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Jule Brand

© imago/Laci Perenyi/imago/Laci Perenyi

Plötzlich „Golden Girl“: Wie sich das Leben von Nationalspielerin Jule Brand dramatisch veränderte

Mit 19 Jahren stand Jule Brand auf einmal im Rampenlicht. Mit der neuen Aufmerksamkeit musste sie erst einmal lernen umzugehen. Das sei nicht immer leicht, erzählt sie vor der EM.

Stand:

„Das ist Wahnsinn“, grölten die deutschen Fußballnationalspielerinnen, während sie Polonaise durch das Trainingscamp in Herzogenaurach tanzten. Dort war zu Beginn der Woche Schlagersänger Wolfgang Petry zu Besuch, der einen Hit nach dem anderen zum Besten gab, während die Spielerinnen und das Trainerteam feierten.

Wahnsinnig gut wäre die Stimmung aber wohl auch ohne den Ehrengast gewesen, das Team wirkt insgesamt harmonisch und ausgelassen.

So soll es auch am Freitag werden, wenn das zweite Trainingslager vor dem Start der Europameisterschaft am 2. Juli beginnt. Mit dabei sein wird dann auch wieder Mittelfeldspielerin Jule Brand, die bei der letzten EM 2022 in England noch als Küken galt, aber längst zu den großen Stars des Nationalteams gehört. Beim Auftritt von Petry tanzte auch sie ausgelassen und hatte sichtlich Spaß.

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Ihren ersten ganz großen Auftritt erhielt die damals 19-Jährige ausgerechnet im EM-Finale gegen England im Wembleystadion vor 90.000 Zuschauenden. Sie sollte die an Corona erkrankte Klara Bühl ersetzen. „Ich war in meinem Leben noch nie so nervös wie in dem Moment, als ich in dem Tunnel stand“, sagt Brand rückblickend. „Die ganze Stimmung war sehr krass. Ich wünschte, ich hätte sie mehr genießen können. Dass wir am Ende verloren haben, tat noch sehr lange weh.“

Doch Brand wuchs an der Herausforderung und entwickelte sich rasch zu einem Publikumsliebling. Nach der EM folgten ihr in den sozialen Medien über 100.000 Menschen mehr, sie wurde außerdem von der italienischen Zeitung „Tuttosport“ als „Golden Girl“ ausgezeichnet, also als beste U-21-Spielerin Europas. Obendrauf wechselte sie von der TSG Hoffenheim zum VfL Wolfsburg.

Mit der Auszeichnung wuchsen die Erwartungen

Mit den neuen Erwartungen an sie und dem wachsenden Druck musste Brand erst einmal lernen umzugehen. Gegenüber der „Wolfsburger Allgemeinen Zeitung“ erzählte sie einmal, dass sie in Hoffenheim, mit gerade einmal 17 Jahren, „völlig befreit gespielt“ und sich wenige Gedanken gemacht habe. Doch das änderte sich nach der „Golden Girl“-Auszeichnung: Sie habe „gemerkt, dass ich was zu verlieren habe – und dass es eine Erwartungshaltung an mich gibt.“

Hinzu kamen kritische Stimmen von ganz oben, die zusätzliche Selbstzweifel weckten und den Druck weiter erhöhten. „Jule hat keine Konstanz in ihren Leistungen“, sagte der Sportdirektor Frauenfußball des VfL Wolfsburg Ralf Kellermann 2023. Wenig später schied Brand überdies mit dem Nationalteam auch noch in der Gruppenphase der WM in Australien und Neuseeland aus. „Die WM war nicht gut. Aber blickt man zurück, dann merkt man, dass schlechte Phasen auch helfen können“, sagt sie heute.

Jule Brand in Herzogenaurach

© imago/Beautiful Sports/Bosco

Um sich besser von dem äußeren Druck abzugrenzen, ergriff Brand einige Maßnahmen. Bis heute tauscht sie sich mit Psychologen über Themen wie Leistungsdruck und Erwartungen aus. „Ich habe Leute, die mir helfen“, sagt sie. „Und ich lese mir keine Kommentare oder Medien durch. Das sind Sachen, die mich ablenken. Ich versuche bei mir zu bleiben und nur an mich zu denken.“

Ich bin neben dem Platz nicht die Lauteste, die alles regelt.

Jule Brand

Mit Erfolg: Unter Interims-Bundestrainer Horst Hrubesch, der ihr das nötige Vertrauen schenkte, wuchs ihr Selbstbewusstsein und sie konnte endlich wieder befreit auftreten. Sie knüpfte an alte Leistungen an und zeigte ihre großen Stärken wie mutige Dribblings in der Offensive und ihr beeindruckendes Tempo mit Ball.

Mit dem Nationalteam holte sie im vergangenen Jahr sogar Bronze bei den Olympischen Spielen. „Man dachte nicht, dass wir es schaffen und eine Medaille mitnehmen können“, sagt Brand. Aber die Mentalität ihres Teams habe sich positiv verändert, der Zusammenhalt sei gewachsen. „Jeder rennt für jeden. Wir sind in einen Flow gekommen, das war wichtig.“

In einen Flow wollen sie und die anderen deutschen Fußballerinnen auch bei der EM kommen. Dabei wird Jule Brand kein Küken sein, sondern vorangehen und die jüngeren Spielerinnen an die Hand nehmen, so wie die ehemalige Kapitänin Alexandra Popp es einst bei ihr tat. „Ich bin neben dem Platz nicht die Lauteste, die alles regelt. Aber auf dem Platz will ich auf jeden Fall meine Rolle einnehmen und dem Team helfen.“

Und dass Brand durchaus auch mal neben dem Platz laut sein und für Stimmung sorgen kann, hat sie spätestens bei Wolfgang Petrys Auftritt bewiesen. Jetzt soll auch ihre fußballerische Leistung „Wahnsinn“ werden.

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