzt langsam Richtung oberes Tabellendrittel bewegt, ist der Normalzustand und eigentlich nur das Mindeste, was man erwarten darf.

Wieso?
Hertha hat einfach den individuell am stärksten besetzten Kader der Zweiten Liga. Das muss sich natürlich früher oder später in Ergebnissen manifestieren. Wäre das nicht so, dann würde Stefan Leitl jetzt wahrscheinlich nicht mehr als Trainer an der Seitenlinie stehen.

Hertha hat den individuell am stärksten besetzten Kader der Zweiten Liga.

Niklas Levinsohn

Leitl hat vor kurzem einen sehr schönen Satz gesagt: „Es muss irgendwann eine gewisse Normalität einkehren, Spiele zu gewinnen.“ Ist diese Normalität aus Ihrer Sicht schon eingekehrt?
Hertha ist auf dem Weg dahin, aber als Normalität fühlt sich das für mich noch nicht an. Sonst hätte es ja vorige Woche nicht diesen Aha- oder Wow-Moment gegeben, als man das Ergebnis im DFB-Pokal gesehen hat: Hertha hat 3:0 gegen Elversberg gewonnen, eines der stärksten Teams der Zweiten Liga? Okay, das ist dann doch überraschend. Dass man noch überrascht ist von einem Hertha-Sieg, spricht zumindest nicht dafür, dass Siegen schon Normalität geworden ist.

Wer jubelt am Samstagabend auf dem Betzenberg, wenn Hertha BSC beim 1. FC Kaiserslautern antritt.

© imago/Eibner/IMAGO/Eibner-Pressefoto/Memmler

Aus Ihrer Sicht als FCK-Fan: Wo ist Hertha verwundbar?
Es ist weiterhin der größte Gefallen, den du ihnen tun kannst, wenn du gegen sie versuchst, offen mitzuspielen. Am schwersten machst du es ihnen, wenn du kompakt verteidigst, in einem gut organisierten Block stehst und darauf setzt, deine Umschaltmomente auszuspielen.

Mit Ball ist die Doppelsechs mit Diego Demme und Paul Seguin qualitativ schon sehr hochwertig. Aber wenn du vorige Woche im Spiel gegen Dresden gesehen hast, wie sie ihre alten Körper in der Rückwärtsbewegung Richtung Strafraum schleppen, dann sind das schon zwei Jungs, denen man weglaufen kann. Und Toni Leistner …

… Herthas Innenverteidiger …
… steht auch nicht im Verdacht, der Schnellste zu sein. Diese Tempodefizite musst du ausnutzen. Es gibt Möglichkeiten, Hertha weh zu tun, wenn man die Räume bespielen kann, die sich hinter der Abwehr öffnen. Der beste Matchplan gegen sie ist, sie kommen zu lassen, weil bei ihnen auch im Offensivdrittel gewisse Schwächen sichtbar werden und weil du selbst Möglichkeiten bekommst, wenn du übers Umschalten zuschlägst.

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Punkte und zwei Plätze liegt Hertha nach dem elften Spieltag hinter Lautern

Für wie gut halten Sie Hertha mit dem Ball?
Ich finde, dass der Spielaufbau in der Frühphase ganz gefällig aussieht, dass Hertha Mittel hat, von hinten rauszuspielen. Das liegt daran, dass sie gute Passspieler und eine gute Spieleröffnung haben.

Zudem hast du Deyovaisio Zeefuik, der sich zwar regelmäßig darum bewirbt, der – in Anführungszeichen – dümmste Spieler der Zweiten Liga zu sein. Aber Zeefuik ist eben auch brutal gut als Ballschlepper. Er sagt einfach: Okay, ich ziehe jetzt mal an und heble das Pressing des Gegners ganz alleine aus. Das kann er echt sehr gut.

Michael Cuisance im Mittelfeld hat eine große Qualität, wenn er sich fallen lässt, Bälle tief abholt und aufdrehen kann. Michal Karbownik ist ein technisch guter Spieler, Fabian Reese sowieso. Ich finde das technisch fußballerische Grundniveau der potenziellen Startelf schon sehr gut.

Der offensive Output ist nach wie vor ein Thema, an dem es bei Hertha krankt.

Niklas Levinsohn

Sie haben Hertha vor der Saison auf Platz eins getippt.
Ich bin dreimal gebeten worden, eine Saisonprognose abzugeben. Beim ersten Mal kam das komplett aus der kalten Hose. Da habe ich Hertha ganz nach oben gepackt. Beim zweiten Mal waren sie bei mir auch noch in den Aufstiegsplätzen. Aber bei der letzten Prognose, die wir hausintern bei Calcio Berlin gemacht haben und an der ich mich messen lasse, hat es Hertha nicht mehr unter die Top drei geschafft.

Warum nicht?
Kann sein, dass das auch was mit Querulantentum zu tun hatte und ich mich ein bisschen gegen die Mehrheitsmeinung stellen wollte. Denn Hertha unter die ersten drei zu tippen ist alles andere als abwegig gewesen. Aber ehrlicherweise habe ich auch eine Grundskepsis gegenüber Stefan Leitl.

Worin liegt die begründet?
Hertha hatte schon vor Leitl ein Problem mit dem Toreschießen – und holt denn einen Trainer, der bei Hannover vor allem ein Problem mit dem Torerschießen hatte. Der offensive Output ist nach wie vor ein Thema, an dem es bei Hertha krankt.

Langsam wird es besser. Aber liegt das daran, dass Stefan Leitl eine bessere Arbeit macht? Oder hat Hertha einfach im Vergleich zur Konkurrenz überdurchschnittlich gute Fußballspieler in der Offensive? Die Frage kann ich immer noch nicht beantworten.

Michael Cuisance (hinten) und Marlon Ritter könnten auch am Samstag wieder aufeinandertreffen.

© imago/Werner Schmitt/IMAGO/wolfstone-photo

Was vor der Saison für Hertha sprach: Ohne die beiden Aufsteiger Hamburger SV und 1. FC Köln schien die Liga nicht mehr so stark zu sein wie in der vergangenen Spielzeit. Aber stimmt das überhaupt?
Das ist eine gute Frage. Ich finde schon, dass die Liga relativ schwach ist, was die spielerische Qualität der Mannschaften angeht. Die Schalker in allen Ehren. Aber dass deren Konzept gegen den Ball bisher so gut funktioniert, liegt auch daran, dass es wenige Mannschaften gibt, die mit Ball das relativ riskante hohe Anlaufen der Schalker zu bestrafen wissen.

Trotzdem: Aktuell haben sechs Mannschaften der Zweiten Liga einen höheren Punkteschnitt als die Kölner am Ende der vergangenen Saison, in der sie als Meister in die Bundesliga aufgestiegen ist.
Ich bin zu schlecht in Mathe, um daraus abzuleiten, was das konkret bedeutet. Heißt das zwingend, dass das Gesamtniveau besser ist? Oder spricht das nicht sogar für ein insgesamt schwächeres Niveau? Das, was ich bis jetzt von der Zweiten Liga gesehen habe, ist – so lala.

Einer der sechs Klubs mit einem besseren Punkteschnitt als Köln in der vergangenen Saison ist der 1. FC Kaiserslautern als Tabellensechster.
Das ist gut. Und auch besser, als ich zwischenzeitlich erwartet hatte. Was beim FCK gut klappt, ist das Flügelspiel. Über die Schiene zu kommen ist aktuell die größte Stärke. Lieberknecht hat eine funktionierende Mannschaft auf die Beine gestellt. Was sie spielt, ist kein Hexenwerk. Aber was sie macht, macht sie gut. Ich weiß nicht, ob das am Ende für ganz oben reicht. Ich persönlich glaube das nicht, aber es ist auf jeden Fall ein solides Fundament.

Ich gönne Hertha den Aufstieg. Natürlich nicht auf Kosten des FCK. Aber grundsätzlich wünsche ich mir, dass Hertha in der Bundesliga spielt.

Niklas Levinsohn

Wie groß ist die Sehnsucht nach der Bundesliga im Umfeld des Klubs und bei den Fans?
Bei Vereinen wie Schalke, Köln oder auch Kaiserslautern gibt es ja den Verdacht, sie müssten nur ein Spiel gewinnen, und schon träumen ihre Fans von Europa. Oft habe ich das Gefühl, dass das eher von außen reingetragen wird.

Ich bin weit weg von Kaiserslautern, aber das, was ich mitkriege, in der Regel über Social Media, spricht nicht dafür, dass es eine konkrete Aufstiegsambition oder sogar einen Aufstiegsdruck gibt. Das wäre auch ein bisschen übertrieben.

Denn so lange ist die Saison mit Dimitrios Grammozis und Friedhelm Funkel als Retter noch nicht her. Da musste der FCK froh sein, dass er in der Zweiten Liga geblieben ist. Mir zumindest würde deswegen ein Etablieren in der oberen Tabellenhälfte schon reichen. Erst einmal.

Ist die Partie am Samstag trotzdem eine Schlüsselpartie für den weiteren Saisonverlauf?
Das kann man wahrscheinlich schon so lesen. Wie viele Punkte liegt Lautern vor Hertha?

Drei.
Dann ist das Spiel möglicherweise für beide Mannschaften wegweisend. Es entscheidet, in welche Richtung es konkret geht, zumindest bis zum Winter. Um noch mal auf das Thema Aufstieg zurückzukommen. Anders als die Fans scheinen die Verantwortlichen beim FCK schon den akuten Wunsch zu haben aufzusteigen – auch wenn sie es nicht ganz so offen sagen würden.

Man muss sich nur anschauen, wie der Kader im Sommer verstärkt worden ist. Mahir Emreli vom 1. FC Nürnberg, Ivan Prtajin von Union Berlin oder Semir Sahin aus Elversberg: Das sind keine 19- oder 20-Jährigen, die Zeit kriegen zu reifen. Das sind Spieler im besten Fußballeralter, mit denen du im Hier und Jetzt Erfolg haben willst.

Die Art und Weise, wie der FCK den Kader zusammengestellt hat, würde ich daher schon als Indiz deuten, dass die Verantwortlichen zumindest die Idee haben, dass es relativ schnell nach oben gehen soll.

Sie sind Lautern-Fan im Berliner Exil. Wie groß ist Ihre Nähe zu Hertha BSC?
Boah, das ist ein ganz schwieriges Thema. Ich mag den Verein, ich finde ihn charmant. Leute mögen generell die Geschichte von jemandem, der gefallen ist und dann geläutert wieder aufsteht. Ich offensichtlich auch.

Ich gehe super gern zu Hertha ins Stadion, und das nicht nur, weil es viel leichter ist, an Karten zu kommen als bei Union. Ich kann dem Verein viel abgewinnen. Das geht sogar so weit, dass ich sage: Wenn mein eigener Sohn irgendwann mal Interesse für Fußball haben sollte, wünsche ich ihm fast, dass er mit Hertha etwas anfangen kann. Ich finde es total toll, wenn du Fan eines Vereins bist, der greifbar und für dich erlebbar ist. Es gibt nur ein Problem.

Die Stimmung bei Hertha ist super. Die Ostkurve ist richtig, richtig stabil.

Niklas Levinsohn

Nämlich?
Dass Hertha diese vermaledeite Fanfreundschaft mit dem KSC hat. Das führt dazu, dass Spiele zwischen Lautern und Hertha immer so ein kleiner Stellvertreterkrieg sind und dass auch Hertha wie Karlsruhe nicht gut auf den FCK zu sprechen ist. Meine Sympathien für Hertha sind bei den Partien gegen Lautern immer auf dem Tiefpunkt. Da sage ich: Auf gar keinen Fall Hertha. Aber danach geht es eigentlich immer relativ schnell wieder, weil ich den Verein eigentlich gerne mag.

Gehen Sie auch zu Hertha ins Olympiastadion, wenn der Gegner nicht Kaiserslautern heißt?
Ich bin im Jahr bestimmt bei vier, fünf Heimspielen. Ich würde sogar sagen: Hertha ist mit Abstand die Mannschaft, die ich in den letzten Jahren am meisten live habe spielen sehen. Ich gehe – wenn das Wetter passt – sogar zu Hertha gegen Paderborn ins Olympiastadion. Es muss kein Highlight-Spiel sein, da breche ich mir keinen Zacken aus der Krone. Ich mag einfach das Gesamterlebnis. Das holt mich ab.

Haben Sie einen festen Platz im Olympiastadion?
Ich möchte eine gute Sicht aufs Feld haben. Deshalb sitzen wir meistens rechts von der Pressetribüne.

Also gar nicht so weit von der Ostkurve entfernt.
Ich habe Freunde, mit denen ich ins Stadion gehe, die auch das Hertha-Gewand überstülpen und „Nur nach Hause“ mitsingen. So weit bin ich noch nicht. Aber wenn ich da bin und die nicht gegen Lautern spielen, halte ich zu Hertha und freue mich, wenn sie gewinnen.

Ich gönne Hertha auch den Aufstieg. Das soll natürlich nicht auf Kosten des FCK gehen. Aber ganz grundsätzlich wünsche ich mir, dass Hertha in der Bundesliga spielt – auch weil das meine Chance auf ein paar noch attraktivere Paarungen hier in Berlin erhöht. Mal gucken, was die Saison noch hergibt.

Hat sich Ihr Blick auf Hertha verändert, seitdem Sie in Berlin leben?
Auf jeden Fall. Mein Blick auf den Verein Hertha BSC hat sich definitiv zum Positiven gewandelt. Bevor ich nach Berlin gekommen bin, habe ich Hertha als graue Maus wahrgenommen, als langweiligen Verein, der sich auch ein bisschen retortenhaft angefühlt hat.

Wenn du als Kind oder Jugendlicher Spiele von Hertha im Fernsehen gesehen hast, war das Stadion halt öfter mal nur halb voll. Damals habe ich noch nicht begriffen, wie anspruchsvoll es ist, eine 74.000er-Schüssel Woche für Woche vollzumachen.

Trotzdem ist die Stimmung bei Hertha super. Die Ostkurve ist richtig, richtig stabil. Die brennt ordentlich einen ab. Es geht halt nur ein bisschen unter, weil die Rahmenbedingungen im Olympiastadion einfach schwierig sind.

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