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„Kann die Menschen zusammenbringen“: So verlief das erste Heimspiel des 1. FC Magdeburg nach dem Anschlag
Beim Spiel gegen Braunschweig gelingt Magdeburg nicht der lang ersehnte Heimsieg. Im Vordergrund steht aber ohnehin das Gedenken an die Opfer. Dafür hat der Verein sich einiges einfallen lassen.
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Der Himmel ist grau, am Tag des Heimspiels des 1. FC Magdeburg. Doch vor der Johanneskirche, im Stadtzentrum, gleich neben dem Alten Markt, erstreckt sich am Sonnabend ein buntes Farbenmeer aus Blumen, Stofftieren und Kerzen. Einige vorbeilaufende Menschen bleiben kurz stehen, halten inne und gedenken der sechs Menschen, die wenige Tage vor Heiligabend bei dem Anschlag auf dem Weihnachtsmarkt ums Leben kamen. Fast 300 Menschen wurden dabei verletzt, einige von ihnen liegen immer noch im Krankenhaus.
Ein großer, blauer Schal mit der Aufschrift „1. FC Magdeburg“ sticht besonders ins Auge. Er liegt gleich hinter dem großen Kranz, den Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hier kürzlich abgelegt hat. Etwas weiter haben die Fans anderer Vereine wie Hansa Rostock und St. Pauli ihre Schals drapiert, um Solidarität auszudrücken.

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Der 1. FC Magdeburg ist mit rund 14.000 Mitgliedern der größte Sportverein Sachsen-Anhalts. Nach dem Anschlag sieht er sich in der gesellschaftlichen Verantwortung. Man wolle allen Menschen in der Stadt und der Region ein „Anker der Zuversicht“ sein, hatte der Zweitligist während der Winterpause in einem Statement geschrieben. Kann das gelingen?
Am Freitag, vor dem ersten Heimspiel seit dem Anschlag gegen Eintracht Braunschweig, ist die Stimmung bei den Fans nicht nur vorfreudig. Celina, die seit ihrer Kindheit Fan ist und etwa eine Stunde entfernt in Hettstedt wohnt, sagt: „Es ist ein komisches Gefühl. Wir waren an der Kirche und haben Blumen abgelegt. Eigentlich verbinden wir nur Positives mit der Stadt. Zu wissen, dass ein Mensch zu so was fähig ist, ist schrecklich. Aber ich denke, die Liebe für den Verein kann die Menschen zusammenbringen.“
Banner und eine Schweigeminute
Der 1. FC Magdeburg hatte zuvor 250 kostenlose Tickets an Betroffene des Anschlags und Menschen, die an diesem Tag im Einsatz waren, verteilt. Bereits eine Stunde vor Anpfiff haben sich Tausende Fans im Stadion versammelt, vor der Nordtribüne hängt ein gigantisches schwarzes Banner mit der Aufschrift „In dunklen Stunden und tiefer Trauer, Magdeburg steht immer zusammen.“
Auf der gegenüberliegenden Seite, bei den Gästen aus Braunschweig, der Partnerstadt Magdeburgs, heißt es auf einem Banner „Stark bleiben Magdeburg“. Bevor es losgeht, gibt es eine Schweigeminute, um ein Zeichen zu setzen, „dass Gewalt und Hass keinen Platz in unserer Gesellschaft haben“, wie der Stadionsprecher sagt.
Während die Magdeburger Spieler ein Banner ausrollen, um Solidarität mit den Opfern und Verletzten auszudrücken, rufen einige Fans aus Braunschweig „Eintracht und der FCM“. Dann ist Anpfiff.

© imago/Jan Huebner/IMAGO/Franziska Gora
Sportlich könnten die Ausgangslagen der Mannschaften kaum unterschiedlicher sein: Während die Mannschaft von Trainer Christian Titz elf Monate keinen Heimsieg feiern konnte, aber dennoch auf Platz zwei in der Tabelle steht, gelang Braunschweig in dieser Saison noch kein Auswärtssieg und so befindet die Mannschaft sich im Abstiegskampf.
Es dauert gerade einmal fünf Minuten, bis Baris Atik für Magdeburg zum 1:0 trifft und die blau-weißen Fans lautstark jubeln lässt. Insgesamt 27.863 Zuschauende sind dabei.
Die Magdeburger Spieler laufen an diesem Abend in schwarzen Sondertrikots auf, um ein „ein Zeichen der Solidarität und des Zusammenhalts zu setzen“. Nach dem Spiel sollen sie versteigert werden sollen, die Erlöse kommen den Opfern des Anschlags zugute.
Bei den Fans kommt die Idee gut an, einige wundern sich allerdings darüber, dass die Trikots nicht in den freien Verkauf gehen. „Bei einer Versteigerung schließt du automatisch viele Leute aus, die vielleicht eher bei einem symbolischen Preis mitgegangen wären und sich das gekauft hätten“, heißt es etwa im Fanpodcast „Nur der FCM“.
Eine ganze Weile sieht es am Sonnabend so aus, als würde es Magdeburg endlich, nach elf Monaten, gelingen, seinen Heimfluch zu brechen. Doch dann gleicht Braunschweig in der 70. Minute per Elfmeter aus und die Gastgeber können ihre Chancen nicht effektiv nutzen. Die Magdeburger müssen sich mit dem 1:1 (1:0) zufriedengeben. Die Fans stehen dennoch zusammen und feuern das Team an, die sportlichen Aspekte rücken an diesem Abend ein Stück weit in den Hintergrund.
„Es war ein sehr bewegender, sehr emotionaler Moment, als vor dem Anpfiff Ruhe im Stadion war“, sagt Trainer Christian Titz. „Man hat gemerkt, wie sehr es einen selbst betrifft.“ Von Seiten der Anwesenden habe man Trauer, Verständnis und Mitleid gespürt. „Das war berührend.“
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