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Kritik an der Fifa: Amnesty sieht Menschenrechte bei Fußball-WM 2030 und 2034 in Gefahr
Es geht um Diskriminierung, um die Rechte von Arbeitern oder um Polizeigewalt: Ein Bericht von Amnesty International blickt auf die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaften 2030 und 2034 an Staaten wie Saudi-Arabien.
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Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International hat den Fußball-Weltverband Fifa für die geplante Vergabe der Weltmeisterschafts-Endrunden 2030 an Marokko, Spanien und Portugal sowie 2034 an Saudi-Arabien kritisiert.
In einem rund 90-seitigen Bericht geht es mit Blick auf die WM in sechs Jahren, bei der zudem drei Spiele in Argentinien, Paraguay und Uruguay angepfiffen werden sollen, um Aspekte wie Diskriminierung, Rechte von Arbeitskräften, Polizeigewalt oder Recht auf Wohnen.
Beim Blick auf den einzigen Kandidaten für 2034 heißt es: Saudi-Arabien weise eine erschreckende Menschenrechtsbilanz auf. So gebe es zum Beispiel mehr als 20.000 dokumentierte Fälle von Arbeitsmigranten, die seit Jahren nicht bezahlt werden, sagte Ambet Yuson, Generalsekretär des globalen Gewerkschaftsbunds der Bau- und Holzarbeiter.
Für die WM würde Saudi-Arabien zehn Stadien bauen, dazu noch vier bestehende renovieren. Das würde Millionen von zusätzlichen Gastarbeiter:innen bedeuten, mit denen ähnlich umgegangen werde, sagte Yuson weiter. Wie groß das Problem sei, könne er aber nicht sagen: Eine Untersuchung vor Ort lasse Saudi-Arabien nicht zu.
Letztlich hat die Fifa die Wahl: Die Weltmeisterschaft kann eine Quelle von Würde oder Ausbeutung, Inklusion oder Diskriminierung, Freiheit oder Unterdrückung sein.
Stephan Cockburn, Experte für wirtschaftliche und soziale Rechte bei Amnesty International
Das zeige das nächste Problem: Die Menschen hätten Angst zu reden, weil sie sonst verfolgt und inhaftiert würden, sagte Dana Ahmed, Researcher bei Amnesty für die Golfregion. Freie Meinungsäußerung gebe es einfach nicht, auch nicht für die Fans und die Journalist:innen. „Bei einem Fußballspiel hat hier in Saudi-Arabien eine Gruppe ein Folklore-Lied gesungen, das war nicht mal etwas Regierungskritisches, aber es stammte von einer anderen Religion. Alle wurden dafür verhaftet“, sagte Ahmed.
Wie soll das mit Fans aus aller Welt funktionieren? Oder wie können in solch einem Umfeld Fans aus der LGBTIQ-Community geschützt werden? Gleichgeschlechtlicher Sex ist in Saudi-Arabien immer noch verboten.
Weitere Kriterien in dem Amnesty-Bericht betreffen das Thema Diskriminierung: Genderspezifische, religiöse, aber auch rassistische Vorfälle, auch gegen Spieler selbst, kamen in allen vier geplanten Gastgeberländern vor.
Kritik am schnell durchgepeitschten Vergabeverfahren
Es ist eine Vergabe mit Folgen: „Die Geschichte zeigt, dass eine Weltmeisterschaft für Würde oder Ausbeutung, Inklusion oder Diskriminierung, Freiheit oder Unterdrückung stehen kann“, sagte Katja Müller-Fahlbusch, Expertin für die Region Naher Osten und Nordafrika bei Amnesty International in Deutschland. „Dies macht die Vergabe der Austragungsrechte für die Turniere 2030 und 2034 durch die Fifa zu einer der folgenreichsten Entscheidungen, die je von einer Sportorganisation getroffen wurden.“
Für beide Weltmeisterschaften ist im Oktober 2023 jeweils nur die eine Bewerbung bei der Fifa eingegangen. An dem Verfahren, das schnell durchgepeitscht wurde, gab es auch Kritik. Bis Juli 2024 müssen die Länder alle Unterlagen einreichen. Dazu gehört auch eine Menschenrechtsstrategie, in der sie darlegen, wie sie die UN- und Fifa-Standards zu Arbeitsrechten, Nichtdiskriminierung, Meinungsfreiheit und mehr gewährleisten wollen. Nach einem Evaluierungsprozess wird die Fifa am 11. Dezember endgültig den Gastgeber bekannt geben.
Der Bericht „Playing a dangerous game?“ soll Amnesty zufolge die WM nicht verhindern, sondern dafür sorgen, dass alle Risiken vorab adressiert und angegangen werden. „Ein Nein heißt nicht nie, sondern nur nicht jetzt“, sagt Stephen Cockburn, bei Amnesty International in London zuständig für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte.
Die Fifa selbst hat sich 2015 zum Schutz der Menschenrechte bekannt und diesen auch schrittweise in ihre Regularien eingebaut. In den Bewerbungsrichtlinien für die Ausrichtung der Spiele 2030 und 2034 steht klar als einer von vier Grundsätzen, dass sich die Bewerber zum Schutz gefährdeter Kinder und Erwachsener und zur Achtung der international anerkannten Menschenrechte in Übereinstimmung mit den Leitprinzipien der Vereinten Nationen verpflichten.
Cockburn kritisiert jedoch, dass es bisher keinerlei Austausch oder Konsultationen dazu mit der Fifa gab, obwohl Amnesty mehrmals angefragt habe. „Letztlich hat die Fifa die Wahl: Die Weltmeisterschaft kann eine Quelle von Würde oder Ausbeutung, Inklusion oder Diskriminierung, Freiheit oder Unterdrückung sein“, sagte er.
Dabei könne die WM durchaus auch Gutes bewirken: Sie bringe dem Gastgeberland Prestige und könne ein Land dazu bringen, sich zu reformieren. Eine WM könne Menschenrechtsverletzungen erst in den Fokus rücken und dadurch etwas verändern. „Aber nur, wenn diese auch vorab adressiert werden“, sagte Cockburn.
Das sei auch ein Anlass für den Bericht von Amnesty gewesen: „So kann die Fifa nicht sagen, sie hätte von nichts gewusst“, sagte Cockburn.
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