
© IMAGO/Massimo Paolone/LaPresse
„Das finde ich nicht richtig“: Wie sinnvoll sind Gelbe Karten im Radsport?
Beim Giro d’Italia gibt es jetzt auch Gelbe Karten – ganz ohne Rudelbildung, aber nicht ohne Kontroversen. Insbesondere an der Umsetzung des umfassenden Sündenkatalogs gibt es Kritik.
Stand:
Der Radsport wird bunter. Zum Farbspektakel der diversen Trikots der Rennställe und der Wertungstrikots der jeweiligen Rundfahrten gesellen sich seit Jahresbeginn auch Gelbe Karten. Die werden nicht wie etwa im Fußball physisch aus der Tasche von Unparteiischen gezogen. Vielmehr kann man am Ende eines Tages in den Ergebnislisten nachlesen, wer für welche Art Sünde geahndet wurde.
115 Mal passierte dies in dieser Saison bereits, wie die Website des Weltradsportverbands UCI festhält. 53 Mal waren Fahrer betroffen, knapp die Hälfte also. Daneben traf es sportliche Leiter (21 Mal), Mechaniker (5) und sogar Medienschaffende (20). Der Rest geht auf das Konto nicht näher spezifizierter Mitarbeiter von Rennställen und der Organisation.
Kritisch ist die Sache vor allem für die Aktiven in den Etappenrennen. Werden sie zweimal verwarnt, müssen sie die Rundfahrt verlassen. Sechs Profis fahren derzeit mit diesem Damoklesschwert im Peloton des Giro d’Italia.
Es wäre gut, wenn in der Kommission auch ehemalige Rennfahrer sitzen würden, die ein besseres Auge für solche Situationen haben.
Matteo Moschetti, italienischer Radrennfahrer
Der Italiener Matteo Moschetti ist einer von ihnen. Er behinderte beim Sprint der sechsten Etappe den späteren Tageszweiten Olav Kooij und wurde deshalb vom achten auf den 176. Platz relegiert. Sein Team Q36.5 akzeptierte das. Auch Moschetti selbst suchte keine Ausflüchte. Er beklagte aber, dass die Entscheidungen nicht immer eindeutig und vor allem nicht kohärent seien.
„Es wäre gut, wenn in dieser Kommission auch ehemalige Rennfahrer sitzen würden, die ein besseres Auge für solche Situationen haben und wissen, was im Sprint alles passieren kann“, sagte Moschetti dem Tagesspiegel.
Denn nicht jeder Kopfstoß, jeder Rempler geschehe in der Absicht, den Rivalen zu behindern. Manchmal kämpfe man nur darum, das Gleichgewicht zu behalten, weiche einem Hindernis aus und wolle nicht nur den eigenen Sturz, sondern auch den Dominoeffekt der übereinander fallenden Fahrer verhindern.
Generell wird im Peloton das System aber begrüßt. „Es ist der richtige Ansatz“, sagte Georg Steinhauser, im letzten Jahr Etappengewinner beim Giro, in diesem Jahr auch schon in einer Fluchtgruppe und perfekter Vorbereiter beim Tagessieg seines Teamkollegen Richard Carapaz am Mittwoch.
Wie das System umgesetzt wird, ist aber manchmal verwirrend, das musste Steinhauser auch schon erleben. „Bei uns gab es den Fall, dass einer eine Gelbe Karte bekommen hat. Dann hat sich aber herausgestellt, dass das eigentlich ein Teamkollege war.“
Für das „achtlose Entsorgen einer Flasche“ (mit übermäßiger Wucht auf den Zuschauer geworfen und wieder auf die Straße zurückgeprallt, Anm. d. Red.) wurde zunächst der Irische Meister Darren Rafferty bestraft, bevor dann den Teamkollegen Kasper Asgreen das Verdikt traf.

© AFP/LUCA BETTINI
Der Fall Rafferty/Asgreen deutet an, wie umfassend der Sündenkatalog der UCI ist. Er enthält 16 verschiedene Vergehen, vom Abnehmen des Helms während des Rennens über das Festhalten am Auto und Behinderung im Sprint bis zum Missachten von Anweisungen der Offiziellen. Alles wird mit der gleichen Gelben Karte geahndet.
„Das finde ich nicht richtig, dass zum Beispiel die Gelbe Karte für einen Fall, bei dem jemand fast einen Sturz verursacht hat, gleich viel wert ist wie eine Gelbe Karte für das Wegwerfen einer Flasche im falschen Moment“, kritisiert Steinhauser.
Denn die Folgen sind ja dieselben: Eine zweite Gelbe Karte im gleichen Rennen bedeutet den sofortigen Ausschluss. Fährt Moschetti deshalb aber anders? „Ich versuche, daran einfach nicht zu denken. Urlaub hatte ich vorher, ich will hier nicht abbrechen“, sagte er.
Die Maßnahmen der UCI sind ein guter Impuls. Sie müssen nur noch klarer strukturiert und auf das Wesentliche konzentriert werden. Beim Festlegen der Fahrlinie, die ein Fahrer im Sprint verlässt, könnte in Zukunft vielleicht sogar Künstliche Intelligenz helfen. Anhand der virtuellen Linien würde das Verhalten nicht nur transparent, sondern auch objektiviert werden.
Auch für die Zuschauer wäre ein neuer visueller Reiz geschaffen. Die Gelben Karten sieht man ja bislang noch gar nicht.
- showPaywall:
- false
- isSubscriber:
- false
- isPaid:
- false