
© IMAGO/Sergio Ros
Inter Mailand im Halbfinale der Champions League: Alessandro Bastoni ist der Prototyp des modernen Verteidigers
Nach dem spektakulären 3:3 im Hinspiel kämpfen Inter und der FC Barcelona am Dienstag um den Einzug ins Finale. Einer der Schlüsselspieler ist ein Verteidiger mit viel Offensivdrang.
Stand:
Den Weg von Casalmaggiore kennt Alessandro Bastoni blind. Erst über die lombardischen Dörfer, dann auf die Autobahn, einmal durch Brescia, vorbei am Flughafen, bis nach Zingonia.
130 Kilometer, hin und am Abend wieder zurück, jeden Tag.
Denn 2006 verändert ein Zufall sein Leben. Mit sieben Jahren spielt er in seiner Heimatstadt nur auf dem Bolzplatz der Kirchengemeinde. „Ich war sehr schüchtern, aber ich hatte Glück: Der Vater eines Freundes war Scout bei Atalanta und hat mich zu einem Probetraining mitgenommen“, erzählte Bastoni in einem Interview mit dem italienischen Fußballverband.
Er überzeugt und besucht anschließend die renommierte Jugendakademie in Bergamo. Sein Vater Nicola, früher einmal selbst Profi bei Cremonese, fährt ihn. Jahrelang. Mittlerweile braucht Alessandro Bastoni keinen Taxidienst mehr. Der 26-Jährige gehört zu den besten Innenverteidigern der Welt und trifft am Dienstag (21 Uhr, Prime Video) im Halbfinale der Champions League mit Inter Mailand im legendären San Siro auf den FC Barcelona.
Das Hinspiel vor einer Woche in Katalonien endete spektakulär 3:3 und dürfte auch den letzten Zweifler überzeugt haben, dass Inter zurecht unter den besten Teams Europas steht. Vor zwei Jahren verloren die Mailänder im Finale knapp gegen Manchester City, nun wollen sie den ersten Champions-League-Titel einer italienischen Mannschaft seit 2010 holen. Damals triumphierte Inter unter José Mourinho und im Halbfinale ging es gegen: genau, den FC Barcelona.
Weitere Parallelen gibt es 15 Jahre später aber nicht. Mauerten sich die Mailänder damals im Rückspiel noch ins Finale, ist Inter heute eine der modernsten Mannschaften Europas. Simone Inzaghi, jüngerer Bruder von Milan-Legende Filippo, trainiert das Team seit 2021 und hat es zu einer perfekt funktionierenden Maschine geformt. „Individuell sind wir den anderen drei Halbfinalisten unterlegen, aber als Mannschaft können wir sie alle schlagen“, sagte Bastoni der „Gazzetta dello Sport“.
Der Europameister von 2021 nimmt dabei eine entscheidende Rolle ein. Bastoni agiert als linker Innenverteidiger in einer Dreierkette und ist für den Spielaufbau unverzichtbar. Mit seinem starken linken Fuß findet er oft die Lücken, um die gegnerische Pressinglinie zu überwinden. Er traut sich aber auch, mit langen Schritten und dem Ball am Fuß nach vorne zu laufen, um Überzahl zu schaffen. Im Nachwuchs bei Atalanta sei ihm eine klare Spielidentität vermittelt worden: „Ich soll den Ball immer spielen, nie einfach nur wegschlagen.“
Selbst unter Druck gelingt Bastoni das meist herausragend. Für einen Innenverteidiger hat er einen enormen offensiven Einfluss auf das Spiel seiner Mannschaft, wobei er sich auch oft in Räume bewegt, die für einen Verteidiger sehr untypisch sind. „Manchmal weiß ich selbst nicht, welche Position ich gerade spiele“, sagte Bastoni kürzlich bei „Dazn“. „Aber das ist der moderne Fußball.“
Inter setzt alles auf die Champions League
Inzaghis Inter gehört zu den mutigsten Vertretern dieser Philosophie. Über die Jahre hat die Mannschaft die Automatismen so verinnerlicht, dass sie sich kaum Fehler erlaubt. Die vielen Positionswechsel machen es dem Gegner schwer, Zugriff zu bekommen. Schaltet sich Bastoni offensiv ein, lässt sich der frühere Dortmunder Henrikh Mkhitaryan fallen. Auf der linken Seite harmonieren Bastoni, der 36 Jahre alte Armenier und Federico Dimarco exzellent.
Im zentralen Mittelfeld spielen neben Mkhitaryan mit Hakan Çalhanoğlu und Nicolò Barella zwei weitere ballsichere Spieler, die man in jeder Situation anspielen kann. Vorne ist das Duo aus dem früheren Gladbacher Marcus Thuram und Lautaro Martínez gesetzt. Allerdings ist fraglich, ob der argentinische Weltmeister seine Muskelverletzung im Oberschenkel rechtzeitig auskuriert.
Bastoni bekam am Wochenende beim 1:0 gegen Hellas Verona wie fast alle Stammkräfte eine Pause, denn das Rückspiel gegen Barcelona am Dienstag wird ein Schlüsselspiel für die Saison der Mailänder. Inter fokussiert sich seit Wochen auf die Champions League und hat in der Serie A einige Punkte liegen lassen. Die Titelverteidigung ist bei drei Punkten Rückstand auf Neapel schwierig geworden, in der Coppa Italia ist Inter im Halbfinale am Stadtrivalen AC Mailand gescheitert. „Ohne Trophäe würde schon ein bitterer Nachgeschmack bleiben nach dieser starken Saison“, sagt Bastoni.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid: