zum Hauptinhalt
Mattia Zaccagni (rechts) erzielt in der achten Minute der Nachspielzeit den Ausgleich.

© dpa/AP/Petr David Josek

Italien zittert sich nach Berlin: Ein Del-Piero-Moment, ein Maulwurf und viel Unruhe

Nach dem Einzug ins Achtelfinale der EM herrscht bei Titelverteidiger Italien ein Gefühlschaos. Das Team lässt gegen Kroatien erneut Schwächen erkennen – Trainer Spalletti legt sich mit den Medien an.

Stand:

Der Schlenzer aus halblinker Position in den oberen rechten Torwinkel hat in Italien einen Namen: Il tiro alla Del Piero, ein Schuss nach Art von Del Piero. Der langjährige Kapitän von Juventus Turin hat auf diese Weise unzählige Tore erzielt, das ikonischste allerdings im Trikot der Nationalmannschaft.

Im Dortmunder Westfalenstadion traf Alessandro Del Piero im Halbfinale der WM 2006 gegen Deutschland in der 121. Minute zum 2:0.

Ähnlich legendär wurde auch der Kommentar von Fabio Caressa: „Packt die Koffer, meine Freunde – si va a Berlino!“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Der 2024er-Jahrgang der Squadra Azzurra erlebte seinen ganz kleinen Del-Piero-Moment am späten Montagabend in Leipzig. Bis zur achten Minute der Nachspielzeit lag Italien im letzten Vorrundenspiel gegen Kroatien zurück – es sah so aus, als würde der Titelverteidiger tagelang rechnen und bangen müssen, ob es über die Wertung der besten Gruppendritten für das Weiterkommen reicht.

Doch dann kam der letzte Angriff: Innenverteidiger Riccardo Calafiori passt mit letztem Einsatz auf Mattia Zaccagni und der 29 Jahre alte Linksaußen von Lazio Rom zirkelte den Ball „delpieroesk“ in den rechten Winkel. Si va a Berlino. Allerdings erst mal nur für das Achtelfinale. „Als Zweiter weiterzukommen, war sehr wichtig“, sagte Zaccagni nach seinem ersten Länderspieltor. „An diesen Moment werde ich mich für den Rest meines Lebens erinnern.“

Für die große Mehrheit Fußballitaliens dürfte das eher nicht gelten. Der Ausgleich mit der letzten Aktion des Spiels war ein emotionaler Höhepunkt, spielerisch war es aber ziemlich dürftig, was die Azzurri in der Vorrunde zeigten. Eine überzeugende Halbzeit gegen Albanien, ein chancenloser Auftritt gegen Spanien, eine Willensleistung nach Rückstand gegen Kroatien.

Italien ist weit vom früheren Niveau entfernt

Die italienischen Spieler jubelten dennoch ekstatisch und begruben Zaccagni unter sich, auch Luciano Spalletti rannte ungewohnt enthemmt an der Seitenlinie entlang. Wenige Minuten später sprudelten in der Pressekonferenz die Emotionen erneut aus dem Nationaltrainer heraus. Er regte sich über einen Maulwurf auf, der Interna an die Öffentlichkeit gebe und so „der Nationalmannschaft schadet“.

Auf die Frage, ob er Angst vor dem Vorrundenaus gehabt hätte, antwortete er mit einem denkwürdigen Monolog. „Angst? Wenn ich Angst hätte, würde ich eine andere Arbeit machen. Dann würde ich wie ihr ins Stadion gehen und mir die Spiele anschauen“, sagte Spalletti in Richtung der Journalisten.

Italiens Trainer Luciano Spalletti jubelt nach dem 1:1 gegen Kroatien.

© dpa/Robert Michael

Dass sich der 65-Jährige mit den Medien streitet, ist in Italien keine große Neuigkeit, es passt aber zum Gesamteindruck, den die Azzurri bei dieser EM bisher hinterlassen. Es wirkt alles etwas unrund und nervös. Vor drei Jahren spielte sich die Mannschaft schnell in einen Rhythmus und profitierte in den späteren Spielen auf dem Weg zum Titelgewinn von dem dabei gewonnenen Selbstverständnis.

Aktuell ist das Team von einem solchen Niveau weit entfernt. Spalletti hatte nach Roberto Mancinis überraschendem Abgang nach Saudi-Arabien wenig Zeit, einige wichtige Spieler fehlen verletzt – letztlich ist es aber auch ein Qualitätsproblem.

Der einzige Italiener, der bei dieser EM bereits seine Weltklasse nachgewiesen hat, ist Gianluigi Donnarumma. Der Torwart parierte auch gegen Kroatien famos und fühlte sich beim Gegentor offensichtlich ziemlich alleingelassen. Erst entschärfte er einen Handelfmeter von Modric, wenige Sekunden später einen Abschluss aus Nahdistanz von Ante Budimir. Gegen den Nachschuss von Modric war Donnarumma dann machtlos und hüpfte wild gestikulierend im Strafraum umher.

Allein wird er die EM nicht gewinnen können. Es wäre eine große Überraschung, wenn Italien nach dem Achtelfinale noch einmal nach Berlin zurückkehren würde.

Schon das Achtelfinale gegen die Schweiz wird nach den Eindrücken aus der Gruppenphase alles andere als ein Spaziergang. Weitere Tore „alla Del Piero“ würden in jedem Fall helfen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
false
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })