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Besser in Schuss als vor vier Jahren: Sami Khedira.

© dpa

Fußball-WM: Auftakt gegen Mexiko: Ist die Nationalmannschaft noch besser als der Weltmeister von 2014?

Viele Experten schätzen den aktuellen Kader der Deutschen noch stärker ein als die Weltmeistermannschaft von 2014. Aber ist das so? Ein Vergleich.

Neuer vs. Neuer

Kann man die Rolle als Torhüter überhaupt besser ausfüllen, als es Manuel Neuer 2014 in den K.-o.-Spielen getan hat? Der Münchner beherrschte nicht nur seine Linie und seinen Strafraum, er herrschte über die komplette Spielhälfte der Deutschen. Im Achtelfinale gegen Algerien klärte er so oft so weit vor seinem Sechzehner, dass Oliver Kahn, der Linientorhüter alter Schule, als Experte im ZDF der Ohnmacht nahe war. Neuer hat von seiner Klasse und seiner Ausstrahlung nichts eingebüßt, aber wenn am Sonntag die WM beginnt, wird es ihm definitiv an Spielpraxis mangeln. Nach mehr als achtmonatiger Verletzungspause kommt er auf gerade mal 135 Spielminuten. Dass der 32-Jährige trotz allem ein sehr guter Torhüter sein wird, daran zweifelt im deutschen Team niemand. Aber vor vier Jahren in Brasilien war Manuel Neuer nicht sehr gut – er war herausragend. Sieg 2014.

Kimmich vs. Lahm

„Philipp Lahm zu beerben ist nicht so einfach“, sagt Toni Kroos. Dass die Erbfolge so geräuschlos vonstattengegangen ist, erzählt einiges über Lahms Nachfolger Joshua Kimmich und dessen Qualität. „Er ist prädestiniert dafür, ein Führungsspieler zu sein“, findet Kroos. Wenn Bundestrainer Joachim Löw an seine Mannschaft der Jahre 2020 ff. denkt, hat er den 23 Jahre alten Münchner längst als möglichen Kapitän im Kopf. Aber das ist eben die Zukunft, nicht die Gegenwart. „Ich versuche nicht, ihn zu kopieren“, sagt Kimmich. „Ich will Joshua Kimmich sein, nicht Philipp Lahm zwei.“ Der Thronfolger ist offensiv sogar einen Hauch gefährlicher, als Lahm es war. Dafür verfügte der Kapitän des Weltmeisterteams über noch mehr Spielintelligenz und mehr Qualität in der Defensive. Für Mats Hummels ist Lahm damit „der beste Rechtsverteidiger, den ich bisher kennengelernt habe“. Sieg 2014.

Boateng vs. Boateng

Für Jerome Boateng 2014 gilt das Gleiche wie für Manuel Neuer 2014: Besser als Boateng im Finale gegen Argentinien kann man als Innenverteidiger nicht spielen. Allerdings gilt für Boateng 2018 ebenfalls das Gleiche wie für Neuer 2018: Er startet mit einem eklatanten Mangel an Spielpraxis in die WM. Wegen einer Muskelverletzung konnte der Münchner zu Beginn der Vorbereitung sogar noch weniger machen als Neuer. Zudem reiht Boateng, der im September 30 wird, seit der EM 2016 Verletzung an Verletzung. Die Frage, wie sehr er seinem eigenen Körper überhaupt noch vertraut, wird entscheidend dafür sein, wie viel Halt er der Nationalmannschaft in Russland geben kann. Sieg 2014.

Hummels vs. Hummels

Mats Hummels ist dieser Tage gefragt worden, ob die WM in Russland sein letztes großes Turnier sein könnte. Ende des Jahres wird er 30, da sind solche Fragen nicht ganz aus der Luft gegriffen. Dass sich der Innenverteidiger des FC Bayern mit solchen Mutmaßungen konfrontiert sieht, könnte allerdings auch daran liegen, dass er zuletzt nicht den allerfrischesten Eindruck hinterlassen und sogar selbst gesagt hat, dass er „in einem kleinen körperlichen Loch“ gesteckt habe. Sein Laufduell mit dem Frankfurter Ante Rebic im DFB-Pokalfinale hat das Land in eine Art Schockzustand versetzt. Zu Hummels‘ Ehrenrettung sei vermerkt, dass er dieses Duell wohl auch vor vier Jahren mit deutlichem Abstand verloren hätte. Sein Spiel ist geradezu darauf angelegt, solche Situationen zu vermeiden. „Ich versuche, den Überblick zu bewahren“, sagt der 29-Jährige. Vielleicht ist der Überblick sogar noch ein bisschen besser geworden, auch die Sicherheit im Spiel nach vorne. Trotzdem: Sieg 2014.

Hector vs. Höwedes

Kleines Quiz: Wer war neben Kapitän Lahm der einzige Feldspieler der Deutschen, der 2014 in Brasilien in jeder Minute auf dem Platz gestanden hat? Die Antwort: Benedikt Höwedes. Nicht schlecht für einen rechtsfüßigen Innenverteidiger, der auf der ungewohnten Position als linker Außenverteidiger auflaufen musste. Der damalige Schalker hat die ungewohnte Aufgabe erstaunlich gut erledigt, was aber auch daran lag, dass Bundestrainer Löw das eigentlich umfangreiche Portfolio eines Außenverteidigers auf die Essenz reduziert hat: aufs Verteidigen. Jonas Hector, ein Lieblingsschüler Löws, hat die gesamte Breite im Programm, also auch Vorstöße in den gegnerischen Strafraum. Allerdings wirkte der Kölner, der in der vergangenen Saison monatelang verletzt war, in den Vorbereitungsspielen nicht ganz so sicher wie gewohnt. Unentschieden.

Khedira vs. Khedira

Kaum jemand hat sich in den vergangenen vier Jahren so sehr verändert wie Sami Khedira. 2014 trug er die Haare schulterlang, inzwischen hat sich der Mittelfeldspieler für eine pflegeleichte Kurzhaarfrisur entschieden. Es ist der auffälligste, aber bei Weitem nicht der entscheidende Unterschied. Vor vier Jahren schaffte es Khedira erst auf den letzten Drücker in den WM-Kader, nachdem er sich im November des Vorjahrs das Kreuzband gerissen hatte. Khedira quälte sich durch die Reha, immer mit der Weltmeisterschaft als großes Ziel vor Augen. Am Ende gewann er nicht nur mit Real Madrid den Titel in der Champions League, sondern auch mit der Nationalmannschaft den WM-Pokal. Trotzdem waren seine Auftritte beim Turnier in Brasilien von Zweifeln umweht. Khedira hat zugegeben, dass er damals vor allem mit sich selbst beschäftigt war. Das ist jetzt anders. „Seit über zwei Jahren spiele ich ohne Verletzung durch“, sagt er. „Deswegen fühle ich mich gut, da kann ich mich noch mal ganz anders einbringen. Ich kann den Rundumblick haben, kann Mitspieler führen.“ Sieg 2018.

Kroos vs. Kroos

Die offizielle Bestätigung kam vier Tage nach dem WM-Finale: Toni Kroos wechselt für 30 Millionen Euro von Bayern München zu Real Madrid. Angesichts der Leistungen des Mittelfeldspielers in Brasilien war schon damals absehbar, dass die Spanier einen glänzenden Deal abgeschlossen hatten – die Bayern eher nicht. Dabei ist Kroos bei der WM 2014 sogar noch ein bisschen unter dem Radar der großen Öffentlichkeit hinweggeflogen. Inzwischen ist der 28-Jährige die allseits anerkannte Autorität in der Nationalmannschaft. Kroos ist das Metronom im Mittelfeld, das dem deutschen Spiel mit seinen Pässen Struktur verleiht. Sieg 2018.

Müller vs. Müller

Was den Galliern in Asterix und Obelix der geheime Zaubertrank, das ist für Thomas Müller die Weltmeisterschaft. Sie verleiht ihm ungeahnte Kräfte, macht ihn gewissermaßen unbezwingbar. 2010 wurde Müller bei seinem WM-Debüt mit fünf Treffern Torschützenkönig, 2014 traf er erneut fünfmal und wurde Weltmeister. Seine Bilanz bei Europameisterschaften ist nicht ganz so imposant. 2012: kein Tor; 2016: kein Tor. Wer will also ausschließen, dass Müller in Russland wieder über sich hinauswächst? Seine Saison mit den Bayern war im Vergleich zu den Jahren zuvor überdurchschnittlich gut. In, wettbewerbsübergreifend, 44 Einsätzen kam Müller auf 15 Tore und 18 Vorlagen. Sie war aber eben nicht annähernd so gut wie die Saison vor der WM in Brasilien, als er in 48 Einsätzen 26 Tore erzielte und 15 vorbereitete. Sieg 2014.

Özil vs. Özil

Weil die Nationalmannschaft 2014 in einer anderen taktischen Grundformation spielte, ist dieser Vergleich kein positionsgetreuer. In Russland wird Mesut Özil wohl zentral hinter dem einzigen Stürmer auflaufen; in Brasilien gab es diese Position im 4-3-3-System nicht. Özil musste deshalb auf die linke Seite ausweichen, in eine Rolle, die ihm sichtlich wenig behagte. Als Linksfuß war er weitgehend der Möglichkeit beraubt, von außen in die Mitte zu ziehen und dann den Torabschluss zu suchen. Auch sonst hat Özil in den vergangenen vier Jahren einen Sprung gemacht, wirkt insgesamt selbstsicherer. Bliebe die Frage, wie er den Wirbel um seine Person in der Trikotaffäre wegsteckt. Vermutlich besser als Ilkay Gündogan. Sieg 2018.

Reus vs. Schweinsteiger

Marco Reus gilt in der allgemeinen Wahrnehmung als das Überraschungsmoment im deutschen Kader, als das mögliche Extra. Der Dortmunder hat die beiden letzten Turniere verpasst. Ihn erwarten daher viele bei seiner ersten WM als besonders motiviert – wenn der Körper des inzwischen 29-Jährigen mitspielt. Das galt vor vier Jahren auch für Bastian Schweinsteiger, der natürlich auf einer anderen Position spielte. Im Finale gegen Argentinien entpuppte sich der Münchner tatsächlich als entscheidender Faktor; dass das Spiel mit einem Foul gegen ihn endete, war fast sinnbildlich für Schweinsteigers Leiden. Richtig fit war er zu Turnierbeginn noch nicht. Das unterscheidet ihn von Marco Reus, der, so scheint es, vom ersten Moment an wichtig werden kann. Sieg 2018.

Werner vs. Klose

In Brasilien ist Miroslav Klose mit seinem 16. Turniertor zum erfolgreichsten Torschützen der WM-Geschichte aufgestiegen. Dieser Rekord überlagert ein wenig die Erinnerung daran, dass Klose mit 36 Jahren schon ein gesetzter Herr war, der sich auch mal seine Pausen gönnte. Zwei Tore gelangen ihm 2014, das zweite beim 7:1 gegen Brasilien, weil Toni Kroos für den Rekord seinen Fuß wegzog. Timo Werner hingegen steht mit 22 Jahren am Anfang seiner Karriere. Er ist im Abschluss zwar manchmal noch zu fahrig, dafür unglaublich schnell und schwer zu stoppen. „Er ist eine absolute Waffe“, sagt Joshua Kimmich, der Werner seit gemeinsamen Zeiten in der Jugend des VfB Stuttgart kennt. In diesen Tagen hat er den Leipziger noch einmal daran erinnert, dass er, Kimmich, noch nie an einem Turnier teilgenommen habe, bei dem Werner nicht Torschützenkönig geworden sei. Miroslav Klose hat das erst 2006, bei seiner zweiten WM-Endrunde, geschafft. Sieg 2018.

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