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Sport: Kreativ blockiert

Schalke 04 gerät nach dem 0:2 gegen den HSV langsam in die Krise, streitet das aber beharrlich ab

Mutig, ja frech waren die Schalker nur auf dem Titelblatt ihrer Stadionzeitung. „Willkommen, Huub! Komm mit Freude, aber geh’ ohne Punkte“, stand da. Stevens war mit Freude gekommen, sonst aber hielten sich der Trainer des Hamburger SV und seine Mannschaft nicht an die Vorgabe. Der erfolgreichste Trainer in der Bundesligageschichte des FC Schalke 04 verließ die Arena mit drei Punkten und mit der Überzeugung, Gelsenkirchen werde dennoch Deutscher Meister. Wenn eine Mannschaft wie Schalke so hart getroffen wird wie durch das 0:2 gegen den HSV, dann regt sich bei den Beteiligten oft genug Widerspruch, wenn der Abschwung gleich als Krise gedeutet wird. Schließlich war auch das vorangegangene Heimspiel gegen Leverkusen 0:1 verloren worden.

Allein die Frage nach dem nervlichen Befinden wertet mancher schon als Anschlag auf den Schalker Frieden. Als Täter müssen in der Fantasie wieder die Medien herhalten, getreu dem Schalker Leitmotiv für schlechte Zeiten: Alles Schlechte kommt von außen. „Ihr arbeitet ja die ganze Woche darauf hin, dass wir Nervenflattern kriegen, aber diesen Schuh ziehen wir uns nicht an“, entgegnete Zlatan Bajramovic einem Reporter. Schon diese schroffe Reaktion zeigt, dass der Tabellenführer inzwischen nicht nur Spiele verliert, sondern allmählich auch die Souveränität. Bajramovic war bereits nach dem vorherigen Misserfolg aufgefallen, indem er den Leverkusener Nationalspieler Bernd Schneider vor laufender Kamera anpöbelte.

Bajramovic beschwerte sich auch noch über einen Teil der Zuschauer. Die Fans hätten an diesem Abend nicht allzu viel Fußballverstand bewiesen, sagte er und verteidigte seinen Mitstreiter Hamit Altintop. Der Türke versuchte viel, produzierte aber hauptsächlich Fehlpässe. Das Publikum bestrafte ihn mit Pfiffen, vermutlich auch deshalb, weil der gebürtige Gelsenkirchener im Sommer zu Bayern München wechselt. Es spricht für Bajramovic, dass er sich zum Anwalt seines Mitstreiters gemacht hat. Aber ob er für Schalke im Allgemeinen oder für Altintop im Besonderen plädierte, es klang zu sehr nach der Devise: Schuld sind immer die anderen.

Und das traf nicht zu. Das erste Tor wurde erst durch einen Abwehrfehler möglich, den Dario Rodriguez und Fabian Ernst verursachten. Als der Ball kam, gingen beide in Deckung. Der zuweilen stürmende Hamburger Regisseur Rafael van der Vaart konnte die Einladung zum Torschuss nicht mehr abschlagen. Solche Fehler sind dazu geeignet, eine Formschwäche zur Krise zu steigern. Die Sperre des Regisseurs Lincoln und die Verletzung des Stürmers Peter Lövenkrands mögen den Ideenmangel und die fehlende Dynamik im Angriff erklären. „Sie dürfen aber keine Ausreden sein“, sagte Schalkes Manager Andreas Müller. Die Gegentore – das zweite erzielte Ivica Olic – lassen sich nicht allein mit dem Fehlen zweier offensiver Schlüsselspieler erklären.

Oder doch? Vielleicht besteht ja eine Wechselwirkung, und die kreative Blockade wirkt sich ungünstig auf die Abwehrkräfte aus. Warum sonst fehlte die letzte Schärfe im Abschluss, wie die Verantwortlichen mehr oder weniger verklausuliert einräumten? Aus Sicht der Schalker mag es ärgerlich sein, wenn viele Beobachter ihnen wieder Nervenschwäche bescheinigen – wie bei den verpassten Meisterschaften 2001 und 2005. Aber darin liegt auch eine Chance, allerdings nur für den, der sich seinem Problem stellt. Trainer Mirko Slomka erinnerte eher an einen Patienten, der seine Krankheit leugnet. „Ich habe keine Nervosität gesehen, die Mannschaft ist psychisch stabil.“

Entweder er hat recht, oder es wird Zeit, sich mit möglichen Ursachen der Schwäche auseinanderzusetzen. Eines jedenfalls wird sich nicht ändern. Die Brutalität der Mechanismen einer Branche, in der die Psychologie längst eine größere Rolle spielt, als Bajramovic und andere ahnen. Das muss nicht immer wissenschaftlich belegt sein. Manchmal reicht auch eine laienhafte Erkenntnis wie jene des Hamburger Torhüters Frank Rost, der in der Winterpause von Schalke zum HSV gewechselt war. „Die Schalker haben sich auf die Fahnen geschrieben, Deutscher Meister zu werden“, sagte er, „daran werden sie halt gemessen.“

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